Eine Rezension von Peter Hacks' "Das Hemd der Königin, auf Wunsch gekürzt"

Linke schlafen tief und fest

Ein Jahr nach seinem Tod sind drei nachgelassene Dramolette von Peter Hacks erschienen.

Kurz vor seinem Tod im August letzten Jahres hat der Dramatiker Peter Hacks noch drei Dramolette fertigstellen können. Sie sind jetzt unter dem Titel »Das Hemd der Königin, auf Wunsch gekürzt« außerhalb der fünfzehnbändigen Werkausgabe erschienen.

»Der Parteitag« behandelt eine Versammlung der »Partei der Sozialvisionären Wiedergeburt«. In den handelnden Figuren lassen sich unschwer Linksabweichler, Reformisten, Opportunisten und Bürokraten erkennen, die sich, wenn man denn möchte, auch bekannten Köpfen der SED-PDS leicht zuordnen lassen. Unerwartet tritt dort die Genossin Thekla aus Costa Rica auf, die Tochter des Genossen Erich Ostertag (alias Erich Honecker). In einer Botenrede verkündigt sie unter Applaus dessen Wahrheiten: »Tod oder Revisionismus sind für die Arbeiterklasse ein und dasselbe Unglück.« Der Parteitag bleibt jedoch als Folge der gegenwärtigen, trostlosen Lage ohne Ergebnis und verläuft sich. Nichts geht mehr.

Ähnlich verloren ist die Lage für den parthischen König Phraates, nach dem das zweite Dramolett betitelt ist. Die Armee des Rivalen Rom, unter Führung des Crassus, belagert das Reich der Parther und sucht durch offenen Kampf und niederträchtige Verschwörung die Monarchie zu zerstören und zu unterwerfen. Dargestellt wird dieser Kampf von der Königsfamilie selbst. Gründe aber, warum die Verteidigung Parthiens überhaupt erstrebenswert sein sollte, außer dem einen, die lokalen Eliten zu behalten, weil es eben die lokalen Eliten sind, werden jedoch ausgespart. Gezeigt werden eben nicht konkurrierende Systeme, sondern lediglich zwei Tyranneien. Jemand, der den Kampf für die Emanzipation oder sonst ein sinnvolles gesellschaftliches Ziel aufnehmen könnte, fehlt. Zugegen allenfalls noch als unbesetzte Leerstelle. »Nie war eine Lage klarer verloren und Änderung schwerer denkbar.« In der Geschichte übrigens wurden Crassus’ Legionen 53 v. u. Z. in der Schlacht von Carrhae vernichtet.

Das dritte Dramolett, »Berliner Novelle«, spielt im gegenwärtigen Ost-Berlin. Dr. Schiller, ein in der Nachwendezeit degradierter Wissenschaftler der Humboldt-Universität, hat die Aufgabe, amerikanische Professoren zu betreuen, die sich als bessere Reiseleiter für ihre unmotivierten Studenten begreifen. Schiller leidet zudem unter seiner zweimeterzehn großen Pflegetochter Herta, die ihn regelmäßig vergewaltigt, und die wirkt wie eine fleischgewordene Arno-Schmidt-Altersphantasie. Hier kann nicht die Arbeit Erfüllung bieten, und in der Sexualität werden auch nur die Machtverhältnisse dupliziert.

Hacks gelingt es in diesen Dramoletten mit wenigen Worten, den jeweiligen historischen Konflikt in nuce und die paar um Handlungsspielraum sich bemühenden Charaktere zu skizzieren. Das gemeinsame dieser Stücke, die mehr Sketche und Kabarett denn Dramen sind, ist die Ausweglosigkeit der Handelnden und ihr zunehmender Frust in der Stagnation. Auch wenn der Leser sich an Hacks’ vorzüglichem Witz delektieren kann, gelingt weder ihm noch dem Autor der Sprung aus einer Gegenwart, die keine Zukunft kennt.

 

Peter Hacks: Das Hemd der Königin, auf Wunsch gekürzt. Drei Dramoletts. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2004, 64. S., 12,90 Euro