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Die Zusammenarbeit der NPD mit den »freien Kameradschaften« wird wieder enger. Drei bekannte Kameradschaftler traten vor kurzem der Partei bei. von jan langehein

Erst gab es Bratwurst und Bier, dann flogen Eier und Flaschen. Rund 200 Rechtsextreme versammelten sich am 25. September vor dem Neonaziladen »Backstreetnoise« und dem ihm angegliederten Plattenlabel »PC-Records« in Chemnitz, um ihn gegen etwa 400 demonstrierende Antifas zu verteidigen. Von verurteilten Schlägern der Skinheads Sächsische Schweiz über Kameradschaftler der Freien Kräfte Dresden bis zum Chemnitzer Stadtrat der Republikaner, Martin Kohlmann, reichte das Spektrum der Rechtsextremen. Sie traten ungewohnt offensiv auf. Nach Berichten von Augenzeugen nutzten sie die Tatsache, dass die Polizei zunächst völlig unterbesetzt war, um die Antifa-Demonstration immer wieder anzugreifen. Sie warfen Eier und Flaschen und wurden auch handgreiflich. Die Antifas wehrten sich, denn die Polizei war nicht in der Lage, die Angriffe der Rechtsextremen zu unterbinden. Mit der Zusammenarbeit von Rechtsextremen verschiedener Strömungen in Chemnitz setzt sich eine Entwicklung fort, die bereits seit längerer Zeit zu beobachten ist. Waren die Gruppen der so genannten freien Nationalisten auf der einen und der in Parteien, meist der NPD, organisierten Neonazis auf der anderen Seite lange strikt getrennt und teilweise heftig zerstritten, so lässt sich seit längerem eine gegenseitige Annäherung feststellen. Die Kameradschaftler scheinen ihre Vorbehalte gegen den »Legalismus« der NPD langsam aufzugeben, und die NPD selbst scheint sich, nachdem das Verbotsverfahren gegen sie endgültig gescheitert ist, zur Einbindung von Kameradschaftlern entschlossen zu haben. Deutliche Zeichen für diese Entwicklung sind die Parteieintritte der überregional bekannten Kameradschaftsfunktionäre Thomas Wulff aus Hamburg, Thorsten Heise, ehemals Niedersachsen, jetzt Thüringen, und Ralph Tegethoff aus Nordrhein-Westfalen. Sie hätten sich im Laufe des Jahres mehrmals mit der Parteiführung der NPD zu »klärenden und vertrauensbildenden Maßnahmen« getroffen, schreiben sie in ihrer »Erklärung zum Beitritt in die NPD«. In diesen Gesprächen hätten ihnen Parteifunktionäre wie der Vorsitzende der NPD, Udo Voigt, oder der sächsische Spitzenkandidat der Partei, Holger Apfel, überzeugend und »in der gewünschten Deutlichkeit« darlegen können, dass die »NPD zum nationalen Widerstand zu zählen ist«. Man sei jetzt an einer »zukunftsorientierten Zusammenarbeit in einer zu schaffenden Bewegung der nationalen Opposition« interessiert. Offensichtlich habe sich die Partei nach dem gescheiterten Verbotsverfahren im Sinne der »freien Nationalisten« verändert. Die drei Neonazis kamen zu dem Schluss, dass der Kampf um die Parlamente als »zurzeit eben so wichtig anzusehen« sei wie der »parallel dazu verlaufende Kampf auf der Straße«. Ihren Eintritt in die Partei stellten sie unter das Motto: »Eine Bewegung werden«. Zumindest Heise hat seinen Entschluss früh gefasst. Bereits bei den Landtagswahlen in Thüringen im Juni kandidierte er für die NPD. Als Anführer der Kameradschaft Northeim Ende der neunziger Jahre hatte der ehemalige niedersächsische Landesvorsitzende der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) mit dem Göttinger NPD-Kreisverband zusammengearbeitet. Dieser soll nach Erkenntnissen des niedersächsischen Verfassungsschutzes mittlerweile nahezu identisch sein mit der Kameradschaft Göttingen und stellt somit geradezu ein Modellprojekt für die neue Zusammenarbeit der Kameradschaften mit der NPD dar, wenn auch ein bisher recht erfolgloses. In den Medien wurde der Beitritt von Heise, Wulff und Tegethoff zur NPD vor allem als Reaktion auf den Wahlerfolg in Sachsen dargestellt. Aber die Bemühungen um eine Zusammenarbeit sind durchaus inhaltlich begründet und dauern, wie Heise zeigt, schon länger an. Trotzdem dürfte die Aussicht auf einen Einzug der NPD ins sächsische Landesparlament, die bereits spätestens seit den guten Ergebnissen der Partei bei der Kommunalwahl im Juni dieses Jahres bestand, die Bemühungen der Kameradschaften um eine Verständigung beflügelt haben. Der formelle Eintritt wurde schon vor der Wahl vollzogen. Als Datum ihres Eintritts in die NPD nennen die drei neuen Parteimitglieder den 11. September; an diesem Tag habe die entscheidende Unterredung mit den Funktionären der NPD stattgefunden. Der Führung der Partei scheinen die neuen Kameraden willkommen zu sein. Die Beitrittserklärung von Wulff, Heise und Tegethoff stellte sie in voller Länger auf ihre Homepage, und im rechtsextremen Wochenblatt Junge Freiheit bekennt sich Udo Voigt dazu, die »nationalsozialistische Strömung« in seine Partei integrieren zu wollen. Auf das demokratische Mäntelchen im Parteinamen scheint ohnehin nicht mehr viel Rücksicht genommen zu werden. Voigt erklärt, dass die Bundesrepublik ein »illegitimes System« sei, Hitler hingegen »zweifellos ein großer deutscher Staatsmann« gewesen sei. Diese Äußerungen brachten Voigt Ärger mit der Berliner Staatsanwaltschaft ein. Sie ermittelt inzwischen gegen ihn wegen des Verdachts auf Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und der Verunglimpfung des Staates. Offensichtlich sind nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens die Bedenken der NPD verschwunden, mit den freien Kameradschaften zusammenzuarbeiten. Und das Gros der »freien Nationalisten« seinerseits sieht seine Zukunftschancen am aussichtsreichsten an der Seite der NPD, nicht mehr in der Konkurrenz zu ihr. Das habe sich durch den Wahlsieg in Sachsen noch einmal verstärkt, meinen Verfassungsschützer, die NPD sei derzeit im Aufwind. Mehr Neonazis gibt es aufgrund der jüngsten Erfolge der NPD zwar nicht. Es ist aber zu befürchten, dass die rechtsextreme Szene durch die mögliche Beilegung interner Streitigkeiten zu einer effektiveren Zusammenarbeit auch auf der Straße findet. Denn trotz einer 13köpfigen NPD-Fraktion im sächsischen Landtag: Auf der Straße geht noch immer die größere Gefahr von den Neonazis aus.