Der Prozess gegen Geert Wilders in Amsterdam

Wilders’ Wahrheiten

Geert Wilders ist derzeit einer der umstrittensten Politiker Europas. Für einige ist er ein Freiheitskämpfer, für die andere schlicht ein Rassist. Derzeit steht er wegen Volksverhetzung vor Gericht.

»Abgewiesen« war das Wort der Stunde, als der Amsterdamer Gerichtshof vergangene Woche die Zwischenaussprache im Verfahren gegen Geert Wilders verkündete, der wegen Diskriminierung und Beleidigung von Muslimen angeklagt ist. Abgewiesen wurde Wilders Antrag, die ihm zur Last gelegten Äußerungen fielen unter seine Immunität als Abgeordneter, weshalb er nicht strafrechtlich verfolgt werden könne. Abgewiesen wurden 15 der 18 Zeugen, die Wilders zur Befragung vorladen wollte. Darunter waren Wissenschaftler, Publizisten, aber auch zwei Mitglieder des Wächterrats der Islamischen Republik Iran sowie ein als Hassprediger bekannter Imam aus Den Haag. Und abgewiesen wurde schließlich auch der Antrag, Mohammed Bouyeri, den Mörder des Regisseurs Theo van Gogh, als »Erfahrungszeugen« zur Vernehmung vorzuladen.Dem Gericht sei bekannt, dass Menschen im Namen des Islam zur Gewalt griffen, um dies zu belegen, seien keine weiteren Zeugen nötig, lautete die Begründung.

Der Angeklagte sprach vor der Presse von einem »politischen Prozess«. Offensichtlich sei das Gericht nicht an der Wahrheitsfindung interessiert, sagte er.
»Wahrheitsfindung« nennt Wilders seinen Versuch zu beweisen, dass dem »Islam« ein Dominanzanspruch eingeschrieben und dessen gewaltsame Umsetzung durch den Koran gerechtfertigt sei. Die Existenz eines reformorientierten Islam negiert er und misstraut daher entschieden selbsterklärten Vertretern des so genannten Euro-Islam wie Tariq Ramadan und dessen Behauptungen, ihre Religion bedeute nichts anderes als Frieden. Ein großer Teil der niederländischen Gesellschaft stimmt Wilders in diesem Misstrauen zu. Auch international gilt Wilders, der wegen Morddrohungen von Islamisten seit 2004 unter ständigem Personenschutz lebt, als Ikone der Meinungsfreiheit. Unter deren Schutz sieht er seine Äußerungen, der Koran sei ein »faschistisches Buch«, ein »islamisches ›Mein Kampf‹«, das verbieten werden solle. Der Prozess ist aus dieser Perspektive ein politisch motivierter Versuch, den Angeklagten zum Schweigen zu bringen. ­Seine Selbststilisierung als Verteidiger der Meinungsfreiheit betreibt Wilders jedoch durch eine populistische und identitäre Rhetorik, die durchaus im Widerspruch mit dem Antidiskriminierungsparagrafen der niederländischen Verfassung steht. Er spricht von einer »uns wesensfremden Kultur« und sorgt sich darüber, »was in die Niederlande kommt und sich hier fortpflanzt«. »Millionen Muslime« will er aus Europa abschieben und »die Grenzen für nicht-westliche Ausländer« schließen.

Anderen Niederländern gilt Wilders daher schlicht als Rassist. Mehr als 40 Klagen von Privatpersonen und linken Gruppierungen führten zu dem Verfahren wegen Anstiftung zum Hass auf Muslime.
Wilders selbst betont, er habe nichts gegen Muslime, sondern nur etwas gegen den Islam. Probleme mit dieser Trennung haben jedoch auch seine Kritiker, deren antirassistischer Reflex den politischen Islam und seine Ambitionen oft genug negiert oder verharmlost. Der Prozess, der erst im Juli fortgesetzt wird, entscheidet sich indes in noch wesentlich schwammigeren Grauzonen. Im Mittelpunkt steht nämlich die Frage, wie die subjektive Empfindung der Beleidigung objektiv zu beweisen sein wird.