Eine Begegnung mit schwulen Aktivisten in Uganda

Schwulenhatz und Staatsräson

In Uganda ist Homosexualität eine Straftat. Mit der Anti-Homosexuality Bill will ein Abgeordneter die Gesetzeslage noch verschärfen und »schwere Fälle« von Homosexualität mit dem Tode bestrafen. Ein Großteil der politischen Klasse und der Bevölkerung unterstützt das Vorhaben. Kritik kam bisher nur aus westlichen Ländern, doch auch in Uganda versucht die LGBT-Community, Protest zu organisieren.

»Polygamie!« Der Mann mit dem grünen Jackett und der roten Fliege freut sich über seinen, wie er meint, gelungenen Vergleich. »Die ist bei Ihnen in Deutschland doch verboten, oder?« Der Abteilungsleiter der ugandischen Menschenrechtskommission, die unter anderem für die Prüfung von Gesetzentwürfen zuständig ist, rückt auf seinem Stuhl ganz weit vor und reckt den Zeigefinger. Er kennt die Antwort natürlich. »Bei uns ist das aber völlig normal.« Nun möge man sich doch einmal vorstellen, »wir, also Uganda, seien mächtig, und Sie, also Deutschland, seien arm«. Wie würde man es da wohl finden, wenn Uganda versuchen würde, die Deutschen zur Legalisierung von Polygamie zu zwingen, mit der Drohung, die Entwicklungshilfe einzustellen?

»Sehen Sie!« Die Stimmung ist leicht gereizt. Der Vizechef und fünf Abteilungsleiter haben sich in einem Konferenzraum des Flachbaus in der ugandischen Hauptstadt Kampala versammelt, in dem die Kommission ihren Sitz hat. Auf dem Hof sind weiße UN-Jeeps geparkt, in der Eingangshalle klären Plakate über häusliche Gewalt und die Rechte von Verhafteten auf. Darüber möchte man mit dem ausländischen Reporter gern sprechen. Über die Bahati-Bill lieber nicht.

Am 13. Oktober brachte der Abgeordnete David Bahati von der ugandischen Regierungspartei die Anti-Homosexuality Bill im Parlament ein. Seit der Unabhängigkeit des Landes ist gleichgeschlechtlicher Sex als »Unzucht gegen die Ordnung der Natur« mit lebenslanger Haft bedroht. Um die »traditionelle Familie« zu schützen, regt Bahati nun an, »schwere Fälle« von Homosexualität – etwa mit HIV-Positiven, Behinderten, Minderjährigen oder »Wiederholungstätern« – mit der Todesstrafe zu ahnden. Das »Werben« für Homosexualität soll künftig mit mehrjähriger Haft bestraft werden, zudem will er eine Anzeigepflicht einführen.

Bahati erntete breite Zustimmung, in der Bevölkerung wie im Parlament. Seit sieben Monaten läuft das Gesetzgebungsverfahren, doch die Menschenrechtskommission schwieg bisher zu dem Vorstoß. Sie hat eine erste Stellungnahme verfasst, doch was darin steht, wollen die Commissioner nicht sagen. Sie deuten aber an, dass es »schwierig« sei, das Gesetz mit »bestimmten Menschenrechtsstandards« in Einklang zu bringen. Mehr Kritik ist von ihnen nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Man beklagt sich über die »arrogante ausländische Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes«. Als sich abzeichnete, dass Bahatis Initiative womöglich durchkommt, machten viele westliche Geberländer Präsident Yoweri Museveni klar, dass dies als Verstoß gegen die Regeln der good governance betrachtet werden und eine Streichung von Zuwendungen zur Folge haben könnte. Rund ein Drittel des ugandischen Staatshaushalts von 1,4 Milliarden Dollar besteht aus nicht-zweckgebundener ausländischer Budgethilfe.

»Das Ausland hat so getan, als wäre die Toleranz gegenüber Schwulen ein stärkerer Gradmesser für Demokratie als freie Wahlen«, beklagt sich der Mann mit der Fliege. Das habe die schwulenfeindliche Stimmung nur verstärkt. »Diese Geschichte vereint Uganda mehr als Fußball. Jeder Priester betet jetzt für Bahati.« Die Zustimmung für das Gesetz sei »ein Synonym für Patriotismus« geworden.

Dass Mitte April ein schwuler Ugander in Deutschland politisches Asyl bekommen hat, irritiert die Versammlung. »Ist es wahr, dass Ihr Außenminister schwul ist?« – »Ja.« – »Aha. Kann es vielleicht daran gelegen haben?«

Kann es nicht eher daran gelegen haben, dass Schwule hier nicht sicher sind? Das glauben die Damen und Herren nicht: »Es gab praktisch keine Verurteilungen nach dem alten Gesetz.« Hier werde niemand verfolgt, denn hier habe niemand Sex in der Öffentlichkeit, daher könne schließlich niemandem etwas nachgewiesen werden. Ansonsten gebe es höchstens kulturelle Verfolgung: »Die Leute reden halt über einen.«

»Hat der Mann eigentlich praktisch bewiesen, dass er schwul ist?« will der Commissioner Agaba Maguru wissen. Das finden die Damen und Herren sehr lustig und lachen. Die ugandische Gesellschaft sei eben sehr konservativ, »die meisten Menschen sehen das so, dass Homosexualität böse ist«.

Einen großen Anteil daran tragen religiöse Organisationen, wie das evangelikale Netzwerk The Family aus den USA. Ihre fundamentalistischen Lehren und zweifelhaften religiösen Dienstleistungen erfreuen sich seit Jahren starken Zulaufs in Uganda. Sie eröffnen Bibelschulen, beten gegen saftige Gebühren für Kranke, ihre Wanderprediger ziehen durch das Land und füllen Fußballstadien. Bahati gilt als Mitglied von The Family, Präsident Museveni selbst ist regelmäßiger Gast beim Prayer Breakfast, dem religiös-politischen Event der Evangelikalen. An wechselnden Orten treffen sich dabei auf Einladung von The Family politische Führer aus aller Welt. 2007 kam Museveni dafür nach Spandau. Katholische Sender wie Radio Maria verbreiten die Botschaft, »Sodomie« schwappe aus »dem Westen« über das Land, zerstöre »afrikanische Werte« und »afrikanische Familien«, obwohl Schätzungen zufolge bis zu einer halben Million Ugander schwul oder lesbisch sind. Oft ist die Rede von Vergewaltigungen kleiner Jungen durch homosexuelle Männer.

Einer der einflussreichsten Unterstützer der Bahati-Bill ist der fundamentalistische Prediger Martin Ssempa. Er kündigte an, am 24. Februar eine Million Ugander auf die Straße zu bringen, um für das Gesetz zu demonstrieren. Zur Mobilisierung zeigte er eine Woche zuvor in seiner Kirche hunderten Gläubigen schwule Pornovideos. »Seht Ihr? Der hier leckt dem anderen den Anus. Ist es das, was Obama nach Afrika bringen will?« rief er der Gemeinde in Anspielung auf Barack Obamas Kritik an dem Gesetzentwurf zu. Der Million-Man-March wurde allerdings aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Kaum eine Zeitung wagte es, Bahatis Vorstoß zu kritisieren. Einer der wenigen Journalisten, die es dennoch taten, war Andrew Mwenda, der Herausgeber der Wochenzeitschrift Independent. Als er im November in einem Leitartikel die Schwulenhatz mit den Rassegesetzen der amerikanischen Südstaaten verglich, gingen Morddrohungen bei ihm ein.

Von einigen Rechtsanwälten abgesehen sind auch die 342 Parlamentsabgeordneten fast alle für den Gesetzentwurf. Eine Woche nach Ssempas Porno-Messe gab es in Kampala ein Hearing unter dem Titel »Menschenrechte und sexuelle Orientierung«, dabei sollte die Bahati-Bill diskutiert werden. Sprecher von Schwulenverbänden zogen es jedoch aus Angst vor Übergriffen vor, sich dort nicht zu äußern. Dafür sprach der oppositionelle Abgeordnete Otto Odongo: »Ich würde sogar meinen eigenen Sohn töten, wenn der schwul wäre.« Dass ihm der Vorsitzende der kenianischen Menschenrechtskommission Makau Mutua daraufhin attestierte, Odongo sei »gestört«, spornte ihn nur an: »Menschenrechte sind nicht unantastbar. Geschlechtsteile gehören nicht in den Anus. Wir werden so ein Verhalten in unserer Gesellschaft nicht akzeptieren.«

Was letztlich aus der Bahati-Bill wird, ist fraglich. Am 12. Februar 2011 wird gewählt, und der seit 1986 ununterbrochen regierende Präsident Museveni hat seine besten Zeiten hinter sich. Von Wahlergebnissen über 90 Prozent wie zu Beginn seiner Amtszeit kann er nur noch träumen. 2001 kam er auf knapp 70, fünf Jahre später nur noch auf 59 Prozent. Hält der Trend an, könnte die Mehrheit nächstes Jahr futsch sein. Viele glauben, dass der zwar sehr religiöse, aber auch pragmatische Präsident Bahati nur unterstützt hat, um die homophobe Stimmung auszunutzen und sich die Unterstützung der Kirchen im Wahlkampf zu sichern. Doch nachdem ausländische Regierungen ihm klar gemacht hatten, dass dem Land wegen der Bahati-Bill die politische Isolation droht, ruderte er zurück. Das Gesetz würde »die außenpolitischen Beziehungen Ugandas zerstören«, erklärte er dem Vorstand seiner Partei, des National Resistance Movement (NRM). Das Kabinett setzte daraufhin eine Kommission ein, die die Bahati-Bill prüfen sollte. Die entschied Anfang Mai, das Gesetz enthalte »formale Fehler«, sei in Teilen überflüssig oder eine Wiederholung bestehender Regelungen. Das Votum könnte das Aus für Bahatis Vorstoß bedeuten, denn gegen den Willen Musevenis werden die Abgeordneten das Gesetz vermutlich nicht durchdrücken.

»Das hätten wir aber auch ohne das Ausland geschafft«, kommentiert man bei der Menschenrechtskommission Musevenis Schwenk. Im Übrigen müsse auch einmal gesagt werden, dass Bahati mit seiner Initiative vor allem den »Schutz von Kindern« im Blick habe. Das »Werbeverbot« ziele nämlich vor allem darauf, künftig zu unterbinden, dass »westliche NGO in Schulen bei Jungs für Schwulsein werben«. Solche Fälle habe es nämlich »tatsächlich gegeben«.

Die Klagen von Schwulenorganisationen, ein Coming Out sei praktisch gleichbedeutend mit sozialem Selbstmord und habe den Rauswurf aus Wohnung, Familie, Job oder Schule zur Folge, spielen die Commissioner herunter. »Man darf sie deswegen ja gar nicht kündigen. Es kann höchstens sein, dass Sie gar nicht erst einen Job kriegen, wenn Sie sich beim Vorstellungsgespräch die Haare hochstecken. Oder Lippenstift tragen. Oder ein Kleid anziehen.« Das finden die Menschenrechtskommissionäre nun wieder sehr komisch und lachen.

Ein Stück weit die Straße hinunter, an der die Kommission ihren Sitz hat, liegt ein nobles Hotel. In dessen dunkler Lobby ist von dem überquellenden, staubigen Chaos auf Kampalas Straßen nichts zu spüren. Dort sitzt Frank Mugisha. Er trägt kein Kleid und auch keinen Lippenstift, nur eine weite Jeans und ein hellblaues Hemd. Dennoch zieht er es vor, sich in dem gutbewachten Hotel zu treffen. Er meidet die Öffentlichkeit, seit die Boulevardzeitung Red Paper ihn und seinen Freund im vergangenen Jahr mit 240 anderen Schwulen namentlich geoutet hat. »Daran ist meine Beziehung fast zerbrochen«, erzählt Mugisha. Sein Freund sei seitdem in der Universität permanenten Anfeindungen ausgesetzt.

Mugisha hat vor einigen Jahren Icebreakers Uganda gegründet, eine Selbsthilfeorganisation, um Schwule bei ihrem Coming Out zu unterstützen. Außerdem ist er Sprecher von Sexual Minorities Uganda (Smug), dem Dachverband der Lesben-, Schwulen und Transsexuellenorganisationen. »Die meisten Ugander verstehen überhaupt nicht, was Schwulsein heißt«, sagt Mugisha. Es sei immer die Rede von Sodomie: »Die glauben, wir machen irgendwas mit Tieren und wären von Weißen dazu überredet worden.« Homo­sexualität sei für alle nicht-schwulen Ugander »etwas, das jenseits von Sex ist, eine totale No-Go-Area, von der sie nichts wissen wollen«. Dies habe bisweilen auch Vorteile: Auf der Website von Icebreakers gebe es eine Kontaktbörse. Dies sei paradoxerweise nur wegen der massiven Ressentiments möglich. »Niemand, der uns feindlich gesinnt ist, würde je diese Seite aufrufen, um Informationen zu sammeln«, sagt Mugisha.

Sicher fühle er sich dennoch nicht. »In meiner Nachbarschaft werde ich beschimpft«, sagt er. Das Büro von Smug, deren Arbeit von einer niederländischen Stiftung finanziert wird, muss alle sechs Monate umziehen. Mugisha glaubt, das neue Gesetz solle vor allem dazu dienen, die Schwulen aus der Öffentlichkeit zu vertreiben: »Wir haben uns auf die Agenda gesetzt, wo sie uns nicht haben wollen.« Schon 2008 sei der Staat mit einem Kriminalisierungsversuch gescheitert. Kurz vor einer Geberkonferenz hatte damals der Direktor der ugandischen Aids-Kommission erklärt, mit den in Aussicht stehenden Mitteln die Versorgung von »Minderheiten« wie Sexarbeitern und den oft HIV-positiven LKW-Fahrern bezahlen zu können – nicht aber die von Schwulen.

Smug demonstrierte vor dem Konferenzgebäude. »Wollt Ihr, dass die Schwulen sterben?« fragten sie die Delegierten. Es gab Verhaftungen, doch auf Druck der US-Botschaft, die die Konferenz organisiert hatte, kamen die Aktivisten wieder frei. »Bisher stand nur schwuler Sex unter Strafe«, sagt Mugisha. »Künftig soll auch das promoting bestraft werden, damit könnte man natürlich auch NGO wie uns verbieten«, befürchtet er. »Es geht mir nicht einmal um Rechte. Sie müssen uns meinetwegen nicht erlauben, zu heiraten oder uns in der Öffentlichkeit zu küssen. Ich wäre schon froh, wenn die Kriminalisierung ein Ende hätte. Das muss aufhören.« Mugisha will im Land bleiben, bis dieses Ziel erreicht ist, selbst wenn die Bahati-Bill Gesetzeskraft erlangt.

Das will auch Peter Yiga. »Auch wenn ich mich hier nicht wohlfühle: Ich will diesen Kampf nicht verlieren«, sagt er. Das Land zu verlassen wäre für den Sprecher der Gay-Lesbian-Transsexual Alliance eine Niederlage. In seinem Verband kümmert er sich vor allem um den Schutz von Transsexuellen. »Es gibt wenige geschützte Räume, in denen Transsexuelle leben und arbeiten können. In den meisten Fällen müssen sie aber das Land verlassen, oft gehen sie in die USA oder nach Kanada.« Ansonsten drohten Übergriffe. Ende 2009 seien zwei Transsexuelle verhaftet worden, einer von ihnen sei im Gefängnis zu Tode geprügelt worden.

Als Yiga 16 war, fand seine Familie heraus, dass er schwul war und sich mit Männern traf. Er lebte auf dem Land bei Masaka, südwestlich von Kampala. Die Eltern und Geschwister verstießen ihn. »Ich ging dann zu einem älteren Mann«, sagt Yiga. Der »ältere Mann« war ein katholischer Priester, der in einem Kloster lebte. Er zahlte Yigas Miete und Schulgeld, die beiden hatten ein Verhältnis. Als Yiga 23 war, starb der Priester. Yiga ging nach Kampala, studierte Informatik, später Japanisch in Nairobi. Er traf Menschen aus der Schwulen- und Lesbenszene, konnte seine Sexualität ausleben, doch der gesellschaftliche Druck blieb. »Egal wo: Wenn die Leute herauskriegen, dass du schwul bist, fliegst du raus«, sagt er. Immer wieder musste er die Wohnung wechseln.

Seine letzte Anstellung als Systemadministrator bei einer Kirche verlor er, weil er mit einem anderen Techniker, der dort arbeitete, zusammen war. Ein Kollege las zufällig eine E-Mail, und die beiden saßen auf der Straße. Im Jahr 2002 tat er sich mit einer lesbischen Frau zusammen, die beiden zeugten ein Kind. »Das war eine pragmatische Lösung für uns«, sagt Yiga. Seine Geschäfte als selbständiger IT-Händler laufen gut, er kann seine Tochter auf eine internationale Schule schicken. »Ich habe die Frau meinen Eltern vorgestellt und sie mich ihren. Für meine Familie war ich dann kein Aussätziger mehr, und sie verlangten von mir, meine jüngeren Geschwister mit Geld zu unterstützen.« Yiga kam dem trotz allem gern nach. Seine Tochter aber wollen er und die Mutter zur Adoption freigeben: »Es ist besser für sie, wenn sie nicht in einem Haushalt aufwächst, in dem sie ihren Vater mit einem Mann und ihre Mutter mit einer Frau sieht. So weit ist die Gesellschaft noch nicht.«

Die Zukunft sieht er nicht nur negativ: »Solche Treffen mit Journalisten hätte ich vor ein paar Jahren nicht gemacht. Damals hatte ich zu viel Angst. Das ist doch ein Fortschritt.«