Das Geschäft mit der Promotion

Mach es nicht selbst!

Ob unter distinktionsbedürfigen Juristen, Diktatorensöhnen oder Bundestagsabgeordneten – Doktortitel sind begehrt. Doch was tun, wenn der Berufsalltag wenig Zeit für die lästige Schreibarbeit lässt, sich kein Doktorvater findet oder die Kompetenz fehlt? Ein kleiner Marktüberblick.

Eine einfache Internetrecherche mit dem Stichwort »Promotionsberatung« ergibt eine schwer überschaubare Trefferliste. Instantdegrees.com wirbt mit Discount-Doktoraten für gerade mal 180 Dollar – selbstverständlich von angesehenen amerikanischen Universitäten. Ein wenig teurer sind die Angebote der Firma GVS Consult. Das »Accelerated Doctoral Program«, bei dem ein Dok­tortitel in drei bis acht Monaten erworben werden kann, kostet dort satte 12 000 Euro. Als Entschädigung für den enormen Preis können die nicht allzu hohen Anforderungen gelten. Für eine erfolgreiche Promotion bedarf es im besten Fall nur »der Ablegung einer Prüfung (meist Multiple Choice online) sowie wenigen Online- oder Fernstudienkursen«. Da für die erfolgreiche Promotion die »Lebenserfahrung« wichtig sei, kann man sich bei GVS Consult »Begegnungen und Gespräche mit Experten«, »Haushaltsführung«, sowie »Freizeitaktivitäten und Hobbys« als Leistung anrechnen lassen. Eine Garantie, dass der so erworbene Titel von den deutschen Behörden anerkannt wird, möchte GVS Consult aber lieber nicht übernehmen.
Neben diesen meist wertlosen Doktortiteln von Scheinuniversitäten finden sich aber auch »seriösere« Angebote: zum Beispiel Titel aus Osteuropa. Äußerst günstig wirkt sich auf dieses Geschäft das europäische Recht aus, wonach im EU-Ausland erworbene Doktortitel in Deutschland anerkannt werden. Die Promotion beschränke sich bei diesen Anbietern auf das System »Bestechung gegen Urkunde«, sagt der Münchner BWL-Professor Manuel Theisen, der seit Jahren gegen diese Art der Titelbeschaffung ankämpft, der Jungle World. Für osteuropäische Universitäten sei das ein »attrak­tiver und spendensicherer Markt«. Er schätzt, dass für einen Doktortitel zwischen 20 000 und 100 000 Euro gezahlt werden. Umgesetzt würden demnach Millionen.
Wer nicht unbedingt mit der osteuropäischen Doktormafia zu tun haben will, dem steht auch der heimische Markt offen. Im Netz finden sich Promotionsberater, die Interessenten auch an Doktorväter an deutschen Universitäten vermitteln – inklusive »Betreuung« der Dissertation. Vor drei Jahren wurde ein Promotionsberater verurteilt, da er über 100 Professoren für die Annahme von Promovenden bestochen haben soll. Der Stern schrieb damals, dass es der Beraterbranche nun an den Kragen gehe. Doch geändert hat sich Theisen zufolge seitdem nichts. »Im Gegenteil«, sagt er. Das Marktvolumen sei dank der medialen Werbung noch größer geworden.

Ein Promotionsberater aus Leipzig, der im Gegensatz zu seinen verschwiegenen, meist nur per Onlineformular erreichbaren Konkurrenten ans Telefon geht, sieht das anders: Die Nachfrage sei konstant geblieben. Mit den Methoden seiner Konkurrenten habe er nichts zu tun. Zu ihm kämen natürlich viele potentielle Doktoranden, die »dünnbrettbohren« wollten. Doch bei ihm gebe es das nicht, »schreiben muss bei mir jeder selber«. Mit der Vermittlung an Doktorväter habe er auch nichts zu tun – was seine Website allerdings ein wenig anders darstellt. Dort wirbt er mit »Ghostwriting« und »Kontaktvermittlung«. Das sei aber nur zu Werbezwecken der Fall. Wie viel eine »gecoachte« Doktorarbeit bei ihm kostet, will der Berater nicht sagen. Das komme auf die Umstände an. Welche Kunden er hat? »Vom Hauptabteilungsleiter mit Karriereabsichten bis zu stellvertretenden Ministern auf Bundesebene und dem deutschen Hochadel so ziemlich alles.« Aber Guttenberg sei nicht dabei gewesen.
Titelbedürftige Karrieristen können obskure Promotionsberatungen jedoch auch ganz meiden, indem sie sich eigenständig einen Doktorvater suchen – und sich dann an einen Ghostwriter wenden. »Leute, die es nicht einmal schaffen, sich selbst einen Doktorvater zu suchen, haben es auch wirklich nicht verdient zu promovieren!«, sagt Dr. Johannes C. Kerner, Leiter einer Ghostwriting-Agentur, der Jungle World. Agenturen, die Titel regelrecht verkaufen, seien das »Allerletzte«. Sein Job bestehe meist darin, zu erklären, wie man wissenschaftlich arbeite, denn das komme an den Unis zu kurz. Dass jemand umfassendere Hilfe suche, komme auch vor. Eine ausformulierte Seite koste bei ihm 80 Euro. Allerdings müsse der Kunde versichern, seine Arbeit nicht als eigene Prüfungsleistung einzureichen, was vertraglich geregelt sei. Ein Desaster wie bei Guttenbergs Dissertation scheint bei Kerner nicht zu befürchten. Kein »ordentlicher Ghostwriter« hätte ihm zufolge so etwas abgeliefert. Auf seiner Webseite wirbt er damit, alle Texte seiner Agentur mit Plagiatssoftware zu überprüfen.
Wem diese unorthodoxen Wege zum Titel teuer erscheinen, für den hat Dr. med. Tanja Kottmann von der »Medizinischen Wissenschaftsberatung« übrigens einen lukrativen Tipp: »Laut Urteil des Bundesfinanzhofes sind Promotionskosten steuerlich absetzbar.«