Proteste gegen den Burschentag in Eisenach

Burschen, Bier und Traditionen

Jedes Jahr trifft sich in Eisenach die Deutsche Burschenschaft zum Burschentag. Erstmals seit zehn Jahren regt sich wieder ein größerer Protest dagegen.

Hans Merkel ließ keine Zweifel, wem die burschenschaftliche Ehre gebührt: »Der deutsche Soldat war und blieb ein tapferer und zäher Kämpfer für sein Vaterland.« Die Festrede, die der CSU-Politiker hielt, als Mitte April bei Eisenach die Langemarck-Gedenkstätte für im Krieg gestorbene Burschenschaftler neu eingeweiht wurde, bietet einen Vorgeschmack auf den Burschentag, der kommende Woche in Eisenach und auf der nahegelegenen Wartburg stattfinden wird. In einer Tourismusbroschüre wird die Festung als »Kronzeugin deutscher Geschichte« bezeichnet. Die Wartburg hat eine symbolische Bedeutung für die nationale Geschichtsschreibung. Ganz besonders für Burschenschafter.
Zwei Jahre nachdem sich in Jena die »Urburschenschaft« formiert hatte, fand 1817 das erste Wartburgfest statt, auf dem unter dem Motto »Ehre, Freiheit, Vaterland« die nationale Einheit der Deutschen gefordert wurde. Im Anschluss an einen Fackelzug fand eine Bücherverbrennung statt, bei der die »Germanomanie« des jüdischen Schriftstellers Saul Ascher ebenso im Feuer landete wie der Code Civil aus Frankreich, der Vorläufer der bürgerlichen Gesetzbücher. »Wehe über die Juden, so da festhalten an ihrem Judentum und wollen über unser Volkstum und Deutschtum spotten«, sollen die versammelten Burschenschafter und Vertreter der Turnbewegung gerufen haben. »Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Hass des Fremden«, kritisierte Heinrich Heine die Feier.

An jene Tradition anknüpfend trifft sich jedes Jahr am Wochenende nach Pfingsten die Deutsche Burschenschaft (DB) auf der Wartburg zu ihrem Burschentag, inklusive Fackelmarsch und Totengedenken. Hunderte Burschenschafter kommen dann in die Stadt und füllen vier Tage lang die Kneipen und Gasthäuser und damit auch die marode Stadtkasse. 2010 belief sich das Haushaltsdefizit der 40 000 Einwohner zählenden Stadt auf zehn Millionen Euro. Daher sind die rechten Verbandsbrüder gerngesehene Gäste in der Stadt. Die auf ihren Treffen verfochtenen Positionen blendet man lieber aus.

Mit über 10 000 studentischen Mitgliedern und Alten Herren ist die DB einer der größten kooperierten Dachverbände in Deutschland. Aufgrund vielfältiger Kontakte zur extremen Rechten und regelmäßiger Veranstaltungen mit bekannten Neofaschisten, Geschichtsrevisionisten und Holocaustleugnern steht sie immer wieder in der Kritik. Die Fälle, in denen die Burschenschaften der DB deswegen öffentlich unter Druck geraten, sind jedoch selten. Ein Beispiel datiert vom Januar 2001, als nach einem Mordversuch an einem griechischen Migranten der Neonazi Christoph Schulte im Verbindungshaus der Danubia München versteckt wurde. Jürgen Gansel, Landtagsabgeordneter und Mitglied im Bundesvorstand der NPD verkündete nach dem Wiedereinzug seiner Partei in das sächsische Landesparlament 2009, die NPD hoffe nun »weit über Sachsen hinaus auf eine Sogwirkung im rechtsgerichteten Studenten- und Verbindungsmilieu«. Er und sein Fraktionskamerad Arne Schimmer sind bei der Gießener Burschenschaft Dresdensia-Rugia politisch initiiert worden und weiterhin als Alte Herren aktiv. Vor dem Burschentag 2010 wurde ein Brief bekannt, in dem drei Verbände die »indirekt ausgedrückte Verehrung von Personen und Gedanken der na­tionalsozialistischen Zeit« mancher Burschen beklagten, die »sich in Sprache und Auftreten geschickt entlang gerade noch nicht verbotener Grenzen« bewegten. Ungeachtet dessen wurde beim Totengedenken im vorigen Jahr am Burschenschaftsdenkmal der Zweite Weltkrieg als »verlorener Krieg« bezeichnet.
»Aus Auftritten rechtsextremistischer Referenten auf einzelnen Häusern von Burschenschaften des Dachverbandes ›Deutsche Burschenschaft‹ kann nicht auf eine inhaltliche Nähe des Dachverbandes zum Rechtsextremismus geschlossen werden«, antwortete hingegen die Bundesregierung 2007 auf eine kleine Anfrage der Linkspartei. Dabei würde ein Blick in die Grundsätze der DB reichen, um zu sehen, wo sie politisch zu verorten ist: »Die Deutsche Burschenschaft sieht das deutsche Vaterland unabhängig von staatlichen Grenzen.« Dementsprechend fordert sie bis heute die »Rückgabe der deutschen Ostgebiete« und versammelt auch 21 »deutsche« Burschenschaften aus Österreich unter ihrem Dach. In den erlesenen Kreis kann ohnehin nur aufgenommen werden, »wer aufgrund seiner Abstammung, Sprache und Kultur zum deutschen Volk gehört«, ist im Handbuch der DB zu lesen. Die Staatsbürgerschaft spielt dabei keine Rolle, Frauen sind qua Geschlecht ausgeschlossen. Bezeichnenderweise ist der derzeitige Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter, des Verbandsorgans der DB, Norbert Weidner, ein ehemaliger Funktionär der verbotenen neonazistischen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP).

Berührungsängste mit der weiterhin als konservativ geltenden DB gibt es jedoch kaum. Letztes Jahr hielt der ehemalige thüringische Innenminister Christian Köckert (CDU) die Festrede auf dem Burschentag. Möglicherweise wird in diesem Jahr Hans-Peter Uhl diese Ehre zuteil werden. Der ist nicht nur der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, sondern zugleich Alter Herr der Arminia-Rhenania München, die den diesjährigen Vorsitz der DB innehat und für die Organisation der Versammlung zuständig ist. Mindestens sechs weitere Verbandsbrüder der DB sitzen im Bundestag, auch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gehört dazu. Ob Uhl und Ramsauer ebenfalls, wie es Tradition ist, auf der Wartburg alle drei Strophen des Deutschlandlieds singen, ist nicht bekannt. Die Treffen des völkischen Dachverbandes stoßen in Eisenach nur auf wenig Kritik. Ein Bündnis auswärtiger antifaschistischer und linker Gruppen möchte dies nun ändern und ruft dazu auf, den Burschentag »zum Desaster zu machen«. Mit einer Demonstration am 18. Juni soll an vergangene Proteste angeknüpft und sollen diese zugleich neu belebt werden. Die letzte große Demonstration gegen den Burschentag fand 2001 statt. Seitdem gab es nur kleinere Protestkundgebungen in der Innenstadt von Mitgliedern von Gewerkschaften, Jusos und Linkspartei organisiert. Der Bürgermeister Matthias Doht (SPD) hingegen spricht jedes Jahr ein Grußwort vor den Burschen und dankt ihnen für den Besuch der Stadt.
»Der Burschentag in Eisenach steht exemplarisch für deutsche Zustände und den rechten Konsens in der Gesellschaft«, sagt Mareike vom »Bündnis gegen den Burschentag in Eisenach«. Die Demonstration soll nicht nur ein Zeichen setzen »gegen die Burschenschaften als Teil des rechten Spektrums«, sondern diese verstärkt in den Fokus antifaschistischer Kritik rücken. »Viele sehen im Burschentag nur einen wirtschaftlichen Faktor, alles ist ausgebucht und alle finden es toll.« Ziel der Mobilisierung sei auch, »kritische Leute vor Ort zu aktivieren und den Protesten im besten Fall wieder eine Kontinuität zu geben«. Mareike berichtet, dass es bereits Kontakt zu engagierten Menschen aus Eisenach gebe.
Die Mobilisierung scheint bereits für Unruhe zu sorgen. Im April musste eine Informationsveranstaltung des Bündnisses in Eisenach kurzfristig verlegt werden. Die Polizei war bei den Betreibern des ursprünglichen Veranstaltungsortes vorstellig geworden, woraufhin diese ihre Zusage zurückzogen machten. Die örtliche NPD, die mit zwei Sitzen im Stadtrat vertreten ist, stellte sich im Mai mit einem Antrag hinter die Burschenschaften und verurteilte »die Bestrebungen, die Tradition des Deutschen Burschentages in Eisenach verächtlich zu machen« und damit »dem Tourismus und der heimischen Wirtschaft Schaden zuzufügen«.