Über die Sexorgien deutscher Manager

Keine Lust im Spaßbad

Was deutsche Manager sich unter sexueller Ausschweifung vorstellen, ist so deprimierend, dass keine Strafe dafür zu hart wäre.

Seit die Welt am Sonntag im Mai enthüllt hat, dass Manager der Versicherung Hamburg-Mannheimer sich 2007 während einer Dienstreise in Budapest mit Prostituierten vergnügt und die dafür angefallenen Kosten in Höhe von 83 000 Euro als Betriebsausgaben von der Steuer abgesetzt haben, scheint der endgültige Beweis für die Allianz von ökonomischer Verantwortungslosigkeit und sexueller Unmoral erbracht zu sein. Schon 2005 war bekannt geworden, dass der Vorstand von Volkswagen seine Betriebsratsmitglieder mittels sexueller Dienstleistungen zu gewerkschaftlicher Milde hatte überreden wollen. Der Skandal bei Hamburg-Mannheimer hat das Maß nun offenbar voll gemacht.
»Manager und andere Geschäftsleute leisten sich regelmäßig erotische Eskapaden zu Lasten der Steuerzahler«, empörte sich die Welt, und auch der Spiegel rügte, die Versicherungsmitarbeiter hätten sich »auf Kosten des Steuerzahlers mit Prostituierten vergnügt«. Zumindest das Handelsblatt begründete seine Kritik an der »Sexparty« in einem »Spaßbad« der ungarischen Hauptstadt strikt betriebswirtschaftlich und monierte lediglich, dass die »steuerliche Behandlung von Prostitution« in Deutschland »nicht klar geregelt« sei. Solch nüchternes Kalkül ist aber nicht nach dem Geschmack der Volksseele, der schon allein die Vorstellung, dass die Inanspruchnahme von Prostitution für Manager zum Alltag gehören könnte, unerträglich ist. So unerträglich, dass man genau wissen möchte, was an Ort und Stelle geschah und wer alles dabei gewesen ist. Der Stern, der unter der Überschrift »Live-Porno für Herrn Kaiser« besonders detailreich über die »Sexorgie« berichtete, wusste von »roten und gelben Bändchen« an den Handgelenken der Dienstleisterinnen zu erzählen, die »zur Unterscheidung zwischen Hostessen und Prostituierten« gedient hätten. Die »ganze Orgie«, so konstatierte das Magazin neidisch, »schien gut organisiert gewesen zu sein: Alkohol gab es reichlich«. Zudem habe es »mit Tüchern verhängte Himmelbetten« gegeben, auf die sich die Gäste mit den Damen hätten »zurückziehen« können. Durch einen »Stempel auf dem Unterarm« sei festgehalten worden, »welche Dame wie oft frequentiert wurde«.
Ein Thermalbad mit Marmorsäulen, gut organisierte Trinkgelage, osteuropäische Hostessen, Bändchen am Handgelenk und Benutzerstempel auf der Haut – wer für eine so plumpe Softporno-Simulation 83 000 Euro ausgibt, verdient tatsächlich eine harte Strafe. Nicht jedoch wegen unmoralischen Sexualverhaltens oder Verschwendung von Steuergeldern, sondern wegen erotischer Phantasielosigkeit. Insofern bestätigt der »Sex­skandal« nur, was aufmerksame Zeitgenossen immer ahnten: dass die Phantasie jener, die über ausreichend Geld verfügen, um sich buchstäblich ihre Träume kaufen zu können, ebenso verkümmert ist wie die der übrigen Bevölkerung. Sie alle vermögen sich unter sexueller Erfüllung nichts vorzustellen als den Schund, den ihnen die Medien ohnehin täglich ins Haus liefern. Vielleicht sollte der Bund der Steuerzahler anregen, dass Unternehmen künftig nur noch solche sexuellen Dienstleistungen steuerlich absetzen dürfen, die wirklich glücklich machen. Das würde die entsprechenden Ausgaben binnen eines Monats auf Null reduzieren.