Die deutschen Vorschläge zur Sanierung des griechischen Haushaltes

Für die Krise zahlt der Staat

Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, den privaten Sektor an der Abtragung der griechischen Staatsschulden zu beteiligen, scheint wenig Aussicht auf Erfolg zu haben.
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Griechenland ist de facto bankrott. Während Rentner, Beamte und Studenten fast täglich auf den Straßen Athens gegen das Spardiktat der sogenannten Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischer Union (EU) demonstrieren, bemüht sich die sozialistische Regierung unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou, der ökonomischen Misere irgendwie Herr zu werden. In Zusammenarbeit mit IWF, EZB und EU versucht sie nahezu alles, um einen Zahlungsausfall bei den Staatsanleihen zu verhindern oder doch zumindest weiter hinauszuzögern.

In Brüssel und Frankfurt wird indessen darüber verhandelt, wer letztlich für das finanzielle Fiasko aufkommen soll. Bereits 2010 mussten die EU und der IWF Griechenland mit einem 110 Milliarden schweren »Rettungspaket« helfen. Und schon bei den damaligen Verhandlungen kam es immer wieder zu hitzigen Debatten zwischen den Unterhändlern. Anfang Juli dieses Jahres soll nun eine weitere Tranche aus diesem ersten Paket an Griechenland ausgezahlt werden. Derzeit prüft eine Abordnung aus Vertretern der »Troika« die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung. Auch diesmal herrscht zwischen den verschiedenen Verhandlungsparteien kein Einvernehmen. Denn die Interessenlage ist durchaus unterschiedlich.
Insbesondere die Position von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stößt bei IWF, EZB und den meisten anderen EU-Mitgliedern auf vehemente Ablehnung. Zielt sie doch darauf ab, den privaten Sektor an der Abtragung der griechischen Schulden zu beteiligen. Der die deutsche Verhandlungsdelegation anführende Staatssekretär Jörg Asmussen (SPD) lehnte nach Angaben von verschiedenen Verhandlungsteilnehmern ein neues Programm für Griechenland ganz ab. Seine Begründung dafür lautete, dass ein entsprechendes Gesetz, das keine Beteiligung von privaten Geldgebern vorsehe, nicht durch den Bundestag gebracht werden könne. Durch solche Äußerungen drohten die deutschen Unterhändler indirekt mit einem griechischen Staatsbankrott.
Asmussen hatte von Schäuble die strikte Anweisung erhalten, dass bei einer Lösung des Problems der private Sektor nicht darum herum kommen dürfe, seinen Beitrag zur Rettung Griechenlands zu leisten. Derzeit versucht die Bundesregierung, eine Laufzeitverlängerung für die griechischen Staatsanleihen durchzusetzen. Die privaten Gläubiger des griechischen Staats sollen dazu gebracht werden, bald auslaufende Anleihen gegen neue mit einer deutlich längeren Laufzeit auszutauschen und damit dem griechischen Staat mehr Zeit für die Tilgung der Schulden zu geben. Bundesfinanzminister Schäuble wünscht sich eine Laufzeitverlängerung um mindestens sieben Jahre.
Für die privaten Investoren, die über die vergangenen Jahre immense Gewinne mit den Staatsanleihen machen konnten, ist der Vorschlag Schäubles nicht wirklich interessant. Michael Heise, Chefvolkswirt des Versicherungsunternehmens Allianz, sagte kürzlich: »Eine freiwillige Beteiligung privater Investoren halte ich für eine elegante Lösung.« Er plädiert für einen freiwilligen Tausch der Staatsanleihen gegen länger laufende Papiere zu aktuellen Marktpreisen. Eine verpflichtende Beteiligung privater Investoren dagegen berge Gefahren für andere Euroländer wie Portugal und Irland, so Heise.

Zum Glück für die Allianz und die anderen privaten Investoren gibt es die EZB. Sie sieht den Vorschlag Schäubles sehr kritisch. Fürchtet sie doch einen Kollaps privater Finanzinstitute, falls diese auf ihren Anleihen sitzen blieben oder möglicherweise auf einen Teil der Rückzahlungen verzichten müssten. Daher verlangt sie von Griechenland entsprechende Sicherheiten, um damit die neuen Kredite abzusichern und den deutschen Finanzminister beruhigen zu können. Aus Verhandlungskreisen war zu erfahren, dass es zwischen den Beteiligten zwar noch keine Einigkeit gebe, die Differenzen jedoch nicht sehr groß seien. Die EZB rechnet sich gute Chancen aus, ihre Position durchzusetzen.

Auch die französische Regierung unterstützt eine Umschuldung ohne privaten Anteil. So sagte der französische Haushaltsminister François Baroin nach einer Kabinettssitzung: »Die französische Linie war bislang die Ablehnung einer Umschuldung Griechenlands, und wir weichen nicht von dieser Linie ab, egal welche Bedingungen vorgeschlagen werden.« Auch die französische Finanzministerin Christine Lagarde möchte von einer Umschuldung griechischer Staatsanleihen nichts wissen.
Der Vorschlag der EZB und der französischen Regierung wird von privaten Anlegern nicht ohne Grund unterstützt. Birgt er doch die von Heise favorisierte elegante Ausstiegsmöglichkeit. Denn wenn private Investoren, die griechische Staatsanleihen halten, diese Anleihen verkaufen oder einfach auslaufen lassen können, löst sich ihr Problem von 2014 an nahezu von allein. Zu diesem Zeitpunkt läuft ein Großteil der griechischen Staatsanleihen aus. Bis dahin würden diese wie bisher ohne Abschlag durch Gelder der EU, des IWF und der EZB weiter bedient werden. Danach hätte ein Großteil der privaten Anleger ihren Anteil an griechischen Staatsanleihen in die Bilanzen der EZB und der EU verschoben. Schon heute sprechen viele Medienkommentatoren von der EZB als der bad bank Europas.
Bereits seit einiger Zeit trennen sich deutsche Versicherer von ihren griechischen Staatsanleihen. So berichtete die Financial Times Deutschland, dass schon seit längerem ein Großteil der deutschen Versicherungen, entgegen der von ihnen mit Finanzminister Schäuble getroffenen Abmachung, ihre griechischen Staatsanleihen verkaufen würden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) geht davon aus, dass das Engagement der Branche derzeit deutlich unter 0,5 Prozent liegt. Auch immer mehr Banken ziehen ihre Investitionen aus Griechenland ab. Europaweit liegt das Volumen griechischer Staatsanleihen allerdings immer noch bei etwa 170 Milliarden Euro und ist damit deutlich zu hoch, um es einfach abzuschreiben. Einsichtigerweise versucht daher die Mehrheit der privaten Investoren, ihre in der Vergangenheit sehr gute Renditen abwerfenden Staatsanleihen an einen anderen abzuschieben. Ob die EZB letztlich dieser Dumme sein wird, ist bislang allerdings noch nicht ganz klar.
Klar scheint allerdings, dass der deutsche Finanzminister derzeit der einzige ist, der eine Beteiligung privater Investoren bei der Sanierung des griechischen Haushaltes erreichen möchte. Ungewiss bleibt, ob er dieses Ziel auch erreichen kann. Zu wünschen wäre ihm – mag seine Forderung auch vor allem taktischen Charakter haben – ausnahmsweise ein Erfolg. Die Ratingagentur Fitch glaubt, dass bis 2014 weitere 100 Milliarden Euro für Griechenland nötig werden könnten. Es kann davon ausgegangen werden, dass bis dahin keine neuen privaten Anleger in die hochriskanten griechischen Staatsanleihen einsteigen werden. Sollte sich die EZB und die französische Regierung bei den Verhandlungen durchsetzen können, lägen dann etwa vier Fünftel der griechischen Schulden bei den Euroländern und dem IWF. Die Rechnung müsste erneut von den Staaten beglichen werden.