Abenteuer Auto

Über Shema ist eigentlich nicht viel bekannt. Sie ist eine Frau, lebt in Saudi-Arabien, vermutlich in Jeddah, darf in vier Jahren womöglich wählen und kann Autofahren. Im Juli war anscheinend kein männlicher Fahrer erreichbar, und sie setzte sich selbst hinter das Steuer. Das klingt alles unspektakulär, doch für Shema bedeutete es eines der größten Wagnisse. Frauen dürfen in Saudi-Arabien wegen einer reaktionären Interpretation des Islam nicht ohne männlichen »Beschützer« am öffentlichen Leben teilnehmen, Autofahren dürfen sie ebenso wenig. Shema wurde erwischt. Im Gegensatz zu ihren mobilen Leidensgenossinnen, die meist mit einer Verwarnung und der Selbstverpflichtung, auf künftiges Autofahren zu verzichten, davonkommen, wurde sie am Montag vergangener Woche zu zehn Peitschenhieben verurteilt.
Doch es tut sich etwas in der patriarchalen Monarchie. König Abdullah habe das Urteil aufgehoben, erklärte am Mittwoch vergangener Woche Prinzessin Amira al-Taweel via Twitter: »Gott sei Dank wurde die Auspeitschung Shemas ausgesetzt. Dank unserem geliebten König. Ich bin sicher, alle saudischen Frauen werden sehr glücklich sein. Ich bin es.« Mit seinem eigentümlichen Reformismus ließ König Abdullah auch bei seiner Rede am vergangenen Wochenende vor dem Shura-Rat die Herzen saudischer Frauen und Liberaler höher schlagen. »Mir hat es den Atem verschlagen«, wird die Frauenrechtlerin Hatoon al-Fassi bei BBC zitiert.
Dafür braucht es in Saudi-Arabien nicht viel. König Abdullah kündete unter anderem an, dass Frauen bei der nächsten Kommunalwahl im Jahr 2015 das aktive und passive Wahlrecht bekommen und im Shura-Rat beratend vertreten sein könnten. Zuletzt, und nach 2005 erst zum zweiten Mal, fanden die Wahlen der Stadträte am Donnerstag vergangener Woche statt. Sie wurden seit 2009 aufgeschoben. Es wird vermutet, dass die Wahl nun nach dem »arabischen Frühling« angesetzt wurde, um Reformbereitschaft zu simulieren. Viel ist von der Wahl allerdings nicht zu erwarten, die Beteiligung ist gering, da die Stadräte kaum Befugnisse haben. Öffentlicher Wahlkampf ist verboten, die Hälfte der Sitze wird vom König vergeben. Allenfalls können liberale und schiitische Gruppen einige davon erringen. Shema wird auf die Abgabe ihrer Stimme noch warten müssen, sie könnte sich aber bereits der Kampagne für autofahrende Frauen anschließen.