Der globale Aktionstag am 15. Oktober

Die Welt empört sich

Eigentlich sollte beim internationalen Akti­onstag am vergangenen Samstag um mehr gehen als nur um »die Macht der Banken«. Bisher wurden jedoch nur Empörung und Unzufriedenheit artikuliert.

Hunderttausende Menschen in mehr als 80 Ländern und zwischen 900 und 1500 Städten beteiligten sich am Samstag an den weltweiten Protesten, die mittlerweile unter dem Label »Occupy« bekannt sind. Der 15. Oktober war allerdings lange vor der Besetzung der Wall Street zum weltweiten Aktionstag ausgerufen worden, und nicht bloß als Tag der Empörung über »die Macht der Banken«. Die Initiative ging Ende Mai von den spanischen Indignados aus. Die Koordinierungsplattform »Democracia Real Ya« hatte einige Wochen vor der Auflösung des Protestcamps an der Pu­erta del Sol in Madrid zu einem weltweiten Protesttag aufgerufen. Es sollte um die Krisenmaßnahmen gehen, die ganze Bevölkerungsschichten zu einem Leben in Armut verurteilen, um eine gerechtere Sozialpolitik, um den kostenlosen Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem und um gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Die Besetzung der Wall Street am 17. September lenkte die Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit auf die neue US-amerikanische Bewegung, und so wurde der 15. Oktober zum Tag des Protests »gegen die Macht der Banken« deklariert, der »in Anlehnung« an die US-amerikanische Protestbewegung entstanden sei. Dabei haben sich die Aktivistinnen und Aktivisten aus den USA der internationalen Mobilisierung angeschlossen und diese mit eigenen Inhalten weiterentwickelt und ergänzt.

Auch in anderen Ländern übernahmen bestehende politische Gruppen und Organisationen die Koordination der Proteste. So war in Deutschland das globalisierungskritische Netzwerk Attac maßgeblich an der Organisation beteiligt. In Großbritannien hatte die Gruppe London Stock Exchange Collective zur Besetzung der Londoner Börse aufgerufen. Die Aktion gelang nicht, stattdessen wurde ein Protestlager mit rund 100 Zelten am Rande des Finanzdistrikts an der Saint Paul’s Cathedral errichtet. In Brüssel demonstrierten rund 6 000 Menschen, unter anderem die Indignados, die am 80tägigen »Marsch der Empörten« von Madrid nach Brüssel teilgenommen hatten.
Dass sich die internationalen Proteste nicht nur gegen »die Macht der Banken« oder die »Gier der Banker« richteten, heißt nicht, dass mit ihnen konkrete politische Ziele verfolgt würden. Über die Artikulierung von Empörung und Unzufriedenheit kam man bei aller Vernetzung über Facebook und Twitter nicht hinaus. Ohne die sozialen Netzwerke wäre diese Mobilisierung nicht denkbar gewesen. »United for global change«, »occupy together«, »occupy the world« oder »occupy earth« sind nur einige der unzähligen Gruppen, die die Empörten dieser Welt dazu aufriefen, auf die Straßen zu gehen. »Look for your square, tell about it to your people and fight. Peacefully«, lautete die Forderung eines der vielen Clips, der den Ton der meisten Aufrufe gut traf. Oder, wie die Hedonistische Internationale es formulierte: »Kommt mit Sprüchen, Schildern, Styling und Spaß.« Eine trendige Frisur als Beitrag für den global change? Warum eigentlich nicht?

Das Warm-up für den Aktionstag kam fast komplett ohne inhaltliche Diskussionen aus. Die kurze, aber professionell geschnittenen Werbevideos zeigten in den meisten Fällen die gleichen Bilder aus Tunesien, Ägypten, Griechenland, Spanien, Israel und New York City. Begleitet wurden die Bilder der friedlich protestierenden Massen von Zitaten aus disparaten historischen und sozialen Zusammenhängen: von »Sapere aude« über »I have a dream« bis zum moderneren »Empört euch!«. Untermalt wurden die Videos oft von einem apokalyptischen, den Weltuntergang suggerierenden Sound. Seltener wurde in längeren Texten versucht, über die markigen Slogans hinaus konkrete Zustände zu benennen und so etwas wie politische Ziele zu formulieren.
Fast überall hielten sich die Demonstrierenden an der Forderung, keine Gewalt gegen Menschen oder Gegenstände anzuwenden. Die einzige Ausnahme war Rom, wo es zu schweren Krawallen kam (siehe Seite 12). Der friedliche Großteil der Demonstrierenden wurde dort daran gehindert, die Piazza San Giovanni wie geplant zu besetzen. Die Rhetorik der Empörung und der Slogan: »Ein Prozent gegen 99 Prozent« richten sich in Italien seit Samstag weniger gegen den Finanzkapitalismus als vielmehr gegen den schwarzen Block. Shit happens.