Der NSU, der Ku-Klux-Klan und die deutsche Polizei

Im Tal der Ahnungslosen

Im Rahmen der Ermittlungen zur Mordserie des NSU ist bekanntgeworden, dass zwei schwäbische Polizisten Mitglieder des Ku-Klux-Klan waren. Die beiden sind immer noch im Dienst.

Man kennt das: Da nimmt man arglos an einer Kaffeefahrt durch die landschaftlichen Schönheiten der Magdeburger Börde teil, und ehe man sich versieht, ist man zum Erwerb von 15 Heizdecken und einem formschönen Kaffeeservice genötigt worden. Konnte man ja nicht ahnen.
Ähnlich naiv gab sich ein Polizeibeamter aus Baden-Württemberg im Jahr 2004 in einem Disziplinarverfahren, nachdem bekanntgeworden war, dass er zwei Jahre lang dem europäischen Ableger des Ku-Klux-Klan (KKK) angehört hatte. Dass es sich beim KKK um einen rassistischen Geheimbund handelt, habe er nicht gewusst, es sei einfach eine »nette Runde« gewesen. Die Bibel­auslegung des KKK habe er »spannend« gefunden. Ach ja, und Frauen habe er kennenlernen wollen.

Dass dieser Vorgang jetzt überhaupt bekannt wurde, ist ein Nebeneffekt der Ermittlungen zur Mordserie des NSU. Der Polizist mit dem einsamen Herzen und ein weiterer Beamter, mit dem er in den Jahren 2001 und 2002 gemeinsam an Treffen des Klans teilgenommen hatte, waren Kollegen der von den Zwickauer Nazis ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter. Der Bundesanwaltschaft zufolge gibt es aber keine Anhaltspunkte für eine Verbindung der beiden Beamten zu dem Mord oder für Kontakte zwischen der Zwickauer Zelle und dem KKK.

Allerdings passen Polizeibeamte, denen die Bibel­aus­legung des KKK – »Für Gott und Rasse« – »spannend« erscheint, bestens in das bizarre Panorama, das sich aus den Nachforschungen in Sachen NSU ohnehin schon ergibt: von geschredderten Akten über einen ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten, der aussagt, sich trunkenheitsbedingt nicht an die Umstände seiner Ernennung erinnern zu können, bis hin zu Polizeibehörden, die mit Hilfe von Fake-Imbissbuden und Geisterbeschwörern ermittelten, als noch von »Döner-Morden« die Rede war. Dass Faschisten hinter den Taten steckten, konnte man ja nicht ahnen.
Was ebenfalls ins Bild passt, sind die – wenn man es denn so nennen will – Konsequenzen, die die Dienstaufsicht der beiden schwäbischen Beamten aus deren Kontakten zu den Kapuzenmännern zog: Die Männer erhielten eine Rüge und versehen bis heute ihren Dienst.
Das immerhin trifft auf Nadja Drygalla nicht mehr zu. Drygalla, Mitglied des Ruder-Achters der Frauen, erlangte in der vergangenen Woche durch ihre Abreise von den Olympischen Spielen zweifelhafte Bekanntheit; zuvor war öffentlich geworden, dass sie seit mehreren Jahren mit dem langjährigen NPD-Funktionär Michael Fischer zusammenlebt (siehe auch Dschungel-Seiten 16/17).Auch in diesem Fall herrscht bei den offiziellen Stellen – Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) und Deutscher Ruderverband (DRV) – die organisierte Ahnungslosigkeit. Dass die Ruderin, damals Polizeianwärterin in Güstrow, bereits im vergangenen Jahr nach »intensiven Personalgesprächen« über ihr Privatleben den Dienst quittiert hatte, habe man nicht gewusst – obwohl Drygalla damit auch aus der Sportfördergruppe der Polizei Mecklenburg-Vorpommern ausschied und obwohl der Landesruderverband Mecklenburg-Vorpommern schon länger von der Beziehung seiner Sportlerin wusste.

Dass die Verantwortlichen nun vor einer Vorverurteilung ihrer Schutzbefohlenen warnen, ist nachvollziehbar. Bemerkenswert ist allerdings, wie DOSB-Ehrenpräsident Walther Tröger im Interview mit dem Deutschlandfunk auch Michael Fischer in Schutz nahm: Die NPD sei schließlich eine legale Partei. »Die Parteizugehörigkeit kann ich nicht als Zeichen für Rechtsextremismus nehmen.« Am Wochenende meldete Drygalla sich erstmals persönlich zu Wort und erklärte, sie habe die Aktivitäten ihres Lebensgefährten stets abgelehnt; dieser selbst sei im Mai aus der NPD ausgetreten und habe sich von der rechten Szene losgesagt. Damit dürfte die Affäre jedoch noch lange nicht beendet sein, denn Antifa-Recherchen zufolge war Fischer auch im Juni noch auf dem Naziportal Mupinfo als Autor aktiv. Aber das, ebenso wie einschlägige Facebook-Kommentare noch aus der Olympiawoche, darf man nach offizieller Lesart wohl nicht automatisch als Indiz für eine rechtsextreme Gesinnung werten.