Die IG Metall und die Sanierung von Opel

Bochum sagt »Nein«

Die IG Metall hat dem von der Tarifkommission ausgehandelten Vertrag zur Sanierung von Opel zugestimmt. Der Vertrag schließt betriebsbedingte Kündigungen bis 2016 aus und gilt für alle deutschen Standorte des Autokonzerns, nur nicht für Bochum.
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Der Kampf der Opelaner in Bochum um die Sanierung ihres Werks scheint endgültig verloren. Bei dem zwischen der IG Metall (IGM) und der Adam Opel AG geschlossenen »Tarifvertrag zur Beschäf­tigungssicherung und Sanierung« sollte das Werk leer ausgehen. Auf einer Betriebsversammlung in Bochum wurde der Plan daher mit klarer Mehrheit abgelehnt. Nach der Ablehnung des Tarifvertrags gilt für Bochum der neue Sanierungsplan nicht, dort endet der Kündigungsschutz Ende 2014, an anderen Standorten hingegen erst zwei Jahre später. General Motors (GM) kündigte an, das Bochumer Opel-Werk bereits Ende 2014 dichtzumachen.

Bis vor wenigen Wochen gab es in Bochum durchaus noch die Hoffnung, dass es mit dem Opel-Werk irgendwie weitergehen könnte. Der Tarifvertrag zwischen Opel und der IGM machte diese jedoch zunichte. Dort heißt es, dass es für die laufende Fahrzeugproduktion nach derzeitiger Planung des Konzerns voraussichtlich ab Ende 2016 kein Nachfolgeprodukt mehr gebe. »Um eine Stilllegung zu verhindern, soll der Standort daher im Rahmen eines Umwandlungsprozesses umgestaltet werden mit dem Ziel (…), so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten bzw. alternative Arbeitsplätze neu zu schaffen.« Hierfür wollte der Konzern über das Jahr 2016 hinaus mindestens 1 600 Arbeitsplätze erhalten. So sollte dort ein zentrales Ersatzteillager betrieben werden. Darüber hinaus sollten zukünftig einzelne kleinere Komponenten in Bochum gefertigt werden. »Weiterhin wird die Adam Opel AG für den Standort Bochum eine wettbewerbsfähige Motorenproduktion prüfen und dies gemeinsam mit der IGM und dem Betriebsrat innerhalb der nächsten zwei Monate beraten.« Für die Mitarbeiter waren diese Zugeständnisse der Geschäftsführung weder ausreichend noch glaubwürdig. Hatte Opel in Bochum zu seinen Spitzenzeiten noch etwa 20 000 Beschäftigte, sank die Zahl in den vergangenen Jahren auf nur noch 3 200. Immer wieder wurde der Abbau von Arbeitsplätzen mit Versprechungen der Geschäftsleitung gegenüber den Mitarbeitern durchgesetzt.
Insbesondere die in Bochum stark vertretenen oppositionellen Gewerkschaften wollten diese Politik jedoch nicht weiter mittragen. 2009 sagte Wolfgang Schaumberg, der vor seiner Pensionierung lange in der gewerkschaftsoppositionellen Betriebsgruppe »Gegenwehr ohne Grenzen« (GoG) aktiv war, in einem Interview mit der Jungle World: »In Bochum gibt es in der Belegschaft seit langem eine Opposition gegen das offizielle Gewerkschaftsvorgehen.« Das Ziel der GoG sei nicht einfach die Vertretung der Interessen der Belegschaft, sondern ihre Ermächtigung, »sich selbst zu wehren«. Daher hat die Gruppe in der Vergangenheit immer wieder versucht, sich nicht nur mit den Mitarbeitern an den deutschen Standorten von Opel zu verbinden, sondern verfolgte darüber hinaus eine europaweite Gewerkschaftspolitik.

Solche solidarisch und auch international zu verfolgenden Ziele stehen eher im Widerspruch zur Politik der IGM. Nicht ohne Grund betrachten sich die DGB-Gewerkschaften als Sozialpartner. Aus dieser Position heraus entstand dort auch die Strategie des Co-Managements. Gewerkschaften und Arbeitgeber versuchen im Falle ­einer Unternehmenskrise, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Klassenkämpferische oder internationalistische Positionen sind dabei eher hinderlich. Auf diese Weise sind Gewerkschaften in der Bundesrepublik zunehmend zu Mitgestaltern einer kapitalistischen Produktion geworden.
So erklärt sich auch, warum ausschließlich das Werk in Bochum die Zeche für den Niedergang Opels bezahlen soll. Denn wer den Tarifvertrag eingehender liest, findet darin nicht nur die Verlierer dieses Spiels. Für die anderen deutschen Opelwerke in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Eisenach und Dudenhofen bedeutet der Vertrag eine vorläufige Sicherung ihrer Existenz. Dem Werk in Rüsselsheim beispielsweise wird im Tarifvertrag »im Rahmen der Basisplanung eine Belegung mit mindestens zwei neuen Modellen nach 2015« zugesichert. Für Kaiserslautern wird eine »Komponentenstrategie als Bestandteil des Wachstumsplans vorgelegt, die durch verschiedene Projekte den Standort über 2016 hinaus sichert«. Dem Standort Eisenach werden in der Planung und in Absprache mit der IGM »zwei neue Modelle nach 2015 zugesagt, davon ein Modell exklusiv«. Für den Forschungs- und Entwicklungsstandort Dudenhofen sichert die Konzernleitung zu, dass »die vorhandenen Kompetenzen und Head-Count-Kapazitäten unter Berücksichtigung der üblichen Fluktuation und Altersteilzeit erhalten bleibt«. Allein das Werk in Bochum soll abgewickelt werden.
Zwischen der Gewerkschaft, dem Betriebsrat in Bochum und der Politik ist in der Folge ein Streit darüber ausgebrochen, wer an diesem Verhandlungsergebnis die Schuld trage. Der Betriebsratsvorsitzende des Bochumer Werks, Rainer Einenkel, warf der IGM vor, sie habe über die Köpfe der Belegschaft hinweg verhandelt: »Es wurde so gut wie nie mit uns geredet.« Er habe nur fertige Ergebnisse präsentiert bekommen. Solidarität stelle er sich anders vor. Wolfgang Schäfer-Klug, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Opel, sagt hingegen, dass es in den vergangenen zwölf Jahren bei keiner Werks- oder Standortschließung von GM gelungen sei, ein solches Ergebnis zur Arbeitsplatz- und Standortsicherung zu erreichen. Dieses Ergebnis habe der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Einenkel mit »Verdrängung, öffent­lichen Medienauftritten und Verschwörungstheorien« torpediert.
Der Erste Vorsitzende der IGM, Berthold Huber, zeigte sich in einer Presseerklärung mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden: »Die wirtschaftliche Lage bei Opel ist äußerst schwierig. Das macht Verhandlungen natürlich nicht einfacher. Der Tarifvertrag ist ein Gesamtpaket und die bestmögliche Lösung unter den gegebenen Bedingungen.« Opel müsse nun das Thema »Automobile der Zukunft« an den deutschen Standorten anpacken und endlich wieder mehr Autos verkaufen – in Europa und auf anderen Exportmärkten. Der Tarifvertrag schaffe dafür eine Grundlage und regele die Überbrückung der Unterauslastung bis zur Einführung neuer Modelle und wieder steigendem Produktionsvolumen. Dagegen monierte das mittlerweile pensionierte Betriebsratsmitglied Schaumberg sagte gegenüber der Jungle World: »Der Tarifvertrag hat nicht einmal die Abfindung für die Bochumer Kollegen klar geregelt.«

Für die Opelwerke in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Eisenach und Dudenhofen ist der zwischen der Konzernleitung und der IGM ausgehandelte Tarifvertrag sicherlich ein Grund, sich zu freuen. Für die 3 200 Opelaner in Bochum dagegen hatte der Tarifvertrag nichts anzubieten. Grundlos war ihre Ablehnung also nicht. Ob eine internationalistischere Strategie der IGM letztendlich ein besseres Ergebnis hervorgebracht hätte, ist unklar. Offensichtlich geworden ist jedoch eines: Die DGB-Gewerkschaften stehen nicht grundsätzlich in Opposition zu den Interessen des Kapitals. Und klar ist auch: Wenn sich eine Belegschaft aus­einanderdividieren lässt, darf sich anschließend niemand wundern, wenn das Spiel sich wiederholt. Wen es dann trifft, wird sich zeigen. Zumindest in Bochum hätte es dazu eine Alternative gegeben.