Kommentiert den Ausgang der Wahl im Iran

Khameneis bester Mann

Hassan Rohani, ehemals Diplomat des religiösen Führers für heikle Fälle, wird Präsident des Iran.

Kann Hassan Rohani als Reformer gelten, obwohl er eine Mäßigung des Tugendterrors nicht einmal versprochen hat? Haben bei den Präsidentschaftswahlen am Freitag voriger Woche wirklich 18 613 329 Iranerinnen und Iraner für ihn gestimmt, wie das Innenministerium bekanntgab? Es erscheint zwar schlüssig, dass die Mehrheit sich für einen »Pragmatiker« entschieden hat, dem noch am ehesten zugetratut wird, die desolate Wirtschaftslage zu verbessern. Verdächtig ist etwa die hohe Wahlbeteiligung von angeblich 72 Prozent, die den religiösen Führer Ali Khamenei »tief bewegt« hat.
Sicher ist, dass der neue Präsident seit langem das besondere Vertrauen Khameneis genießt. Mehrmals wurde Rohani mit heiklen diplomatischen Missionen betraut. Im April 1993, wenige Wochen vor der Anklageerhebung im Fall Mykonos, der Ermordung von vier kurdisch-iranischen Exil­oppositionellen in Berlin im Jahr zuvor, besuchte er Deutschland. Nur der Weigerung des Richters Frithjof Kubsch, sich dem Druck der Bundesregierung zu beugen, ist es zu verdanken, dass im anschließenden Prozess die Verantwortung des iranischen Regimes für die Morde festgestellt wurde.
Ab Oktober 2003 leitete Rohani die iranische Delegation bei den Verhandlungen über das Atomprogramm. Im Jahr zuvor waren geheime Nuklearanlagen entdeckt worden, doch wurde die iranische Akte von der Atomenergiebehörde IAEA nicht an den UN-Sicherheitsrat überwiesen. Kurz nach seinem Amtsantritt im August 2005 entließ Präsident Mahmoud Ahmadinejad jedoch Rohani, dessen Verhandlungsstrategie als zu kompromissbereit bezeichnet wurde. Das will Rohani nicht auf sich sitzen lassen. Nur »ignorante Leute« könnten ihm Verzicht in der Atompolitik vorwerfen, ereiferte er sich im Wahlkampf. »Wir haben das Programm vollendet.« Die Frage, ob unter seiner Präsidentschaft Fortschritte in den Atomverhandlungen zu erwarten sind, hat Rohani somit bereits selbst beantwortet.
Der Atomunterhändler Rohani galt als Repräsentant Khameneis. »Die Tatsache, dass Rohani und nicht der umstrittene Präsident Khatami das Abkommen schloss, lässt Analysten hoffen, dass die Vereinbarung halten wird«, meldete die Nachrichtenagentur AFP damals. Nunmehr zum Reformer anstelle des Reformers Khatami erhoben, lässt Rohani die Analysten erneut hoffen, zumal er bereits »Transparenz« versprochen hat. Doch wird das Regime wohl nur zu seiner ursprünglichen Strategie zurückkehren, alle Voraussetzungen für eine schnelle Atombombenproduktion zu schaffen, ohne mit dieser bereits zu beginnen.
Dass Ahmadinejad dieser Politik durch unnötige Provokationen geschadet hat, ist Rohanis Hauptkritik an seinem Vorgänger. Statt eines Präsidenten, der sich zu apokalyptischen Visionen verstieg und so oft von der Vernichtung Israels schwadroniert hat, dass es beträchtlicher Glaubensstärke bedurfte, dies für Übersetzungsfehler zu halten, tritt nun ein Mann das Amt an, der wohl weitere Verhandlungen erwirken kann. Die Gespächsbereitschaft dürfte eher westlichen Wirtschaftsinteressen geschuldet sein als dem diplomatischen Geschick Rohanis und dessen mildem Lächeln, doch ist er für das iranische Regime derzeit wohl der beste Repräsentant.