Die Forderungen nach einer Räumung des Flüchtlingscamps in Berlin-Kreuzberg

Mitläufer gesucht

Immer häufiger werden Forderungen nach der Räumung des Flüchtlingscamps in Berlin-Kreuzberg laut. Eine neue Initiative versucht nun, mehr Unterstützer für die Flüchtlinge zu gewinnen.

»Residenzpflicht abschaffen«, steht auf einem Transparent, das zwischen zwei großen Bäumen am Heinrichplatz in Kreuzberg hängt. İlker Eğilmez verteilt Flugblätter, in denen diese Forderung begründet wird. Seit dem 8. Juli nimmt er sich jeden Tag zwischen 18 und 19 Uhr eine Stunde Zeit für diesen Protest, der unter dem Motto »Die letzte Meile laufen wir« stattfindet. Mit dieser über Facebook bekannt gemachten Aktion wolle man die politischen Interessen der Flüchtlinge in der Öffentlichkeit verbreiten, sagt Eğilmez der Jungle World. Das Motto bezieht sich auf den weiten Weg, den die Flüchtlinge im vorigen Jahr bei ihren Protesten quer durch die Republik von Würzburg nach Berlin zurückgelegt haben. »Den Flüchtlingen wird mit der Residenzpflicht in Deutschland ihr Recht auf Freizügigkeit verwehrt«, sagt Eğilmez. Die Forderung nach der vollstän­digen Abschaffung der Residenzpflicht steht auch an zentraler Stelle im Forderungskatalog des Flüchtlingscamps am Oranienplatz.

Seit die Residenzpflicht in den vergangnen Jahren nach und nach gelockert wurde – außer in Bayern und Sachsen gilt inzwischen überall Bewegungsfreiheit zumindest im jeweiligen Bundesland – ist das Interesse der Öffentlichkeit für die in Europa einzigartige repressive Regelung abgeklungen. Diese Erfahrung machte auch Eğilmez in den vergangenen Wochen. »Ich stehe meistens allein am Heinrichplatz. Manchmal unterstützen mich mein Bruder oder eine Handvoll enger Freunde beim Flugblattverteilen«, sagt er. Die Initiative kommt zu einer Zeit, in der der Protest der Flüchtlinge nach fast einem Jahr an seine Grenzen stößt. In den vergangenen Wochen mussten sich die Bewohner des Camps in Kreuzberg gegen eine Kampagne von Boulevardmedien und CDU-Politikern verteidigen, die immer wieder neue Vorwände finden, um eine Räumung des Camps zu fordern. Mal müssen falsche Medienberichte über eine Vergewaltigung im Camp dafür herhalten, dann werden mangelhafte Hygiene und in der Sommerhitze verdorbene Lebensmittel angeführt.

Die erst kürzlich ins Amt eingeführte neue Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) stellt sich ebenso wie ihr aus Gesundheitsgründen zurückgetretener Amtsvorgänger Franz Schulz (Grüne) gegen die Forderungen nach einer Räumung und erklärt das Protestcamp der Flüchtlinge zum »politischen Mahnmal«. Allerdings wies Herrmann in einem Interview mit der Taz darauf hin, dass der Berliner Senat auch gegen den Willen des Bezirks das Camp räumen lassen kann. Auf die Frage, ob Herrmann in einem solchen Fall die Flüchtlinge unterstützen würde, fiel die Antwort der Bezirksbürgermeisterin vage aus. »Wir werden zumindest deutlich machen, dass es nicht unsere Politik ist. Verhindern können wir es nicht.« Dafür bräuchte es wohl mehr gesamtgesellschaftlichen Protest, zumindest Eğilmez arbeitet daran.