Brandenburg stirbt nicht aus

Brandenburg lebt

Die Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg ist weniger dramatisch, als es die Nazipropaganda gern hätte.

Brandenburg stirbt aus, schuld daran sind die bundesdeutschen Demokraten – so lässt sich die extrem rechte Propaganda zusammenfassen, die eine Gruppe mit dem klangvollen Namen »Spreelichter« mit ihrer sogenannten »Volkstod-Kampagne« verbreitete. Bis zum Verbot der »Widerstandsbewegung in Südbrandenburg«, wie sich die Spreelichter auch nannten, im Juni 2012 marschierten ihre Anhänger, mit weißen Theatermasken und mit Fackeln ausgestattet, durch kleinere Städte in Ostdeutschland.

Die Auftritte der brandenburgischen Neonazis erinnerten einerseits an die Fackelzüge der Nationalsozialisten, andererseits hatte zuvor schon die linke Kampagne »Die Überflüssigen« weiße Masken verwendet. Mit aufwendig produzierten Videos von den Aufmärschen konnten die rechtsextremen Organisatoren ihre Propaganda, »die unmissverständlich das System als Grund dafür erkennt und benennt, dass unser Volk seinem Tod entgegengeht«, in sozialen Netzwerken verbreiten. Dem Potsdamer Politikwissenschaftler Gideon Botsch zufolge gelang es den Neonazis, »neue Medien und neue Aktionsformen« zu erschließen, womit sie »teilweise ihre Marginalisierung durch den Mainstream etwas durchbrechen« konnten.
Mit dem Verbot der »Widerstandsbewegung in Südbrandenburg« wegen »Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus« und »aktiv-kämpferischen Vorgehens gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung« war vorerst auch die »Volkstod-Kampagne« der Spreelichter beendet. Von der Mischung aus Panikmache, völkischem Populismus und Propaganda in sozialen Netzwerken wollte die brandenburgische Neonaziszene aber nicht lassen. Bereits Anfang des Jahres riefen Nazis zu einer Demonstration unter dem Motto »Sieh nicht zu, wenn deine Stadt stirbt – werde aktiv« in der Kleinstadt Wittenberge auf. Dazu erstellte die Gruppe »Freie Kräfte Neuruppin« gemäß den bisherigen Erfahrungen ein professionelles Mobilisierungsvideo, in dem drastisch vor dem Einwohnerschwund der Stadt gewarnt wird: »Abwanderung, Arbeitslosigkeit, Vergreisung und Armut – und ihr? Ihr redet von Aufschwung?«
Trotz der langfristigen Mobilisierung kamen am vergangenen Wochenende aber nur 200 Neonazis aus Nord- und Ostdeutschland zu der Demonstration. Die Gegendemonstranten waren in Wittenberge in der Überzahl. Immer wieder kam es zu kleineren Blockadeversuchen, eine größere Blockade beendete den Naziaufmarsch endgültig. Frustriert fanden sich später etwa 70 Rechtsextreme »wegen der staatlichen Repressionen in Wittenberge« im 70 Kilometer entfernten Neustadt/Dosse ein. Der spontane, halbstündige Aufmarsch führte in Polizeibegleitung vom Bahnhof durch drei Straßenzüge und wieder zurück. Die geringe Resonanz könnte sich auch darauf zurückführen lassen, dass der Rückgang der Bevölkerung in Brandenburg im Gegensatz zu dem in anderen ostdeutschen Bundesländern keineswegs dramatisch ist. Derzeit wird prognostiziert, dass die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2030 um 5,8 Prozent auf 2,36 Millionen Einwohner sinken wird. Im Berliner Umland wird für die Zukunft ein Bevölkerungsanstieg erwartet, während in den weiter von der Hauptstadt entfernten Gegenden ein Rückgang zwischen zehn und 20 Prozent vorausgesagt wird.
Am Tag vor dem versuchten Aufmarsch in Wittenberge hielt die NPD zwei Kundgebungen in Wandlitz und Bernau ab, ein kleiner Vorgeschmack auf die Wahlkämpfe in diesem Jahr. Die Partei hatte die Kundgebungen nicht angekündigt, um Proteste zu erschweren. Trotzdem sah sie sich in beiden Orten mit Gegendemonstranten konfrontiert. In Bernau standen acht Neonazis einer Allianz von SPD, CDU, Linkspartei und »Bündnis für Bernau« gegenüber.

Solche Szenen dürften sich in den nächsten Monaten wiederholen. Für den diesjährigen Landtagswahlkampf kündigt die NPD 100 Kundgebungen, über 50 000 Plakate und eine Million Flugblätter an. Der Landesvorsitzende Klaus Beier tritt als Spitzenkandidat an, als Wahlkampfleiter wurde der Berliner Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke vorgestellt. Dass diese von der Partei als »breite Offensive« angekündigte Strategie aufgeht, ist zu bezweifeln. Der Einzug in den Landtag ist wohl so gut wie ausgeschlossen.
Stattdessen scheint sich die NPD auf die Erringung kommunaler Mandate zu konzentrieren. Ohne große Konkurrenz durch die DVU oder andere rechtsextreme Splitterparteien beabsichtigt die Partei, die Zahl ihrer Mandate zu verdoppeln, bisher sind es 27. Mit 115 Kandidaten will die NPD in den Wahlkampf ziehen. Vor allem im südlichen Brandenburg kann sie mit guten Ergebnissen rechnen. Bisher erreichte sie in einigen Gegenden einen Stimmenanteil von über fünf Prozent. Auch die Ergebnisse der symbolischen ­»U-18-Wahl« im September 2013 für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind nicht beruhigend. 5,7 Prozent der beteiligten Jugendlichen stimmten für die NPD. In Südbrandenburg erreichte sie teilweise sogar über zehn Prozent.
Das bei Kindern und Jugendlichen beliebte Krümelmonster wird im Wahlkampf aber keine Rolle mehr spielen. Ende März nahm die Polizei einen Mann fest, der in einem entsprechenden Kostüm vor einer Schule in Senftenberg Flugblätter mit der Aufschrift »Deutsch ist cool« verteilte, sowie seinen Begleiter, der die Szene filmte. Bei den Männern handelte es sich nach Informationen des RBB um einschlägig bekannte Neonazis. Bereits im vergangenen Herbst hatte sich ein als Krümelmonster verkleideter Mann in einem Video damit gebrüstet, einer Oberschule in Lauchhammer ein Schild mit der Aufschrift »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« gestohlen zu haben.