Die Erfolgsgeschichte der Deutschen Bank

Der ultimative Kulturwandel

Die Deutsche Bank bemüht sich um ein seriöses Image, weil sie weiterhin Deutschlands Global Player im Finanzbusiness sein will.

Nur wenig Applaus auf der Aktionärsversammlung, dafür aber umso mehr öffentliche Häme erntete einer der beiden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank für seinen zum wiederholten Male ausgerufenen »Kulturwandel« in Deut­schlands mit Abstand größtem Finanzinstitut. »Wir wollen nicht nur als anständige Bank wahrgenommen werden, sondern wir wollen auch eine anständige Bank sein«, rief Jürgen Fitschen am Donnerstag vergangener Woche den versammelten Aktionären zu. Sein Kollege an der Spitze der Bank, Anshu Jain, hatte bereits zuvor in etwas technokratischerem Tonfall für eine »historische Neuaufstellung der Deutschen Bank« geworben, was allgemein für noch unglaubwürdiger befunden wurde. In der Folge ging es fast nur noch darum, dass die Boni über das seit 2014 in der EU gültige Maß eines Jahresgehalts hinaus auf bis auf maximal das Doppelte angehoben werden sollten, um die »besten Mitarbeiter an uns zu binden«, wie die Bank begründete – das ließ die ganze Veranstaltung dann auch nicht nach dem propagierten Kulturwandel aussehen. Vor allem, weil die Großaktionäre im Verbund mit Vorstand und Aufsichtsrat die Ausnahmeregelung genehmigten.
Dabei hätte Deutschlands einziger Global Player in der internationalen Finanzindustrie es dringend nötig, sein Image zu verbessern. Nach eigenen Angaben ist Deutsche Bank derzeit in annähernd 1 000 Verfahren mit einem Streitwert ab 100 000 Euro verwickelt. Die Strafen der vergangenen Jahre haben längst die Milliardengrenze überschritten, allein für das vergangene Jahr weist der Geschäftsbericht etwa 350 Millionen Euro für Rechtsberatungen wegen der anhängigen Rechtsstreitigkeiten aus. Da verwunderte es auf der Versammlung auch niemanden mehr, dass der Gewinn bei einem Gesamtumsatz von rund 1 611 Milliarden Euro mit lediglich 681 Millionen Euro im vergangenen Jahr ausgesprochen gering ausfiel, wenn auch immerhin etwas mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2012. Auch die Eigenkapitalrendite betrug netto lediglich 1,2 Prozent – weit entfernt von den noch vor wenigen Jahren ausgegebenem Ziel von über 20 Prozent. Der Konzern – nach dem von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) erstel­lten Ranking immerhin der zwölfteinflussreichste der Welt – sei heute »eine gigantische Rechtsabteilung mit angeschlossenem Bankgeschäft«, kommentierte Klaus Nieding von der Aktionärsvereinigung DSW unter dem Applaus Tausender Kleinaktionäre polemisch diese Entwicklung.

Die Notwendigkeit, das in den vergangenen Jahren arg ramponierte Image der »Skandal-Bank«, wie der Spiegel Ende 2012 titelte, wieder zu verbessern, ist offensichtlich. Und in den vergangenen Monaten hat die Führung der Bank in der Öffentlichkeitsarbeit nichts unversucht gelassen, um dies auch zu tun. Während vor allem Fitschen zunächst auf die Skandale reagierte, indem er einzelne Mitarbeiter für die diversen betrügerischen Transaktionen verantwortlich machte, ist die Bank mittlerweile dabei, noch offensiver das eigene »gelegentliche Fehlverhalten« (Fitschen) auch an der eigenen Spitze zu thematisieren. Ein interner »Wertepreis« für verantwortliches Geschäftsgebaren wurde geschaffen und öffentlichkeitswirksam ein Video präsentiert, das der Chef der Investmentbanking-Sparte der Bank, der Kanadier Colin Fan, an seine Mitarbeiter zu Jahresbeginn verschickt hatte. In dem einminütigen Video kritisiert Fan, dass einige Händler nach wie vor weit hinter den entwickelten Standards zurückblieben. »Um es klar zu sagen: Unser Ruf ist alles«, fährt der Harvard-Absolvent chinesischer Abstammung fort. Und es folgt noch eine Warnung: »Denkt sorgfältig darüber nach, was ihr sagt und wie ihr es sagt. Wenn nicht, hat das ernste Folgen für euch persönlich.« Besser noch als all diese symbolischen Aktionen kam aber an, dass die Deutsche Bank als eines der ganz wenigen Finanzinstitute weltweit im Januar die weitere Zusammenarbeit mit dem wegen Insiderhandels in den USA verurteilten US-Hedgefonds SAC aufgekündigt hatte.
Der deutschen Politik scheint dies zu gefallen. Ansgar Tietmeyer, der Cheflobbyist der Bank in Berlin, sprach zuletzt von einer »neuen Bereitschaft zum Dialog« seitens der Politik, die im vergangenen Jahr offensichtlich nicht in diesem Maße vorhanden war. Die Wortgefechte, die Fitschen sich im vorigen Jahr mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geliefert hatte, scheinen jedenfalls beendet. Viele verantwortliche Politiker hätten ihm zuletzt gar ihren Stolz angesichts der Entwick­lung der Bank versichert.

Dieses öffentlich erneuerte Bündnis, das intern vermutlich nie zur Debatte stand, konnte man zuletzt auf dem Deutschen Bankentag in Berlin bewundern. Fitschen, der auch Vorsitzender des Bankenverbandes ist, versicherte der anwesenden Prominenz, dass das Umdenken »umfassend« und »kein Stein mehr auf dem anderen geblieben« sei. Vor allem Bundespräsident Joachim Gauck zeigte sich beeindruckt. In seinem Grußwort an das Treffen hatte er den Wandel hin »zum Ideal des ehrbaren Bankiers«, den er zu beobachten glaubt, gewürdigt und ausdrücklich Fitschen erwähnt. Dieser ließ sich nicht lange bitten und beschwor die Einheit zwischen Politik und der deutschen Finanzindustrie: »Sie haben uns aus dem Herzen gesprochen. Und das, was Sie anmahnen, entspricht dem, was wir uns vorgenommen haben«, so Fitschen abschließend.
Dass eine deutsche Großbank international einen führenden Rang einnehmen soll, ist politisch nie umstritten gewesen. Die Skandale von Deut­schlands nach dem Untergang der Dresdner und dem Niedergang der Commerzbank einzigem Global Player machten es aber schwer, dies öffentlich noch einzufordern. Dass deutsche Unternehmen sich nicht im Ausland um Kredite bemühen müssen und Investments von Frankfurt aus delegiert werden können, ist für den Standort Deut­schland von Bedeutung. Nun darf dies auch wieder offen gesagt werden, auch wenn sich die Bundesregierung weitgehend bedeckt hält. Immerhin aber waren zuletzt keinerlei kritische Töne von ihr mehr zu vernehmen, während sie im Jahr 2013 noch fast wöchentlich die Gazetten füllten.

Die zuletzt erfolgte Kapitalerhöhung um acht Milliarden Euro, zu der die Herrscherfamilie Katars 1,75 Milliarden beigesteuert hat, wurde so auch allgemein als Stabilisierung der Bank begrüßt, die zu Beginn der Finanzkrise lediglich zwei Prozent Eigenkapital aufgewiesen hatte. Jain bestritt zwar, dass dies auf Druck der Regulierungsbehörden, vor allem der deutschen Bafin, zustande gekommen sei, ein Insider betonte gegenüber der FAZ allerdings, dass diese und die verantwortlichen Politiker im Bundesfinanzministerium dies ausdrücklich begrüßt hätten, »weil die Bank mit dem Geld ihren Gestaltungsspielraum nutzen« wolle. Inklusive aller Puffer bringt es die Bank nun immerhin auf eine Eigenkapitalquote von 15,3 Prozent und übererfüllt damit alle Standards.
Und so geht auch die Erfolgsgeschichte der Deutschen Bank weiter. Nach wie vor ist sie im internationalen Devisenhandel führend und insbesondere bei den hart umkämpften und lukrativen Börsengängen von Unternehmen konnte sie international wieder Aufträge akquirieren, etwa beim Börsengang der chinesischen IT-Firmengruppe Alibaba oder der Rekapitalisierung des US-Versicherungsgiganten AIG. Da stört es nur am Rande, wenn die Gehälter der Top-Investmentbanker – im vergangenen Jahr zusammen immerhin 4,5 Milliarden Euro – durch die Boni-Erhöhungen weiter steigen und neue Skandale in diesem Bereich sowieso programmiert sind.