Der Gaza-Konflikt und die strategische Lage Israels

Neue Frontstellung

Der Gaza-Konflikt zeigt, dass sich die strategische Lage für Israel verändert hat.

Wann und wie auch immer der israelische Mili­täreinsatz im Gaza-Streifen enden wird, bereits jetzt ist deutlich geworden, dass sich für Israel eine neue strategische Lage ergeben hat. Weniger durch die Kämpfe selbst, die die Veränderungen nur erkennbar werden ließen, als durch die Entwicklung in der Region und den westlichen Staaten.
So spielen arabische Nationalisten im Kampf gegen Israel keine bedeutende Rolle mehr. Das geschwächte syrische Regime ist zum Klienten der schiitischen Islamisten des Iran und der Hizbollah geworden, ohne deren Unterstützung es sich nicht mehr halten könnte. Die Fatah hat sich einmal mehr als handlungsunfähig erwiesen, und aus israelischer Sicht ist es zweitrangig, ob sie nicht mäßigend auf die Hamas einwirken kann oder will. Die Frage ist vielmehr, welche Bedeutung ein Friedensvertrag mit der Fatah und der von ihr getragenen palästinensischen Autnomiebehörde hätte, wenn nicht gewährleistet werden kann, dass etwa eine vereinbarte Entwaffnung der Hamas auch durchgesetzt wird.
Der Kampf gegen Israel ist eine fast ausschließlich islamistische Angelegenheit geworden. Die Hamas wird eine Zeitlang geschwächt sein, die Bedrohung für Israel aber wird insgesamt nicht geringer werden. Denn mit der Hamas hat sich nun eine sunnitische Organisation in den Vordergrund gespielt. Das wird die schiitische Konkurrenz nicht ruhen lassen. Hassan Nasrallah, Generalsekretär der Hizbollah, sagte am Freitag vergangener Woche, seine Organisation sei ein »wahrer Partner des Widerstands in dieser Schlacht«.
Der gemeinsame Hass auf die Juden beendet den Konflikt zwischen schiitischen und sunnitischen Jihadisten nicht, vielmehr wird er in einem perfiden Wettkampf des Terrors ausgetragen. Viele Kämpfer der Hizbollah sind durch die Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg gebunden, doch wird die Organisation wohl versuchen, die durch ihre Parteinahme für das Regime Bashar al-Assads verlorene Popularität zurückzugewinnen, indem sie Israel angreift, sobald sie dazu in der Lage ist.
Die islamistische Offensive hat Israel jedoch informelle Verbündete verschafft. Der äygptische Präsident Abd al-Fattah al-Sisi würde das nicht offen zugeben. Bestrebt, die Muslimbruderschaft in Ägypten zu schwächen und die Jihadisten vom Sinai zu vertreiben, trägt er jedoch seinen Teil zum Kampf gegen die Hamas bei. Mit Ausnahme Katars haben sich auch die Golfmonarchien von der Hamas gelöst, mehr noch fürchten sie die schiitischen Islamisten. Die Kritik an der Hamas fällt derzeit in der arabischen Welt oft schärfer aus als im Westen.
Dort scheint sich die Tendenz zur Distanzierung von Israel zu verstärken. Die Ursache ist wohl vor allem der Isolationismus, eine Übertragung der Regeln der Konkurrenzgesellschaft auf die internationale Politik. Außenpolitik soll vor allem profitable Wirtschaftspolitik sein und nichts kosten, da muss jedes Land selbst sehen, wie es klarkommt – erst recht, wenn dessen Unterstützung angesichts der Terrorgefahr Probleme bringen könnte. Dass US-Außenminister John Kerry einen Friedensplan vorlegte, der vor allem die Forderungen der Hamas, Katars und der Türkei aufgriff, die Interessen Israels und Ägyptens aber kaum berücksichtigte, war keine Parteinahme für den Islamismus. Es schien ihm wohl nur die bequemste Lösung zu sein. Die Indifferenz solcher Verbündeter aber kann für Israel langfristig gefährlicher sein als die Raketen der Hamas.