Montagsdemonstranten mobilisieren gegen Militärbasis in Ramstein

Nicht mal Ramstein rockt

Die Protagonisten der Friedensmahnwachen versuchen derzeit, gegen die US-Militärbasis in Ramstein zu mobilisieren.

Für Frieden, für das bedingungslose Grundeinkommen und gegen das Finanzsystem – viel geändert hat sich nicht an den Themen der Montagsdemo-Veranstalter, die für den 29. August zu einer großen bundesweiten Mahnwache in Berlin aufrufen. Dafür unterstützen sie jetzt auch eine weitere Veranstaltung, die vom 25. bis 27. September in Kaiserslautern stattfinden soll. Sie steht unter dem Motto »Stopp Ramstein: Kein Drohnenkrieg«. Zur Begründung dieser Forderung heißt es, dass von »deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen« dürfe.
Der amerikanische Militärflughafen in Ramstein sei ein »zentrales Drehkreuz für die Vorbereitung und Durchführung völkerrechtswidriger Angriffskriege«, US-Drohnenpiloten »auf verschiedensten Militärbasen« nutzten den Stützpunkt für »die Steuerung der Killerdrohnen«. Für den »brutalen US/Nato-Krieg« in Afghanistan sei Ramstein unverzichtbar gewesen, gleiches gelte für »drohende US-Interventionskriege« zum Beispiel an »den Grenzen zu Russland«.

Neu ist es nicht, die Schließung der Militärbasis von Ramstein zu verlangen beziehungsweise auf ein Verbot zu drängen, Militärbasen in Deutschland für Kriegseinsätze zu benutzen. Zu den maßgeblichen Initatoren des ersten Ramsteiner Appells im Jahr 2006 gehörte der Kaiserslauterer Wolfgang Jung, einer der Mitgründer der Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung. Jung ist inhaltlich verantwortlich für die Website »Luftpost – Friedenspolitische Mitteilungen aus der US-Militärregion Kaiserslautern/Ramstein«, auf der »friedenspolitisch bedeutsame« Entwicklungen dokumentiert werden. Dort erscheinen nicht nur Neuigkeiten über die US Air Force und ihre deutschen Basen, sondern auch ein aktueller Text des US-Autors Chris Hedges, in dem er erklärt, warum er die »Bewegung Boykott, Kapitalentzug und Sanktionen gegen Israel« unterstütze. Hedges hatte zuletzt im Dezember 2014 für Empörung gesorgt, als er in einem Blogartikel unter dem Titel »ISIS – das neue Israel« den »Islamischen Staat« und Israel auf eine Stufe stellte.
Auch bei der Neuauflage des »Ramsteiner Appells« gehört Jung zu den Erstunterzeichnern, gemeinsam mit Politikern der Linkspartei wie Inge Höger, Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke und Dieter Dehm, die Anfang 2015 für ihre Unterstützung der sogenannten »Mahnwachen für den Frieden«, besser bekannt als Montagsdemonstration, auch innerparteilich kritisiert worden waren.
Ebenfalls dabei: Reiner Braun, ein langjähriger Aktivist der Friedensbewegung, der in einem Interview mit dem Blog »Nachdenkseiten« im April 2014 auf die in einigen Medien erhobenenen Querfront-Vorwürfe gegenüber den Montagsdemos antwortete: »Querfront ist einfach Quatsch! Wir brauchen eine Volksfront, eine Zusammenarbeit aller Friedenswilligen.« Weiter sagte er, die Friedensbewegung sei »niemals offen für rechtsradikale Kräfte« gewesen und »auch niemals von diesen instrumentalisiert oder hegemonisiert« worden. Er wehre sich auch dagegen, »leichtfertig Menschen als ›rechtsradikal‹ oder ›Antisemit‹ oder gar ›Faschist‹ zu bezeichnen«. Im Übrigen entschieden nicht »die Taz oder die sogenannten Antideutschen« darüber, »mit wem wir reden und zusammenarbeiten dürfen«.
Auch Bruno Kramm, der Vorsitzende der Piratenpartei Berlin, und der ehemalige Attac-Mitarbeiter und Mahnwachen-Unterstützer Pedram Shayar gehören zu den Erstunterzeichnern. Die beiden Männer sind einander wohl nicht unbekannt: Kramm trat im Frühjahr 2015 auf einer von Shayar veranstalteten »Bild-Boykott«-Demo als Redner auf. Der Piraten-Politiker, der zu den am häufigsten eingeladenen Studiogästen beim Sender RT Deutsch gehört, ist überdies gemeinsam mit Shayar, den Mahnwachen-Aktivisten Leonore Fuger, Lukas Puchalski, Jürgen Lutterkordt und weiteren Friedensbewegten Betreiber der »Stopp Ramstein«-Eventseite auf Facebook.
Ein großer Massenerfolg ist die Ramstein-Veranstaltung allerdings bislang noch nicht. Selbst auf Facebook, wo schon aus Prinzip mehr Eingeladene ihr Erscheinen bei Events bestätigen, als hinterher tatsächlich kommen, hatten bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe keine 190 Personen ihre Teilnahme angekündigt.

Dabei unternimmt die selbsternannte neue Friedensbewegung praktisch alles, um für »Stopp Ramstein!« zu werben. Wie zum Beispiel am 8. August bei der »Friedenstournee« in Dortmund, einer Veranstaltung, auf der es allerdings wieder einmal nicht nur um Frieden ging. Musikalisch begleitet von dem wegen erschwörungstheoretischer Inahlte umstrittenen HipHop-Duo »Die Bandbreite« zeigte bei der – nach Fotos zu urteilen – nur mäßig besuchten Veranstaltung die Initative »Natürliche Wirtschaftsordnung« an ihrem Infostand eine sogenannte »Zinsbombe«. Der »zinskritische« Verein beruft sich unter anderem auf die Theorien von Silvio Gesell, in denen, so der Politikwissenschaftler Elmar Altvater, »ein struktureller Antisemitismus angelegt« sei; außerdem sei Gesells Konzept der Freiwirtschaft »anschlussfähig an rassistische und antisemitische Positionen«. Einer der Redner in Dortmund gilt als ausgewiesener Verschwörungstheoretiker. Der mittlerweile in Berlin lebende Däne Tommy Hansen ist Gründer des in mehreren Sprachen erscheinenden Magazins Free 21, für das unter anderem Ken Jebsen als Autor tätig ist. Hansen hält beispielsweise 9/11 für eine »minutiös geplante militärische Operation mit politischer Inszenierung, ausgeführt von mächtigen Kreisen in der amerikanischen Militärindustrie«. In der aktuellen Ausgabe darf Jürgen Todenhöfer im Interview von seinen Erlebnissen bei ISIS erzählen.
Auch Mitglieder der Piratenpartei waren bei der Dortmunder Friedenstournee dabei – die Partei hatte auf ihrer offiziellen Internetseite »Stopp Ramstein« zunächst beworben. Im Text wurde Astrid Semm, die stellvertretende Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland, zitiert: »Wir wollen nicht hinnehmen, dass diese Verbrechen still und leise von unserem Hoheitsgebiet aus begangen werden.« Daher rufe die Partei ihre Mitglieder zur Teilnahme an den Veranstaltungen im September auf.
Nach einigen Protesten wurde der Aufruf dann jedoch wieder gelöscht, der Bundesvorsitzende der Partei, Stefan Körner, begründete dies auf Twitter damit, dass der Aufruf »Werbung für eine in der Sache richtige Sache macht, aber von Leuten, mit denen wir nicht zusammenarbeiten wollen«. Vermutlich um den piratentypisch exzessiv auf Twitter ausgetragenen Streit zwischen Gegnern und Befürwortern der Ramstein-Veranstaltung zu befrieden, wurde Mitte letzter Woche ein Mumble-Termin mit Bruno Kramm, Pedram Shayar und Rainer Braun angesetzt. Darin sollte es auch um die Vorwürfe des Dortmunder Mitglieder der Piratenpartei Robert Rutkowski gehen, der auf seinem Blog »Gedankensplitter« geschrieben hatte, dass die Friedenstour-Veranstalter die Israelfahne von Gegendemonstranten wesentlich schneller hatten von der Polizei entfernen lassen als die ebenfalls anwesenden Mitglieder der rechtsextremen Kleinstpartei »Die Rechte«, die ihr Erscheinen schon Tage vorher auf Facebook angekündigt hatten.
Bruno Kramm wollte dies nicht gelten lassen, man habe im Vorfeld bereits eindeutig klargemacht, dass man sich von »Die Rechte« distanziere. Überdies seien Antideutsche an deren Erscheinen bei der Veranstaltung schuld, denn, so der Berliner Piratenvorsitzende: »Nazis wurden gezielt rangeholt und provoziert zu kommen, durch antideutsche Tweets.«