Das neue Album von Die Heiterkeit

Es war eh alles da

Verschwenderische Fülle kennzeichnet das neue Album von Die Heiterkeit.

Dass das neue Album von Die Heiterkeit den geradezu an Tolstoj erinnernden Titel »Pop & Tod I + II« trägt, wird besonders diejenigen wundern, die die Band noch immer lediglich für eine Laune von Stella Sommer halten – genaugenommen trifft das ja auch zu: Während der Aufnahmen ihres jüngsten Albums stiegen erneut Leute ein und aus, zum Beispiel ist Bassistin Rabea Erradi noch auf der Platte zu hören, wird aber nun von der Oracles-Musikerin Hanitra Wagner ersetzt. Sängerin, Gitarristin und Texteschreiberin Sommer ist das einzige Gründungsmitglied der inzwischen zum Quartett angewachsenen Band. Sie findet das nicht problematisch: »Durch die ständigen Besetzungswechsel haben wir natürlich auch einen Vorteil. Man stagniert nicht so schnell und ist immer in Bewegung, weil sich die internen Strukturen zwangsläufig verändern. ›Pop & Tod‹ wurde von einer komplett anderen Band eingespielt als ›Monterey‹ und ›Herz aus Gold‹. Ich halte beide Alben für wirklich sehr gelungen.«

Die Resonanz auf vorab veröffentlichte Songs wie »Im Zwiespalt« war euphorisch und es liegt nahe zu behaupten, es handele sich bei »Pop & Tod« um ein Konsensalbum. Sommer sieht das anders. »Es ist mir bis jetzt noch nicht aufgefallen, dass alle unser Album lieben«, sagt sie, »im Gegenteil hatte ich immer das Gefühl, dass wir von Anfang an mit viel mehr Hass und Abschätzung konfrontiert wurden als andere Bands, zumindest von der breiteren Masse. Gefeiert wurden wir vor allem von Journalisten und anderen Musikern. Aber über so was wundere ich mich auch nicht mehr. Ich wundere’ mich eigentlich über nichts mehr.« Bestimmt auch nicht darüber, dass sich auf ihre Einladung Kristof Schreuf, Nagel, Herr Drangsal, Markus Ganter und andere im Studio einfanden, um den Chor zu »Haben die Kids« einzusingen. Ted Gaier kam zu spät, Pech für ihn.

Die Schwere des Albumtitels findet ihre Entsprechung in satten 20 Songs, geplant waren sogar 30, herausgefiltert aus noch mehr Material. »Es hätte keinen Sinn ergeben, Songs unter den Tisch fallen zu lassen, wenn sie eh schon da sind«, sagt sie lapidar. Den Konzeptcharakter des Doppelalbums erklärt sie ähnlich beiläufig: »Wir hatten sehr viele Songs zur Auswahl, und einer davon war ›Pop & Tod‹. Uns ist beim Sichten der ganzen Lieder aufgefallen, dass dieses Stück die Platte am besten auf den Punkt bringt. ›Pop & Tod‹ schwang irgendwie in allen Songs mit.« Tatsächlich klang die für Die Heiterkeit charakteristische Mischung aus Indiepop und Stella Sommers Nichtgesangsstimme à la Nico oder Knef noch nie so plausibel – trotz oder wegen der verschwende­rischen Fülle. Während die Musik teilweise ganz leicht und beschwingt daherkommt wie bei Bands vom Postcard-Label, steigt Sommer stoisch in kellertiefe Abgründe hinab. »Ich kenne den Geruch/kenne den Gestank«, deklamiert sie in »Heller Morgen«, im nicht minder morbiden »Komm mich besuchen« löst sich die psychedelische Grundstimmung in einem Noise-Ausbruch auf. Nach wie vor entzieht sich die Band Vereinnahmungsversuchen und bleibt etwas zu rätselhaft für Klischee- und Mythenbildung. Markiert »Pop & Tod I + II« womöglich das Ende der Band? »Nee, bestimmt nicht. Neue Songs gibt’s auch schon.«

 

Die Heiterkeit: Pop & Tod I + II (Buback/Indigo)