Der Prozess gegen den Islamisten Sven Lau

Der Streit der bärtigen Brüder

Seit Anfang September steht der Salafist Sven Lau in Düsseldorf vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, eine jihadistische Terrororganisation unterstützt zu haben. Anlässlich des Prozesses gegen Lau streiten sich seine Glaubensbrüder über die richtige Form der Solidarität und ihr Verhältnis zum »Islamischen Staat«.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sven Lau in Untersuchungshaft sitzt. Schon einmal wurde ihm vorgeworfen, islamistische Terroristen in Syrien finanziell unterstützt und ihnen Kämpfer zugeführt zu haben. Zwischen Februar und Mai 2014 saß er deshalb in U-Haft. Der Vorwurf ließ sich damals nicht erhärten, Lau wurde wieder freigelassen. Mittlerweile sieht sich die Bundesanwaltschaft gerüstet für einen Prozess gegen den »bundesweit bekannten Islamprediger«. Am 15. Dezember 2015 wurde er erneut verhaftet. Fotos von Laus Festnahme zeigen ihn mit wirrer Frisur, riesigen Kapselgehörschützern und einer blickdichten Brille. Es sieht aus, als wäre der Staatsfeind Nummer eins abgeführt worden. Der Generalbundesanwalt wirft Lau vor, im Herbst 2013 250 Euro, drei Nachtsichtgeräte und zwei Kämpfer an die Gruppierung »Jaish al-Muhajirin wal-Ansar« (Armee der Auswanderer und Helfer, kurz Jamwa) vermittelt zu haben. Einer der Kämpfer, der 26jährige Ismail Issa, belastet Lau schwer und fungiert im Prozess als Kronzeuge.
Issa stand selbst wegen seiner Zeit bei Jamwa in Stuttgart vor Gericht. Im März vergangenen Jahres wurde er zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Eine lange Haftzeit für zwei Monate im »Heiligen Krieg«. Hätte Issa nicht in seinem eigenen Prozess ausgesagt, hätte die Strafe noch höher ausfallen können.
Der Name Lau fiel im Stuttgarter Prozess des Öfteren. Issa behauptete, Lau habe ihn bei einer Pilgerreise nach Mekka davon überzeugt, zum Kampf nach Syrien zu gehen. Lau habe, so sagt die Bundesanwaltschaft, als »Anlaufstelle für Kampf- und Ausreisewillige« gedient.
Um nach Syrien zu kommen, musste der Stuttgarter Issa zunächst nach Mönchengladbach reisen. Dort sollen im Sommer 2013 die Reisevorbereitungen getroffen worden sein. Lau habe den Kontakt zu einem Schleuser hergestellt, der Issa von der türkischen Grenze in das Hauptquartier der Jamwa gebracht habe. In Syrien habe Lau, so Issa, regelrecht Kultstatus genossen. Die Führer der Jamwa hätten ihn für seinen Einsatz für den Islam in Deutschland bewundert. Lau habe außerdem zwei Fahrzeuge für die Jamwa beschafft, einen Krankenwagen und ein Müllfahrzeug. Der Müllwagen sei, so berichtet Issa, für einen Selbstmordanschlag benutzt worden.
Für Mutlu Günal, Laus Verteidiger, haben die Aussagen von Ismail Issa keine große Bedeutung. Nach dem ersten Prozesstag gegen seinen Mandanten sagt Günal, Issa sei verrückt und ein notorischer Lügner. Das habe auch der Prozess in Stuttgart gezeigt. Die Anklage der Bundesanwaltschaft werde »wie ein Kartenhaus einstürzen«, er rechne mit einem Freispruch für seinen Mandanten. Günal äußert die Vermutung, die Polizei in Mönchengladbach habe noch eine Rechnung mit Lau offen und nur ziemlich dünne Hinweise zusammengetragen.
Der Jurist hat Erfahrung mit Prozessen gegen terrorverdächtige Islamisten. In Düsseldorf verteidigt er seit zwei Jahren Marco G., dem vorgeworfen wird, eine Bombe am Bonner Hauptbahnhof platziert und einen Anschlag auf einen Rechtspopulisten geplant zu haben. Auch die beiden Stars der deutschen Islamistenszene, Ibrahim Abou-Nagie und Pierre Vogel, nutzten schon Günals Dienste. Demnächst wird der Rechtsanwalt auch die 16jährige Safia S. verteidigen, der die Bundesanwaltschaft vorwirft, im Auftrag des »Islamischen Staats« einen Polizisten am Hannoveraner Hauptbahnhof mit einem Messer attackiert zu haben.
Am ersten Tag des Prozesses gegen Lau hat Günal nicht viel zu tun. Sein einziger Satz lautet: »Mein Mandant wird sich schweigend verteidigen.« Tatsächlich sagt auch Lau nur einen einzigen Satz. Als der Vorsitzende Richter Frank Schreiber fragt, warum in Laus Geburtsurkunde ein anderer Nachname stehe, erklärt dieser in freundlichem Tonfall, seine Mutter habe sich von seinem Vater scheiden lassen und er habe ihren Namen angenommen.
Interessanter als das, was Lau sagt beziehungsweise nicht sagt, ist, wie er sich verhält. Er macht einen aufgeräumten Eindruck. Als er in den Gerichtssaal geführt wird, schaut er sich nach seinen Unterstützern um. Gut 15 sind gekommen. Ihnen reckt Lau den erhobenen Daumen entgegen und lächelt. Seine Botschaft: Mir geht es gut.
Den Unterstützern geht es nicht so gut. Sie streiten miteinander. Im Düsseldorfer Gerichtssaal ist das zwar nicht zu spüren, aber nach dem Prozess sieht man die Islamisten miteinander in intensiver Diskussion. Vermutlich geht es um die Frage, wie man die Solidarität mit dem »Bruder Abu Adam«, wie sich Lau nennt, organisieren soll. Dabei ist einer der Hauptprotagonisten in der islamistischen Solidaritätsdebatte gar nicht in Düsseldorf erschienen. Der Starprediger Pierre Vogel weilt lieber in Katar.
Vogels Gegenspieler ist der ehemalige antiimperialistische Terrorist Bernhard Falk. In einem bizarren Video wirft Falk Vogel vor, den Islam nicht ernst zu nehmen und Muslime indirekt an den Verfassungsschutz zu verraten. Während er das sagt, steht Falk am Rande eines Feldes vor der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim und hält immer wieder ein winziges gerahmtes Bild der hier ums Leben gekommenen RAF-Gründerin Ulrike Meinhof in die Kamera. Außerdem meint Falk, dessen Kampfname Muntasir bi-llah lautet, Vogel solle doch besser für Lau und nicht gegen den »Islamischen Staat« demonstrieren solle. Am 3. September hatte Vogel seine Anhänger in Bremen versammelt, um gegen den, wie er sagt, »Idiotischen Staat« zu protestieren. Vogel reagierte gelassen auf die Angriffe Falks: Solidarität mit Lau sei notwendig, dabei solle man aber »ordentlich« auftreten. Terrorfans in Militärjacken – eine Anspielung auf Falks übliches Outfit – seien für Lau sicher nicht hilfreich, da auch Richter darauf achteten, wer im Publikum sitze.
In Düsseldorf dürfte Falk aber erstmal einen Etappensieg errungen haben. Den anwesenden Medienvertretern konnte er sich als Freund Laus präsentieren und sich als Sprachrohr des inhaftierten »Bruders« inszenieren. Man darf gespannt sein, ob auch Vogel den Düsseldorfer Prozessbunker in den nächsten Monaten besucht.