die deutsch-mazedonische Zusammenarbeit in der Flüchtlingsabwehr

Unser Mann in Skopje

Für die Flüchtlingsabwehr hofieren die Unionsparteien nicht nur die türkische Regierung. Auch der ehemalige mazedonische Ministerpräsident gilt trotz seiner autokratischen Politik als guter Verbündeter.

Die Erleichterung der Entscheidungsträger war groß: Im März einigten sich die EU und die Türkei auf das berüch­tigte Flüchtlingsabkommen. Kurz darauf ließ die türkische Regierung keine Flüchtlinge mehr in die EU passieren. Allerdings wurde der Weg für Schutz­suchende nicht erst mit diesem Deal abgeschnitten. Bereits Wochen zuvor hatte Mazedonien seine Grenze für Flüchtlinge geschlossen und dadurch die sogenannte Balkan-Route ­blockiert. Diese Zusammenarbeit in der Flüchtlingsfrage würdigten die deutschen Unionsparteien nun.
Anfang vergangener Woche befand sich eine Delegation der rechtskonser­vativen Inneren Mazedonischen Revo­lutionären Organisation (VMRO) in Berlin. Angeführt wurde sie von Nikola Gruevski, dem noch immer sehr einflussreichen ehemaligen Ministerpräsidenten Mazedoniens. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Tobias Zech, der wegen seiner Tätigkeit als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europarat mit den mazedonischen Kollegen zu tun hat, hatte das Treffen arrangiert. Die VMRO ist assoziiertes Mitglied der EVP und somit Schwesterpartei der deutschen Unionsparteien. Zech wollte sich auf Nachfrage der Jungle World nicht zu dem Thema äußern.
Die mazedonische Opposition wirft Gruevski illegale Geschäfte und Bestechung vor. Außerdem soll die Regierung politische Gegner und kritische Journalisten ins Gefängnis bringen lassen und versucht haben, den Mord an einem jungen Mann zu vertuschen, der von Gruevskis Sicherheitsleuten zu Tode geprügelt worden war. Seine Macht hat Nikola Gruevski nach seinem Rücktritt im Januar aber nicht eingebüßt, kaum einer in Mazedonien zweifelt daran, dass er weiterhin die politischen Geschäfte bestimmt. Trotz allem hat die deutsche Regierung ­Mazedonien zu einem »sicheren Drittstaat« erklärt. Denn Gruevski ist für die Flüchtlingsabwehr ein bedeutender Partner.
Vor dem Hintergrund der politischen Situation in Mazedonien bewertet Josip Juratovic (SPD), im Auswärtigen Ausschuss zuständig für Südosteuropa, die Einladung der CDU/CSU an den umstrittenen ehemaligen Ministerpräsidenten kritisch. Juratovic fordert: »Die Wahlen am 11. Dezember müssen nach internationalen demokratischen Standards durchgeführt werden und jegliche Verzögerung muss aufhören, denn an der schnellen Umsetzung der Vereinbarungen hängt die Glaubwürdigkeit aller beteiligten Akteure.«
Die nationalkonservative VMRO nutzte die Treffen mit deutschen Offiziellen und Regierungsvertretern auch, um in Mazedonien zu verdeutlichen, dass sie in der internationalen Politik nach wie vor willkommen ist. Damit möchte sie ihre Ausgangsposition für den anstehenden Wahlkampf in Mazedonien verbessern. Dort lenkt eine Übergangsregierung die Geschicke. Sie soll die Wahl für den 11. Dezember vorbereiten. Diese könnte ein erster Schritt zur Beendigung der politischen Krise sein, die seit nunmehr zwei Jahren anhält und regelmäßig zu Massenprotesten führt (Jungle World 36/16).
Kritiker bemängeln jedoch, dass das Wahlverzeichnis de facto noch nicht fertiggestellt ist, die Sonderstaatsanwaltschaft die Arbeit noch nicht richtig aufnehmen konnte und die Medien weiterhin fest in der Hand von Gruevskis Gefolgsleuten sind. Der ehemalige Ministerpräsident zeigte sich wenig versöhnlich: »Das Volk wird die Sozialdemokraten bestrafen.« Gruevski macht die Opposition für die anhaltende Krise verantwortlich. Kritik an seiner autoritären Führung weist er schroff zurück.
Daran stört sich die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nicht. In dem Bericht »Und wer fragt das Volk?« kritisiert der Büroleiter der KAS in ­Mazedonien, Johannes D. Rey, ausländische Medien berichteten zu einseitig und kritisch über Gruevski und seinen Clan – während in Mazedonien kritische Journalisten im Gefängnis verschwinden oder bei Autounfällen umkommen, die von den Behörden nicht weiter untersucht werden. Die Zusammenarbeit zwischen der KAS und dem mazedonischen Regime hat eine lange Geschichte. Im Jahr 2006 wurde Gruevski demokratisch gewählt. Wie Journalisten der unabhängigen mazedonischen Zeitung Fokus herausfanden, waren er und fast alle seiner Minister Stipendiaten der KAS. Die Stiftung war daran beteiligt, den Autokraten aufzubauen.
Mit der Zeit schaffte die Regierung Gruevski grundlegende demokratische und bürgerliche Freiheiten ab, was aber nicht zu einem Abbruch der Zusammenarbeit führte. Weiterhin werden junge Funktionäre der VMRO von der KAS ausgebildet. Die deutschen Konservativen betrachten die VMRO unverändert als ihre Schwesterpartei in Mazedonien und unterstützen sie. Während Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei verhindern soll, dass Flüchtlinge überhaupt das europäische Festland erreichen, hält Gruevski diejenigen fern, die es doch bis nach Griechenland geschafft haben. Das deutsche Kalkül übergeht jedoch die Lage in Mazedonien. Viele Menschen dort haben nicht vor, sich in einer drohenden Gruevski-Diktatur einzurichten. Ihr Weg nach ­Österreich, Deutschland und in die Schweiz ist nicht weit.