Usbekistan nach dem Tod des autokratischen Präsidenten

Ein Mann des Regimes

Nach dem Tod von Usbekistans langjährigem Präsidenten Islam Karimow führt sein Nachfolger die Diktatur fort.

Was passiert, wenn der Alte abkratzt? Die Frage lastete lange bleischwer auf Usbekistan und wird sich auch in den kommenden Wochen und Monaten weiter mit Dringlichkeit stellen. Islam Karimow, der autoritäre Herrscher des zentralasiatischen Landes, wurde am 2. September für tot erklärt, nachdem der 78jährige einige Tage zuvor wegen eines Schlaganfalls ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Beim öffentlichen Trauerzug in der Hauptstadt Taschkent legten Tausende am 3. September Blumen neben dem vorbei­fahrenden Leichenkonvoi ab, danach wurde Karimows Sarg zur Beerdigung in seine Herkunftsstadt Samarkand geflogen. Nach der für drei Tage angeordneten Staatstrauer ernannte schließlich das usbekische Parlament den bisherigen Ministerpräsidenten Schawkat Mirsijojew zum Interimspräsidenten. Neuwahlen sollen im Dezember abgehalten werden. Mirsijojew hat bereits angekündigt, sich zur Wahl zu stellen.
Für Usbekistan ist der Tod des langjährigen Autokraten eine Zäsur. Schon als das Land noch Teilrepublik der Sowjetunion war, erreichte der ausgebildete Ingenieur Karimow höchste Positionen in der Kommunistischen Partei und wurde 1989 zu deren Erstem Sekretär sowie 1990 zum Präsidenten der Usbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik ernannt. Nach der Unabhängigkeit 1991 hielt Karimow an seinem Führungsanspruch fest und wurde zum Staatsoberhaupt gewählt. Das Amt behielt er 25 Jahre lang, obwohl der Präsident laut usbekischer Verfassung nur einmal wiedergewählt werden kann. Unter Karimow entwickelte sich das Land ökonomisch nur schleppend. Noch heute gilt Usbekistan als einer der korruptesten Staaten der Welt. Die hohe Inflation setzt die nationale Währung So’m unter Druck. Die Einnahmen aus dem Export stammen vor allem aus den Gold- und Edelmetallvorkommen sowie der Baumwollproduktion. Für die Ernte werden regelmäßig Studierende, Staatsangestellte und sogar Schulkinder zur Zwangsarbeit eingezogen.
Außenpolitisch verordnete Karimow dem Land, ähnlich wie die Regierenden im Nachbarland Turkmenistan, einen isolationistischen Kurs. Usbekistan war nur kurz in den neunziger Jahren sowie von 2004 bis 2012 Mitglied im von Russland angeführten postsowjetischen Militärbündnis, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS). Zudem wurde 2005 die Kooperation mit den USA beendet, die in Karshi-Khanabad eine Militärbasis zur logistischen Unterstützung im Afghanistan-Krieg unterhielten. Auch die Bundeswehr musste im vergangenen Jahr ihren Lufttransportstützpunkt in Termez aufgeben. Zu Russland, in dem Hunderttausende Usbeken als Arbeitsmigranten leben, pflegte die Regierung mitunter ein distanziertes Verhältnis. Der Eurasischen Wirtschaftsunion, Wladimir Putins Prestigeprojekt, ist Usbekistan bisher nicht beigetreten.
Im Innern regierte Islam Karimow mit harter Hand. Sein aus KGB-Strukturen hervorgegangener Sicherheitsapparat gehört zu den repressivsten weltweit. Im Pressefreiheitsranking der ­Organisation Reporter ohne Grenzen rangiert Usbekistan auf einem der hintersten Plätze Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch zufolge sitzen Tausende Oppositionelle, zivilgesellschaftliche Aktivisten und Journalisten im Gefängnis. Mehrere Berichte sprechen von systematischer Folter durch Polizisten, Gefängnismitarbeiter und Geheimdienstleute. Zudem wird durch Karimows autoritären Säkularismus die freie Ausübung von Religion behindert. Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung einen moderaten Islam praktiziert, stehen Moscheen unter strenger staatlicher Aufsicht. In den vergangenen Jahren häuften sich zudem Berichte, dass Minderjährigen der Zutritt zu Gebetshäusern versagt werde.
International berüchtigt wurde Karimow durch das Massaker von Andijan. In dem Ort im fruchtbaren und bevölkerungsreichen Ferghana-Tal an der Grenze zu Kirgisien wurden am 13. Mai 2005 zahlreiche Demonstranten von Polizei- und Militärkräften erschossen, die gegen die Inhaftierung von lokalen Geschäftsleuten und Korruption protestiert hatten. Mindestens 400 Menschen wurden getötet. Dissidenten aus dem Repressionsapparat sprechen von bis zu 1 500 Opfern. Die EU und die USA verhängten daraufhin Einreisesperren für usbekische Offizielle sowie Wirtschaftssanktionen gegen das Land. Die Hintergründe des Massakers sind bis heute ungeklärt. Vor Gericht gestellt wurde bislang keiner der Verantwortlichen.
Der neue Präsident Schawkat Mirsijojew stammt aus den Reihen des Regimes und dürfte kaum für neue politische Impulse sorgen. Während viele Beobachter und Analysten befürchtet hatten, dass nach Karimows Tod ein Machtkampf um seine Nachfolge ausbrechen und das Land in einen schweren internen Konflikt stürzen könnte, ist das Chaos bisher ausgeblieben. Der 59jährige Mirsijojew kündigte an, den isolationistischen Kurs seines Amtsvorgängers beizubehalten und keinem Militärbündnis beizutreten sowie keiner ausländischen Macht Truppenstützpunkte auf usbekischem Territorium zu gestatten. Gleichzeitig hob er das besondere Verhältnis zu Russland hervor und kündigte an, den außenpolitischen Schwerpunkt auf Beziehungen zu anderen ehemaligen Sowjetrepubliken zu legen.
Innenpolitisch dürfte er den repressiven Polizeistaat erhalten. Die biographischen und charakterlichen Parallelen zu Islam Karimow sind zumindest frappierend. Beide stammen aus Samarkand, sind Ingenieure und gelten als jähzornig und kontrollsüchtig. Als Gouverneur der Provinz Jizzax, in der er die auf Zwangsarbeit gestützte Baumwollernte organisierte, soll Mirsijojew nach einem Bericht des Internetportals Eurasianet.org dadurch aufgefallen sein, vermeintlich inkompetente Verwaltungsbeamte öffentlich verprügelt zu haben. Nicht weniger zimperlich könnte er künftig mit internen Rivalen umgehen. Finanzminister Rustam Asimow galt lange Zeit als möglicher Nachfolger Karimows und hat auch jetzt noch viel Einfluss in der Politik. Möglich, dass auch Asimow sich nach der Etablierung von Mirsijojew als Alleinherrscher bald einen neuen Job suchen muss. Auf den Baumwollplantagen Usbekistans werden immer helfende Hände gebraucht.