In Berlin bekamen Linke Drohbriefe, der Absender wird in Polizeikreisen vermutet

Besondere Vorkommnisse

Seite 2 – Hat ein Beamter die Daten an einen Dritten weitergegeben?

 

Ein Sprecher der Polizei gab auf Anfrage des Neuen Deutschland an, dass der Polizei die Veröffentlichung auf Indymedia bekannt sei, sie den Sachverhalt aber nicht beurteilen könne, weil ihr weder die Briefe noch Anzeigen vorlägen. Am Montag schließlich landete die Sache unter dem Tagesordnungspunkt »Besondere Vorkommnisse« im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Der Linkspartei-Abgeordnete Hakan Taş hatte beantragt, sich mit dem Vorfall zu beschäftigen. Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) teilte dem Ausschuss mit, dass dem Senat mittlerweile ein Schreiben bekannt geworden sei, »bei dem es sich offenbar um das in Rede stehende Dokument handeln könnte«. Das Fachkommissariat für Amtsdelikte des Landeskriminalamts ermittle nun, so Akmann, »insbesondere zur Verifizierung des Absenders und des Inhaltes«. Man sei sich noch nicht sicher, ob es sich um den gleichen Brief handelt. Das Schreiben, das dem Senat vorliegt, umfasst zehn Seiten – die Empfänger des Drohbriefs gaben an, es handle sich um neun Seiten.

Aus Senatskreisen erfuhr die Jungle World, dass einer der Anwälte der Betroffenen den Brief an die Behörden übergeben habe. Das LKA soll nun die Herkunft des im Brief verwendeten Bildmaterials klären. Das könnte über eine Datenbank geschehen, in der ­automatisiert protokolliert wird, wer wann auf welche Daten zugegriffen hat. Allerdings könnten Beamte auch im Rahmen ihrer Aufgaben die Daten legal abgerufen und sie dabei entwendet haben. Über die Farbkopien des Bildmaterials könnte zudem der verwendete Drucker ermittelt werden.

Taş wies während der Sitzung darauf hin, dass die Betroffenen kein Vertrauen in die Ermittlungsarbeit der Polizei hätten, da sie diese als Täter verdächtigten. Er warf die Frage auf, wie man grundsätzlich mit Fällen umgehe, bei denen die Betroffenen Sorge haben, dass Anzeigen sich nachteilig auswirken könnten. Akmann antwortete knapp: »Ich habe Vertrauen in die Polizei und diesen Rechtsstaat und deswegen sind solche Fälle auch von der Polizei zu bearbeiten.«

Taş will nun das Ergebnis der internen Ermittlungen abwarten. Neben ­einem Polizisten als Täter bestünde auch die Möglichkeit, dass ein Beamter die Daten an einen Dritten weitergegeben hat. Der Jungle World sagte der Politiker, wenn sich bewahrheiten sollte, dass Polizeibeamte an den Drohbriefen beteiligt sind, »muss es personelle Konsequenzen für die Personen und die Abteilung insgesamt« geben. Außerdem müsse sich dann auch die Leitungs­ebene einige Fragen gefallen lassen. June Tomiak, die für die Grünen im Innenausschuss sitzt, sieht es ähnlich: »Wenn da was dran ist, müssen der Innensenator und die Polizeiführung Konsequenzen daraus ziehen.« Es reiche aber nicht, nur die Täter zu belangen. Man müsse dann auch untersuchen, ob es Strukturen im Umfeld der potentiellen Täter gegeben habe, die solche Taten begünstigten, sagte Tomiak der Jungle World.

Bislang haben weder Taş noch Tomiak das Schreiben gesehen, das der Innenbehörde vorliegt. Beide konnten keine Angaben darüber machen, ob es sich um Originale handelt, auf denen sich Fingerabdrücke befinden, oder ob Teile des Briefes unkenntlich gemacht wurden. Taş wirbt dafür, dass die Empfänger Anzeige erstatten, um die Ermittlungen voranzubringen. Ob das die Bedenken der Betroffenen zerstreut, ist fraglich. Diese verwiesen in ihrer auf Indymedia veröffentlichten Stellungnahme auf Ähnlichkeiten zum »Cointelpro« genannten Programm des FBI, das sich in den fünfziger und sechziger Jahren gegen linke Parteien und Organisationen richtete, und die sogenannten Zersetzungstechniken der Stasi.