Das neue Album der britischen Band Shopping: »The Official Body«

Shopping immer, rückwärts nimmer

Die britische Punkband Shopping experimentiert auf ihrem neuen Album mit Mehrstimmigkeit und Synthesizern und versucht, ihrem ­politischen Selbstverständnis musikalisch Ausdruck zu verleihen.

Shopping, das sind Andrew Milk, Billy Easter und Rachel Aggs. Ein Powerpop-Trio, dass sich um das Jahr 2012 herum, ähnlich wie einst Throbbing Gristle, Soft Cell oder Crass im Dunstkreis der Kunsthochschule gründete und zunächst in der Musikszene von Dalston in London reüssierte. Nach dem zweiten Album »Why Choose« und dem Wegzug ihres Schlagzeugers, der nach Glasgow ging, hat das Trio im vergangenen Jahr den dritten Longplayer aufgenommen. Die räumliche Distanz zum Drummer Andrew Milk war für die Band eine fundamentale Veränderung, die sie in einem Interview beschrieben: »Als eine Band, die ihre Musik immer gemeinsam schreibt, ist es essentiell für uns, tatsächlich gemeinsam in einem Raum zu sein, bevor wir überhaupt anfangen, an Liedern zu arbeiten. Es kann ein wenig entmutigend sein, wenn wir alle auftauchen und nur einen gemeinsamen Nachmittag miteinander haben, um uns dann aus dem Nichts einen neuen Song auszudenken.«

»The Official Body«, so der Name des neuen Albums, strotzt vielleicht aufgrund dieser veränderten Produktionsbedingungen nicht mehr so vor Hits. Ihr Debüt »Consumer Complaints« konnte mit einer ganzen Vielzahl knackiger Songs die Szene­kenner und Musikenthusiasten durch die Bank verblüffen und überzeugen. Dieser Respekt hat Shopping von einer kleinen Indie-Formation zu einer auf größeren Bühnen in ganz Europa und den USA auftretenden Band gemacht.

Die Musik von Shopping ist eingängig. Bestimmend für ihren Sound ist das Gitarrenspiel von Aggs. Es ist simpel und neigt jedoch dabei durchaus zur Komplexität. Diese ambivalenten Momente, in denen sich das Einfache und das Komplexe treffen, machen die Songs auf »The Official Body« aus. Es sind diese Momente, die auch nach mehrmaligem Hören fesseln oder sogar erst nach dem dritten oder vierten Mal das Interesse wecken.

Aggs kann ganz sicher auch über das Gitarrenspiel hinaus für sich beanspruchen, den Kern der Band zu bilden. Doch wird ihre dominante Stellung auch gebrochen: So wechseln sich die Mitglieder bei Konzerten zwischenzeitlich an den Instrumenten ab, was das Bandgefüge weniger statisch erscheinen lässt. Die Auftritte wirken routiniert, was aufgrund der musikalischen Vorbildung auch nicht weiter verwundert: Aggs spielt seit ihrem dritten Lebensjahr Gitarre.

Stärker als auf den vorhergehenden Veröffentlichungen nutzt die Band nun ihre drei Stimmen. Es gibt nicht die eine Sängerin oder den einen ausschließlichen Sänger. Das wird schon beim ersten Song des Albums, »The Hype«, deutlich, zu dem bereits im vergangenen Oktober ein Video erschienen ist. Hier konkurrieren anfangs verschiedene Solostimmen miteinander, die einem Mantra ähnlich verschiedene Wortfetzen wiederholen, um dann gemeinsam den Chorus zu singen. Diese Vereinigung der unterschiedlichen Stimmen widerspricht der Erwartung an eine Band, die normalerweise nur einen Sänger hat. Die Stimme des Schlagzeugers Milk fand auf der ersten Platte noch wenig Verwendung, meist sang er nur im Hintergrund und verstärkte eine schon längst gesungene Strophe, indem er sie wiederholte. Auf der neuen Platte singt er bei fast jedem Lied. Eine ungewöhnliche Rolle für einen Schlagzeuger, der doch meist ganz buchstäblich im Hintergrund bleibt.

Auch experimentiert die Band jetzt mehr mit Instrumenten, die nicht zu einem klassischen Punk-Trio gehören, namentlich mit Synthesizern. Auf einer im vergangenen Jahr erschienenen EP, die aus Remixen von Shopping-Songs durch befreundete Bands bestand, kam schon allerlei Elektronik zum Einsatz. Davon wohl inspiriert setzen Shopping nun auch selbst Synthesizer ein.

 

Musik mit politischer Haltung

 

Zudem betont die Band immer wieder, wie wichtig ihr die Rezeption als Tanzmusik sei. Das darf durchaus als eine Auseinandersetzung mit dem Umstand gewertet werden, dass zu »Rockmusik« außerhalb von Konzertsituationen weit weniger getanzt wird als beispielsweise zu Techno. Wo dies noch passiert, dominiert konsensueller Mainstream, zu dem sich Shopping nicht zählen wollen. Dafür sprechen die Instrumente und Klänge, die gemeinhin unter »Weltmusik« rubriziert werden und sich in der Musik von Shopping finden lassen, zum Beispiel bei dem Song »Asking For A Friend«. Neben einer Reihe von Punk- und Post-Punk-Bands, wie The Ex und Sleater Kinney, nennt Rachel Aggs im Magazin Gal-dem die sogenannte »Rootsmusik« als eine Referenz für ihr eigenes Gitarrenspiel und musikalisches Schaffen. Eine Leidenschaft, der sie auch in einem eigenen Fanzine mit dem Titel »I Trust My Guitar« nachgegangen ist, in dem sie vor allem Musik aus Afrika vorstellte. Sie versammelte darin so unterschiedliche Künstler wie Francis Bebey und Group Inerane, die stärkere Anerkennung in der Weltmusikszene erfahren dürften, als zum Beispiel die transsexuelle angolanische Musikerin Titica.

Shopping verbinden mit ihrer Musik eine politische Haltung und haben des Öfteren Position bezogen.

Ihre Anliegen erstrecken sich von der Do-It-Yourself-Kultur (die auch in ihrem sehr simplen Instrumentenspiel anklingt) über queerfeministische Positionen bis hin zu gegenwärtiger Identitätspolitik von schwarzen Menschen. Dem politischen Selbstverständnis wiederum einen musikalischen Ausdruck zu verleihen, ist weder einfach noch selbstverständlich. Shopping behilft sich durch die Verwendung eines spezifischen musikalischen Mittels. Unter Musikern bekannt als »walking bass«, bestimmen vor allem die Rhythmusinstrumente den Sound des Songs »Wild Child«.

Durch das besondere Zusammenspiel von Schlagzeug und Bass entsteht bei den Hörern fast zwangsläufig das Gefühl, sich an einem Lauf zu beteiligen oder zumindest sich bewegen zu wollen.

Das Tempo wird nicht über die gesamte Strecke durchgehalten: Manchmal gerät man ins Stolpern. Zum Stehen kommt man allerdings nicht. Eine politische Allegorie in Tönen. Die Musik will mit den Mitteln der Vergangenheit (die meisten Songs klingen, als wären sie 1980 aufgenommen worden) eine bessere Zukunft einholen. Dass in der Musik verschiedene politische und historische Kontinuitäten existieren, versucht Shopping redlich darzustellen. Einen Zwischenstand, wie weit die Band damit gekommen ist bildet das neue Album »The Official Body«.

 

Shopping: The Official Body (Fat Cat Records)