Die deutsche Politik interessiert sich nicht für Kurden

Im Zweifel für Erdoğan

Seite 2 – Sigmar Gabriels Reaktion lässt die Türkei unbeeindruckt

 

Nav-Dem bezeichnet das Zeigen von Öcalan-Flaggen als Akt des zivilen ­Ungehorsams. Abdullah Öcalan sei eine Symbolfigur des Kampfes der Kurden für die Anerkennung ihrer Rechte. Auch auf Seiten des türkischen Staats herrsche die Einsicht, dass keine politische Lösung der kurdischen Frage ohne die Einbindung Öcalans möglich sei, gibt Nav-Dem zu bedenken: »Es steht also außer Frage, dass für eine friedliche Lösung des Konflikts in Kurdistan ­Abdullah Öcalan eine ähnliche Rolle zukommt wie Nelson Mandela bei der Überwindung des Apartheid-Regimes in Südafrika.«

 

Sein Amt diente Gabriel jedenfalls dazu, seine Position innerhalb der SPD zu sichern. Wie fast jeder Außenminister stieg auch Gabriel zu einem der beliebtesten Politiker auf.

 

In einer Erklärung reagierte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) auf den türkischen Angriff. Man sei nach wie vor sehr ­besorgt und setze sich gemeinsam mit Frankreich »dafür ein, eine weitere ­Eskalation zu stoppen, den humanitären Zugang zu ermöglichen und die Zivilbevölkerung zu schützen«. Dass sich die Türkei davon nicht beeindrucken lässt, ignoriert die Bundesregierung. »Gemeinsam mit Frankreich treten wir auch dafür ein, dass die Sicherheitsinteressen der Türkei Beachtung finden. Aber die Chance auf politische Verhandlungen für Frieden und Stabilität in Syrien ist da und darf nicht durch weitere militärische Auseinandersetzungen aufgehalten werden. Dies habe ich mehrfach der türkischen Regierung gegenüber deutlich gemacht«, sagte Gabriel weiter. Mag sein, dass die türkische Regierung einen Außenminister nicht ernst nimmt, den seine eigene Partei nicht einmal mehr zu Sondierungsgesprächen mitnimmt, oder dass sie festgestellt hat, dass das, was Gab­riel heute sagt, für ihn schon morgen keine Bedeutung mehr hat.

Sein Amt diente Gabriel jedenfalls dazu, seine Position innerhalb der SPD zu sichern. Wie fast jeder Außenminister stieg auch Gabriel zu einem der beliebtesten Politiker auf. Im Januar lag er sogar vor Angela Merkel (CDU) und Cem Özdemir (Grüne) auf Platz eins der Politherzensbrecher. Diese Popularität und die Dankbarkeit Frank-Walter Steinmeiers, der ohne seine Hilfe nie Bundespräsident geworden wäre, ­waren für ihn die beste Chance, die Bundestagswahl und einen SPD-Vorsitzenden Martin Schulz politisch zu überleben. Außenpolitische Linien oder eine Haltung hat er hingegen nie entwickelt. Dass der Konflikt mit der ­Türkei in seine Amtszeit fiel, ist Pech. Der überforderte und rückgratlose ­Außenminister sichert Verfolgten des Erdoğan-Regimes die Solidarität der Bundesrepublik zu, ohne diesem Versprechen Taten folgen zu lassen. In der Opposition fordete er die Senkung der Rüstungsexporte, um sie dann in der Regierung zu steigern. Die Bundes­regierung hält im Zweifel zu Erdoğan. Am Kampf ­gegen den IS hat man sich ohnehin kaum beteiligt. ­Außenpolitik ist für Deutschland Handelspolitik, und die Türkei kann für Waffen mehr auf den Tisch legen als die Kurden. Der Kampfpanzer Leopard 2 ist ein deutscher Exportschlager und kommt nun auch in Afrin zum Einsatz.

Während in Köln die kurdische ­Demonstration nach einigen Stunden aufgelöst wurde, protestierten 5 000 Kurden in London. Auch sie hatten Öcalan-Fahnen dabei. 20 Polizeibeamte sorgten dafür, dass sie sicher durch den sonnabendlichen Verkehr kamen.