Die SPÖ übt Kritik von rechts

Die rotbraunen Widersprüche der SPÖ

Seite 2 – Die SPÖ der Ära Kreisky

 

Und die Verwirrung hat damit kein Ende. Unter der Führung Bruno Kreiskys erlangte die SPÖ die absolute Mehrheit und leitete in den siebziger Jahren etliche große Reformen zur ­gesellschaftlichen Liberalisierung ein.

Der Sozialstaat wurde ausgebaut und mit Etablierung einer Frauenministerin holte man den Feminismus in den politischen Mainstream. Gleichzeitig war die Ära Kreisky auch jene, in der die seit Kriegsende stockende und stotternde Entnazifizierung krachend zum Stillstand kam und alte Naziseilschaften ganze Landesorganisationen der SPÖ übernahmen. Auf entsprechende Kritik angesprochen, soll Kreisky in privatem Rahmen gesagt haben, anders als mit Einbeziehung der zahlreichen ehemaligen Nazis könne man in Österreich keine Mehrheit gewinnen, und ehemalige Nazis seien ihm immer noch lieber als Neonazis oder Austrofaschisten. Tatsächlich hasste Kreisky, Sohn einer jüdischen Familie, die ÖVP als Nachfolgepartei der Christdemokraten, die einst die erste Diktatur in Österreich eingeführt hatten, noch ein bisschen mehr als ehemalige Nazis. Antifaschistinnen und ehema­lige Widerstandskämpfer mussten da die Köpfe einziehen. Wer allzu laut ­dagegen protestierte, dass ehemalige Nationalsozialisten nun mit rotem ­Parteibuch an entscheidende Schaltstellen der Republik kamen, galt als »Nestbeschmutzer« und konnte sich eine Karriere im staatsnahen Bereich abschminken.

 

Die Kärntner SPÖ griff Haider knapp zwei Jahre lang von links an. Umfragen deuteten auf eine erfolgreiche Taktik hin. Doch ­immer mehr SPÖ-Bürgermeister beschwerten sich bei der Parteizentrale über diesen Kurs. Das Argument lautete stets: »Die Leute wollen das nicht.«

 

Selbst in der jüngeren Geschichte war die SPÖ von derartigen Widersprüchen geprägt. In Jahr 2000 war Jörg Haider (FPÖ) im Bundesstaat Kärnten auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er hatte bei den Landtagswahlen im Jahr zuvor über 42 Prozent der Stimmen geholt und auf Bundesebene eine Koalition mit der ÖVP geschmiedet. Die Kärntner SPÖ orientierte sich neu und griff Haider knapp zwei Jahre lang von links an. Umfragen, in denen die SPÖ die FPÖ wieder überholte, deuten auf eine erfolgreiche Taktik hin. Doch ­immer mehr SPÖ-Bürgermeister beschwerten sich bei der Parteizentrale über diesen Kurs. Das Argument lautete stets: »Die Leute wollen das nicht.« Zu »den Leuten« gehörten nach dieser Lesart nicht jene 58 Prozent, die die Haider-FPÖ nicht gewählt hatten. 2002 feuerte man das Team, das für die ­offensive Oppositionsarbeit verantwortlich war, und die Kärntner SPÖ verlor bis 2013 jede Wahl im Land, während die FPÖ mit der kriminellen Pleite der Bank »Hypo Alpe Adria« das größte ­Finanzdesaster in der österreichischen Geschichte auslöste.

»Das wollen die Leute nicht«, das bekommen Kritikerinnen der bislang lahmen Oppositionsarbeit der Sozialdemokraten auch heute wieder von jenen SPÖ-Politikern zu hören, die für eine Annäherung an die FPÖ eintreten. Empirisch untermauern können diese ihre Sichtweise nicht. Bei den letzten Bundeswahlen schnitt die SPÖ in jenen Bundesländern und Bezirken, wo die Anhänger einer Öffnung nach rechts das Sagen hatten, schlechter ab als anderswo. Freilich haben SPÖ-Politiker mit Rechtsdrall mächtige Verbündete.

Die populäre Kronen-Zeitung protegiert die Rechten in der SPÖ ebenso wie einige Industrielle es tun. So wurde etwa der ehemalige SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer öfters in einem exklusiven Jagdschloss gesichtet, wo ansonsten nur Superreiche verkehren. Hundstorfer galt während seines aktiven Politikerlebens als Verbindungsmann zu den Rechten und zur Industrie, er schaffte unter Applaus der FPÖ und der Unternehmer die Invalidenrente ab, der härteste soziale Einschnitt seit Jahrzehnten. Dafür wurde er, als er 2016 als SPÖ-Kandidat bei den Wahlen zum Bundespräsidenten antrat, mit ­einem Ergebnis von elf Prozent der Stimmen abgestraft – das schlechteste Ergebnis, das je ein sozialdemokratischer Kandidat hatte.