Die Firma Cambridge Analytica soll Daten von Facebooknutzern zur Wahlmanipulation genutzt haben

Besser wählen mit Big Data

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Auch bei Emerdata bleibt Nix im Vorstand. Das an der gleichen Adresse wie SCL ansässige Unternehmen war im August 2017 von Julian Wheat­land, Vorstandsmitglied der SCL-Gruppe, gegründet worden. Kurz nach der Ausstrahlung der Channel-4-Recherchen zeigte sich, dass die Chefs und Geld­geber von Cambridge Analytica gar nicht daran denken, Konsequenzen aus dem Skandal zu ziehen: Mit Rebekah und Jennifer Mercer wurden zwei Töchter des US-Multimilliardärs Robert Mercer in den Vorstand berufen. Einen Monat zuvor waren nach Recherchen der US-Journalistin Wendy Siegelman enge Vertraute von Erik Prince zu Direktoren der Firma ernannt worden. Prince, der Gründer des Sicherheitsunternehmens Blackwater, hat gute Verbindungen nach Hongkong, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Kenia. US-Sonderermittler Robert Mueller untersucht derzeit ein von den Emiraten vermitteltes Treffen zwischen einem ­engen Mitarbeiter Putins und unter anderem Prince auf den Seychellen, bei dem Letzterer sich als Trump-Vertrauter vorgestellt habe.

Eigentlich hätte auch Stephen Bannon zum Kreis aussichtsreicher Emerdata-Kandidaten gehört, wäre er nicht kürzlich bei den Mercers in Ungnade gefallen. Der frühere »Chefstratege« Trumps und Aufsichtsrat von CA bestritt Ende voriger Woche zwar, vom Einsatz illegal gesammelter Facebook-Daten gewusst zu haben – Whistleblower Wylie bleibt hingegen dabei, dass Bannon jederzeit über die durch die Datensammlungen gegebenen Möglichkeiten informiert und als »Boss« von CA Nix gegenüber weisungsbefugt gewesen sei.

Bannon versucht nicht nur in den USA, sondern auch europaweit aktiv den Aufstieg rechtspopulistischer und faschistischer Parteien zu fördern – erst vor einigen Wochen traf er sich mit Vertretern von AfD und Front National. Zu Bannons wie Mercers Zielen gehört auch die Auflösung der EU. Entsprechend waren CA beziehungsweise Tochterunternehmen auf Seiten der »Brexit«-Befürworter aktiv, wie ein Whistleblower gerade dem britischen Observer erklärte. Der aus Pakistan stammende Ökonom Shahmir Sanni hatte Anfang 2016 als Praktikant bei der offiziellen EU-Austrittskampagne zu arbeiten begonnen, die unter an­derem vom heutigen Außenminister Boris Johnson und derzeitigen Umweltminister Michael Gove gegründet worden war. Im März 2016 wurde der damals 22jährige von einem der »Vote Leave«-Cheforganisatoren, Stephen Parkinson, gefragt, ob er für die ­Jugendorganisation »BeLeave« arbeiten wolle, die auf liberale junge Menschen zielte.

Kurze Zeit später wurde beschlossen, aus »Be Leave« ein eigenständiges ­Projekt zu machen – vermutlich um die für Kampagnen geltende Spendenhöchstgrenze in Höhe von sieben Millionen Pfund zu umgehen. Rund 700000 Pfund seien von »Vote Leave« versprochen worden, aber nie auf dem Konto der Organisation eingegangen, sagte Sanni; stattdessen sei das Geld über Umwege an die auf Datenanalyse spezialisierte kanadische Firma Aggregate IQ überwiesen worden, mit der Vote Leave zusammenarbeitete. Die britische Journalistin Carole Cadwalladr hatte bereits im Mai 2017 in ­einem Artikel für den britischen Guardian beschrieben, wie »eine globale Operation inklusive Big Data, Milliardärsfreunde von Trump und die ­Leave-Kampagne gemeinsam das EU-Referendum beeinflussten«. Aggregate IQ war wohl eine der Unterfirmen von CA; während der US-Wahl stellte sich heraus, dass das Unternehmen ausschließlich mit geistigem Eigentum von Robert Mercer arbeitete – um es für die EU-Austrittskampagne zu nutzen, war seine Zustimmung notwendig.

Umgehend wurde versucht, Shahmir Sanni zu diskreditieren. Stephen ­Parkinson, inzwischen Staatssekretär von Premierministerin Theresa May, schrieb in einem mittlerweile gelöschten Blogbeitrag, Sanni sei schwul und nicht über das Ende der Beziehung zwischen ihnen beiden hinweggekommen. Der Whistleblower sagte, dies sei wohl ein »letzter Versuch, mir Angst zu machen. Mein Coming-out hätte in dem Moment erfolgen sollen, den ich dafür auswähle – und nicht er oder die Regierung.« Sanni, Schatzmeister von »Be Leave«, kündigte an, weitere Beweise für seine Anschuldigungen vorzu­legen.