Diarey Mohammed, Direktor des Metro Center for Journalist Rights & Advocacy in Kurdistan, im Gespräch über Repression gegen Journalisten in Kurdistan

»Neuer Höhepunkt der Einschränkung der Pressefreiheit«

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Interview Von

 

Wie lange werden die Festgenommenen für gewöhnlich festgehalten?
Die Journalisten, die bei den zurückliegenden Protesten festgenommen wurden, wurden zwischen zwei und 18 Stunden festgehalten. Auch wenn sie am selben Tag wieder freigelassen wurden, waren elf von zwölf Festnahmen unrechtmäßig.

Können ausländische Journalisten ohne Schwierigkeiten ein- und ausreisen?
Seit dem Referendum im vergangenen Jahr versucht die irakische Regierung alles, um den Kontakt Kurdistans nach außen zu beschränken. Sie will nicht, dass kurdische Visa ausgestellt werden oder der Flughafen in Erbil betrieben wird. Sie will alles kontrollieren, auch die kurdischen Grenzen.Wenn man nun auf die offizielle Art einreisen will, kann es bis zu zwei Monate dauern, bis man ein irakisches Journalistenvisum erhält. Wenn man einen Antrag auf ein irakisches Visum stellt und sagt, man wolle in Kurdistan arbeiten, dann ist es nicht sicher, ob man ein Visum erhält. Aber wenn man sagt, man wolle nach Basra oder Bagdad, dann klappt es schon eher.

Man muss aber dazu sagen, dass es für ausländische Journalisten einfach ist, nach Kurdistan zu kommen und sich hier frei zu bewegen. Oftmals kommen Journalisten auch gleich zu uns, nachdem sie in Kurdistan eingereist sind, und wir bescheinigen ihnen, dass sie hier als Journalisten unseren Schutz genießen und legal arbeiten können.

Verhindern türkische Grenzbeamte die Einreise von Journalisten in die autonome Region?
Ja, es gab solche Fälle, besonders nachdem die Invasion in Afrin begonnen hatte. Die Türkei will verhindern, dass Europäer der YPG oder der PKK bei­treten.

Könnte es sein, dass die irakische Zentralregierung die Kontrolle über die Grenze übernimmt?
Das würde alles noch viel schlimmer machen. Aber es wird nicht passieren, dass die irakische Regierung die Grenzkontrolle wieder übernimmt. Denn das wäre auch nicht gut für sie. Es wäre zwar schlecht für die Kurden, aber eben auch schlecht für den Irak. Außerdem gab es die Vereinbarung, dass die Kontrolle des Flughafens in Erbil wieder in irakische Hände kommt und die Grenzübergänge dafür unter kurdischer Kontrolle bleiben.

Lässt sich absehen, wie die Proteste in der nächsten Zeit verlaufen ­werden?
Die Proteste werden weitergehen, denn die Leute kommen nicht zum Spaß, sondern um für ihre Rechte zu kämpfen. In der Vergangenheit war es jedoch häufig so, dass die regierenden Parteien sich in Proteste eingemischt und sie mehr oder minder übernommen haben. So wurden die Proteste letztlich wieder ruhiggestellt und die Leute konnten die Ziele, die sie anvisiert hatten, nicht erreichen. Es ist eine Situation, in der Menschen permanent ihre Rechte vorenthalten werden, egal ob sie protestieren oder nicht.

Was bedeutet das für die journalistische Arbeit?
Solange es Demonstrationen und ­Proteste gibt, wird es auch Fälle von Repression gegen Journalisten geben.

Wie lässt sich dieser Bedrohung entgegenwirken?
Wir versuchen auf jeden Fall, Journalisten und Sicherheitskräfte zusammenzubringen, um so ein besseres Verhältnis herzustellen. Zum Beispiel gibt es gemeinsame Kurse und Trainings, in denen Journalisten lernen, wie sie ungestört ihre Arbeit ausüben können. Davon abgesehen veröffentlichen wir unseren jährlichen Report über die Einschränkung der Pressefreiheit. Außerdem veranstalten wir eine jährliche Konferenz, zu der wir Verantwortliche von allen Seiten und politischen Parteien einladen, um ihnen unseren Bericht vorzustellen, Möglichkeiten für einen Austausch zu schaffen und zu diskutieren, wie man diese Verstöße gegen die Pressefreiheit verhindern kann. Allerdings machen wir das seit 2009 jährlich – und die Lage hat sich keinen Deut verbessert. Aber das Gute ist: Wir haben eine gute Beziehung zur Regierung, zur Polizei, zur PUK und sogar zur KDP, so dass manchmal ein Anruf genügt, um einen Journalisten wieder frei zu bekommen.