In der Flüchtlingspolitik kommt der französische Präsident Emmanuel Macron den Rechten in Europa entgegen

Hand in Hand gegen Flüchtlinge

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Die französische Regierung hat klargestellt, dass sie keine Aufnahmezentren errichten will, da das Land geographisch nicht in der »ersten Linie« der Einreisezone liege. An sich passt diese Haltung schlecht zu Macrons osten­tativ proeuropäischer Rhetorik. Am 22. Juni kritisierte er bei einer Ansprache im westfranzösischen Quimper den stärker werdenden nationalen Egoismus als »die Lepra, die sich ausbreitet«. Viele Linke und Liberale fanden es problematisch, dass der Präsident ein politisches Phänomen als Krankheit bezeichnet. Weitaus stärker aber wurde er von der extremen Rechten angefeindet, wo man sich seitdem in einer Umkehrung des Stigmas stolz und ­ironisch selbst als »leprös« bezeichnet und der EU eine Verbreitung der Krankheit verspricht.

Macron beklagte, dass einige EU-Staaten sich einer »gerechten Lastenverteilung« entzögen. Das gilt für die osteuropäischen Länder der so genannten Visegrád-Gruppe (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei), aber auch für die neuen Regierungen Italiens und Österreichs. Letztere spricht sich in einem inoffiziellen Papier, das für ein Expertentreffen der Mitgliedsländer der EU am 2. und 3. Juli in Wien vorbereitet worden war, dafür aus, dass Asylanträge künftig ausschließlich in diploma­tischen Vertretungen außerhalb der EU gestellt werden dürfen. Eine offizielle Abschaffung des Asylrechts auf europäischem Territorium ist zwar nicht vorgesehen, doch entfielen damit de facto sämtliche rechtlichen Verfahrensgarantien.

So weit geht die französische Staatsführung nicht. Allerdings stimmte sie Ende Juni den Gipfelbeschlüssen zu, die den Vorstellungen der autoritären Rechten sehr weit entgegenkommen, und übt sich längst in einer Strategie der Externalisierung der Migrationspolitik. Seit Dezember 2017 etwa prüft das französische Asylamt OFPRA Anträge für aus Libyen ausgeflogene ­Migranten auf dem Boden der mittelafrikanischen Staaten Tschad und Niger, was als Pilotprojekt dargestellt wird.

Zudem hat sich Macron den verbalen Angriffen auf die Seenotretter angeschlossen. Am 26. Juni ereiferte er sich über NGOs wie die deutsche Organisation Lifeline, die die Seenotrettung nicht der – wegen zahlreicher Menschenrechtsverletzungen berüchtigten – libyschen Küstenwache überlassen. Diese betrieben »das Geschäft der Schlepper«.

Eine Kriminalisierung der Seenotrettung dürfte jedoch nicht möglich sein, da das Verfassungsgericht am Freitag voriger Woche eine überraschende Entscheidung in der Tradition der Französischen Revolution traf. Das »Prinzip der Brüderlichkeit« habe Verfassungsrang, es verbiete die Strafverfolgung von Menschen, die aus uneigennützigen Motiven Migranten in einer illegalen Aufenthaltssituation helfen. Ein solches délit de solidarité (Solida­ritätsvergehen) beging in jüngerer Zeit eine wachsende Zahl von Migrantenhelferinnen und -helfern, vor allem im Alpenraum des französisch-italienischen Grenzgebiets.

Am Samstag traf der »Solidaritätsmarsch«, der drei Monate lang ehrenamtlich Engagierte von Ventimiglia an der Grenze Frankreichs und Italiens durch das ganze Land bis nach Calais führte, in der Stadt am Ärmelkanal ein. Wegen der Besetzung einer Fähre, die von Calais ins britische Dover fährt, wurden mehrere Dutzend Personen festgenommen. Am Dienstag befanden sich fünf von ihnen, die keinen Aufenthaltstitel haben, in Abschiebehaft. Auch dieses Vorgehen ist neu: In der Vergangenheit hatte die Staatsmacht auch unter konservativen Regierungen politische Protestaktionen von sans papiers (»Papierlosen«, illegalisierten Migranten) geduldet. 1997 konnte ihr damaliger Sprecher Ababacar Diop noch den konservativen Ministerpräsidenten Alain Juppé auf einer Buchmesse öffentlich zur Rede stellen. Mittlerweile weht ein rauerer Wind.