Die Rehabilitierung faschistischen Denkens

Altes Denken, neue Rechte

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Evola, der Nationalismus und Imperialismus als Formen der modernen Massengesellschaft kritisierte und der auch die katholische Kirche nicht mehr als Bollwerk gegen die Moderne gelten lassen wollte, setzte am Ende auf widerständige Einzelne, die sich illusionslos und geradezu stoisch dem ­Gedanken eines höheren geistigen Lebens verpflichten, um dadurch zu ­erproben, »inwieweit, dank einer inneren Unerschütterlichkeit und einer Ausrichtung nach dem Transzendenten hin, das Nicht-Menschliche der modernen realistischen und handlungsbesessenen Welt, statt ins Untermenschliche zu führen, wie es zum Großteil in der Letztzeit geschieht, Erfahrungen eines höheren Lebens und einer größeren Freiheit begünstigen kann«.

Evola, der sich am hinduistischen Kastensystem orientiert und einen Hauptgegensatz im Kampf des »männlich-­solaren« gegen ein »weiblich-lunares« Denken sieht, lässt seine Verfallsgeschichte mit dem Niedergang sakraler Herrschaft beginnen. Er hätte in der ungarischen Verfassung von 2011 wahrscheinlich die Anfänge einer »Kehre« gesehen, wird dort doch der »Heilige König Stephan« an herausragender Stelle beschworen und damit der ­Gedanke einer »heiligen«, also an eine »Transzendenz« geknüpften Vergemeinschaftung das Wort geredet.

Freilich scheint bei der Übernahme faschistischen Denkens zumal in Deutschland Vorsicht angebracht – hat doch hierzulande jedes rechtsradikale Denken erstmal damit zu kämpfen, sich der Nähe zum Nationalsozialismus zu erwehren, was sich etwa im Verhältnis zu Judentum und Anti­semitismus zeigt.

Während eine sich antiimperialistisch gebärdende Linke die Politik Israels nicht nur, teils auch zu Recht, kritisiert, sondern sie geradezu ­dämonisiert, wendet sich ein Teil der Neuen Rechten dem Judentum zu. Doch gibt es auch hier andere Stimmen: Karlheinz Weißmann vom »Institut für Staatspolitik« etwa verteidigt den evangelischen Theologen ­Notger Slenczka – der diskutiert, ob das jüdische Alte Testament in den christlichen Kanon gehört. Björn Höcke gab zu Protokoll, mit dem Begriff des »christlich-jüdisch geprägten Abendlands« nichts anfangen zu können.

Der Distanz zum Judentum wegen wird oftmals sogar die für die Abwehr des Islam gebrauchte Formel vom »christlich-jüdischen Abendland« geopfert und ein christlicher Staat propagiert. Tatsächlich tritt der neue Faschismus heutzutage oft als demokratischer Verteidiger des »christlichen Abendlandes« auf. Womit man bei ­Ungarn wäre, das bei der Entwicklung einer sozusagen moderaten Faschisierung eine Vorreiterrolle gespielt hat und weiterhin spielt. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban selbst propagiert die »illiberale Demokratie«. Tatsächlich beschwört die in Budapest im April 2011 beschlossene neue Verfassung in ihrer Präambel die christ­liche Nation und die Stefanskrone noch vor der Würde des Menschen und enthält Punkt für Punkt jenes Programm, dem sich die Neue Rechte in Europa verschrieben hat. Es handelt sich um eine Faschisierung neuen Stils – ­demokratisch in der Form, illiberal im Gehalt.
Das war das Programm des Staatsrechtlers Carl Schmitt, bevor er zum ­Propagandisten der Nazis wurde.