Die neue Serie von »Simpsons«-Schöpfer Matt Groening, »Disenchantment«

Keinen Bock auf Zwangsheirat

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Da sind der inkompetente Hofzauberer Sorcerio, der versucht, aus Elfos Blut das Elixier des Lebens zu destillieren, und der zynische Premierminister Odval, der in Abwesenheit des Königs zusammen mit dem Hofmagier pansexuelle Orgien in den Kellern des Schlosses veranstaltet. Da sind jene mysteriöse magische ­Geheimgesellschaft, die versucht, die Prinzessin durch Luci zu korrumpieren, eine alternde Feen-Prostituierte und der selbstverliebte Prinz Merkimer, der im Laufe der Handlung Sex mit nicht weniger als 30 Walrössern hat, die er für Sirenen hält. Merkimer erinnert an eine Fantasy-Version von Zapp Brannigan, dem inkompetenten Captain aus »Futurama«, was die Frage aufwirft, inwieweit Groening dann doch gerne auf das Receyceln von Archetypen zurückgreift.

Ganz kommt man nicht umhin, eine Fantasy-Parodie wie »Disenchantment« mit den Klassikern dieses Genres zu vergleichen, nämlich »Monty Python and the Holy Grail« und Terry Pratchetts »Scheiben­welt«-Saga, die allerdings als Fantasy-Parodie wie auch als Satire über den Zustand der Gesellschaft ohnehin so gut wie unerreichbar sind.
Während König Arthus in »Monty Python and the Holy Grail« von anarchokommunistischen Bauern darauf hingewiesen wird, dass die mythisierenden Rechtfertigungen der Monarchie ganz großer Blödsinn sind, wird die Herrschaft in »Disenchantment« nie als solche angezweifelt. In der ersten Folge der Serie spielt Bean Karten mit einem der heruntergekommen und schmutzigen Stadt­bewohner, die de facto nichts anderes sind als die Leibeigenen ihres Vaters. Man weiß, dass der Berg Gold auf dem Tisch für diesen armen Schlucker, der hier als Antagonist inszeniert wird, das Ende seiner Existenz im Dreck bedeuten wird; für Bean ist es jedoch bloß weiteres Taschengeld. Sie kann sich ihre Eskapaden erlauben, weil sie im Stand einer Prinzessin lebt. Dies Stereotyp wird in der Folge »Faster, Princess! Kill! Kill!«, die nebenbei mit einer ausgesprochen amüsanten »Hänsel und Gretel«-Interpretation aufwartet, zumindest ansatzweise gebrochen, als Bean einen Job annehmen muss und mit dem Elend und der Armut der Bewohner von Dreamland konfrontiert wird. Anders als Daenerys Targaryen, die ebenfalls platinblonde Prinzessin aus »Game of Thrones«, veranlasst sie diese Erfahrung jedoch nicht dazu, das Marterrad der Herrschaft zerstören zu wollen.

So wenig beispielsweise »Adventure Time«, »BoJack Horseman« oder »Rick and Morty« ohne die Serien von Matt Groening denkbar gewesen wären, so wenig ist »Disenchantment« ohne den radikalen Bruch denkbar, den diese Serien im Narrativ von Cartoon-Erzählungen voll­zogen haben. Inzwischen ist es zum Standard und Qualitätsmerkmal von Serien geworden, die Story über mehrere Folgen und Staffeln hinweg aufzubauen, anstatt in einer Episode abgeschlossene Geschichten zu erzählen; Netflix als Produzent hat maßgeblich dazu beigetragen.

Nach dem schlechten Altern von Serien wie »Die Simpsons« oder »Family Guy«, die auf dem Konzept von episodenhaftem Erzählen aufgebaut haben, war es eine richtige ­Entscheidung, die Narration von »Dis­enchantment« über zehn Folgen hinweg zu entwickeln: Man lernt die Charaktere und ihre Motivationen zu schätzen und erhält einen Einblick in die Welt Dreamland. Des Weiteren entwickeln sich die Witze, die bei den Simpsons leider ihre Komplexität weitestgehend verloren haben, nicht nur anhand der absurden Situationen, sondern maßgeblich aus den Beziehungen der Charaktere untereinander, was »Disenchantment« trotz des Zynismus der Protagonisten eine liebevolle, humoristische Wärme gibt, der man sich, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, schwer entziehen kann.

Während »Disenchantment« noch ein Stück von der Komplexität und Klugheit anderer Erwachsenen-Cartoons entfernt ist und sich besser für einen verkaterten Sonntag als für ausgefeilte Analysen eignet, kommt man doch nicht umhin, auf die nächste Staffel gespannt zu sein. Die Serie hat Potential. Es bleibt nur abzuwarten, ob sie dieses auch nutzt.