Hans, von der Königlich Bayerischen Antifa, im Gespräch über die kommende Landtagswahl und Strategien gegen rechts in Bayern

»Dialektik des Bierzelts«

Hans ist Mitglied der Königlich Bayerischen Antifa (KBA). Die Gruppe gibt ihren Sitz mit Schloss Neuschwanstein an. Das ist aber, wie die »Jungle World« durch Rückfrage bei der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen erfahren hat, offenbar ein satirischer Scherz. Im Kampf ­gegen Nazis und die Neue Rechte setzt die KBA auf den lokalen bayerischen Sinn für Humor. Mit Hans sprach die »Jungle World« über die Position der KBA zur kommenden Landtagswahl in Bayern und Strategien gegen rechts.
Interview Von

Hans, Sie sind Mitglied der Königlich Bayerischen Antifa (KBA). ­Welche Wahlempfehlung gibt die KBA für die bevorstehende Landtagswahl – oder plädiert sie klassisch anarchistisch für einen Wahlboykott?
Wir sagen: Weder CSU noch AfD wählen! Eine andere Wahlempfehlung gibt es von uns nicht. Als bayerische Anarchisten tun wir uns mit dem Wählen von Haus aus schwer. Aber diesmal gehen wir auf jeden Fall hin, weil wir es für nötig halten. Wir sind bei bayerischen Landtagswahlen Kummer gewöhnt, aber wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass es diesmal durch ein Wunder für eine Mehrparteienkoalition reicht, die CSU abgesetzt wird und die AfD in die Position einer marginalisierten Oppositionspartei gedrängt wird.

Die KBA stellt sich politisch als relativ breites Bündnis dar. Wie kann man sich die Zusammensetzung vorstellen?
Die KBA ist eigentlich ein Witz, der in den vergangenen vier Jahren ein ­bisschen eskaliert ist. Bei unserer Kerngruppe handelt es sich nur um eine Handvoll Leute, die über ganz Bayern verstreut sind. Zunächst sind wir also ein reines Internetprojekt, das allerdings im Laufe der vergangenen Jahre ­Hunderte Unterstützer gewonnen hat.

Wo sind Ihre regionalen Schwerpunkte?
Die meisten Genossinnen und Genossen wohnen in Regensburg und in München, ansonsten sind wir recht gleichmäßig über Bayern verteilt. ­Franken ist ein bisschen spärlich vertreten – wir hoffen immer noch darauf, dass sich die freie fränkische Antifa noch gründet –, genauso das bayerische Schwaben bis auf Augsburg.

»Der bayerische Patriotismus hat das Potential zu einem guten Patriotismus, weil er sich bewusst ist, dass er ein Witz ist.«

Kommen wir zum Thema Strategie und Taktik. Wie darf man Ihre Verwendung folkloristischer Elemente verstehen? Handelt es sich dabei um einen Versuch, etwa die rechtsextreme Identitäre Bewegung (IB) in ihrem eigenen Spiel zu schlagen?
Sowohl die Agitation der Identitären als auch der Mobilisierungserfolg von Pegida in Bayern Ende 2014 waren der Anlass, die KBA zu gründen. In mancher Hinsicht ist unsere Rolle in der radikalen Linken Bayerns sogar vergleichbar mit der, die die IB in der extremen Rechten hat – nämlich die eines Scharniers zum bürgerlichen Lager. Inhaltlich machen wir aber nur scheinbar das Gleiche wie die IB.

Die meinen das, was sie da machen, ja tatsächlich ernst. Sie kon­struieren sich aus der bayerischen, und vielmehr noch der deutschen Geschichte ein Zerrbild von Kultur, Identität und Heimat, während unser Ansatz ein sati­rischer ist. Wir versuchen, die Heimat schon ernst zu nehmen, und unser ­Augenzwinkern dabei ist nicht einem Distinktions­bedürfnis geschuldet, sondern ist vielmehr im bayerischen Patriotismus selbst angelegt. Der baye­rische Patriotismus hat das Potential zu einem guten Patriotismus, weil er sich bewusst ist, dass er ein Witz ist.

Während es also der rechte Umgang ist, eine ethnische Identität zu konstruieren und als Tradition darzustellen, gehen Sie genau umgekehrt vor?
Ja, wir glauben nicht, dass wir durch unser Vorgehen quasi unbewusst völkisch-nationalistische Narrative reproduzieren, sondern im Gegenteil diesen ganzen Gedanken von Identitätskonstruktion über Heimat, Volk oder Kultur ad absurdum führen.

Sie haben das Oktoberfest nun auch als Agitationsfeld erschlossen. Wie kam es dabei zur Kooperation mit der Riederinger Trachtengruppe?
Wir haben die Riederinger auf der Großdemonstration »#ausgehetzt« in München getroffen und waren recht begeistert von ihren Demoslogans wie »A Maß statt Hass!«, »Grantl’n – Ja! Hetz’n – nein!«. Wir sind dann in Kontakt geblieben und haben in Absprache mit ihnen und mit Hilfe von zwei Bekannten, die Bedienungen auf dem Gäubodenfest sind, Buttons mit diesen Sprüchen angefertigt und auf zahlreichen bayerischen Volksfesten verteilt. Das Ziel war, in das Bierzelt als politische Arena einzudringen. Auch wenn das nur eine vergleichsweise kleine Geste war, hat es doch den Münchner Vizebürgermeister und Wiesn-Chef Josef Schmid (CSU) dazu veranlasst, zu ­behaupten, die Wiesn sei ein politikfreier Ort. Das ist besonders lächerlich angesichts dessen, dass die CSU seit 60 Jahren nichts anderes macht als Bierzeltpolitik.

Sie versuchen also, den Rückstand der Linken im Kampf um die kulturelle Hegemonie aufzuholen. Aber eignet sich die Wiesn überhaupt dazu oder geht sie nicht vielmehr gänzlich in ihrer Funktion als Ort der repressiven Entsublimierung auf?
Es ist eine ambivalente Sache. Ich meine, es war Lenins Ehefrau, die einmal ­gesagt hat, dass sie sich besonders gern an das Münchner Hofbräuhaus erinnere, weil das gute Bier alle Klassenunterschiede verwischt habe. Der Alkohol und das gemeinsame Feiern können durchaus ein Katalysator für eine vor­revolutionäre Stimmung sein. Auch ist gerade das Oktoberfest ein sehr internationales Fest und das Granteln über die jeweilige Obrigkeit über die Bierbank hinweg ist so etwas wie eine Vorstufe zur internationalen Solidarität.

Sie würden also der Kritik des verwalteten Exzesses die Dialektik des Bierzelts entgegenhalten?
Ganz genau.

Als Hauptquartier gibt die KBA das Schloss Neuschwanstein an. Ist nicht König Ludwig II. zumindest auf den zweiten Blick gar kein schlechter Patron für ein antifaschistisches Projekt? Immerhin fand er keinen Gefallen an Krieg und war, obwohl Wagner-Fan, ­­gegen den Antisemitismus. Welche Position bezieht die KBA zum Monarchismus und, damit verknüpft, zum bayerischen Separatismus?
»Königlich« ist vermutlich der Teil unseres Namens, der am wenigsten ernst gemeint ist, der Bezug auf ­König Ludwig II. ist eher symbolischer Natur. Wie Sie schon erwähnten, war er als Monarch sicher eine besondere Figur. Er war sehr feinsinnig, sowohl an Kunst als auch am technischen Fortschritt interessiert, und auch das Wohl seiner Untertanen lag ihm am Herzen. Aber niemand von uns ist überzeugte Monarchistin oder überzeugter Monarchist. Wir sind weder Separatisten noch wollen wir ein autonomes oder unabhän­giges Bayern – wir wollen nur ein nazifreies Bayern.

Demnach sind auch keine Kooperationen mit der Bayernpartei zu erwarten?
Aus diesem und auch anderen Gründen nicht. Wobei wir sogar eine Handvoll Unterstützer aus der Bayernpartei haben. Aber die Bayernpartei ist wie die CSU eine sehr konservative Partei. Da gäbe es selbstverständlich erst einmal einige politische Gräben, die man überspringen müsste. CSU-Mitglieder gibt es unter unseren Unterstützern hingegen keine. Es gibt irgendwo in Oberbayern einen Kreisrat, der uns ganz sympathisch findet. Mit dem versucht man immer wieder mal, ein bisschen ins Gespräch zu kommen. Aber da sich die CSU in Bayern gerade von einer rechtskonservativen zu einer neurechten Partei entwickelt, ist es für uns ­derzeit schwierig, mit CSUlern zusammenzuarbeiten. Wir wollen aber nicht in Abrede stellen, dass es da und dort auch ein paar anständige, wertkonservative CSU-Mitglieder gibt.