Wie die EU die US-Sanktionen ­gegen den Iran umgehen will

Bezahlen auf Umwegen

Mit dem eigens geschaffenen Unternehmen Instex will die EU Sanktionen der USA gegen den Iran umgehen. Das Projekt dürfte unter anderem an der Unfähigkeit des iranischen Regimes scheitern, eine seriöse Partnerorganisation zu schaffen.

Die Unterschiede in der Einschätzung des Iran könnten kaum größer sein. Das iranische Regime sei die größte Bedrohung der Stabilität in der Region und das Atomabkommen gefährlich, urteilt das US-Außenministerium. Das Abkommen mit dem Iran habe nur eine unzureichende Sicherheit für kurze Zeit geboten und dem iranischen Regime die finanziellen Mittel verschafft, seinen »unheilvollen« Einfluss in der Region auszuweiten. Ganz anders die Sichtweise im deutschen Auswärtigen Amt: Hier sieht man das Atomabkommen als Garanten für Stabilität. Die Probleme des Abkommens, wie das Auslaufen der meisten Beschränkungen im kommenden Jahrzehnt, werden freilich nicht erwähnt, die aggressive Außenpolitik des Iran in der Region wird weitgehend ignoriert – von der Menschenrechtssituation im Land kein Wort.

Der Handel mit der islamistischen Diktatur ist vor allem ein politisches Projekt. Die meisten Firmen haben sich seit August vorigen Jahres aus dem Iran-Geschäft zurückgezogen.

Die divergierenden Bewertungen führen zu einem offenen Konflikt in der Iran-Politik. Während die USA den iranischen Einfluss in der Region durch »maximalen ökonomischen Druck« zurückdrängen wollen und die Geld­quellen für die Revolutionsgarden, die Hizbollah und weitere vom Iran ­geführte Milizen in der Region auszutrocknen versuchen, behandelt die ­deutsche Politik das iranische Regime weiter als Partner und sucht nach ­Wegen, die US-Sanktionen zu umgehen.

Sich den Handel mit der islamistischen Diktatur offenzuhalten, ist vor allem ein politisches Projekt. Die meisten Firmen haben sich seit August vorigen Jahres aus dem Iran-Geschäft zurückgezogen, denn die Sanktionen der USA richten sich seither auch gegen nichtamerikanische Firmen, die mit dem Iran Geschäfte machen. Im ersten Quartal 2019 sanken die deutschen Exporte in den Iran im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent.
Gegen die US-Sanktionen kann die EU kaum etwas ausrichten. Die EU-Kommission reaktivierte zunächst ein sogenanntes »blocking statute« aus dem Jahr 1996, das danach nicht zur Anwendung kam und es europäischen Firmen verbietet, sich an die US-Sanktionen zu halten. Es verspricht Firmen, die in den USA Strafzahlungen leisten müssen, Entschädigungen. Diese Zu­sagen reichen für große internationale Unternehmen jedoch nicht aus, da der US-Markt weit bedeutender als das Iran-Geschäft ist.

Das »Instrument in Support of Trade Exchanges« (Instex) soll Handel mit dem Iran dennoch ermöglichen. Über Instex soll der Zahlungsverkehr für Iran-Geschäfte so abgewickelt werden, dass man Forderungen europäischer und iranischer Unternehmen miteinander verrechnet, ohne dass ein Zahlungsverkehr über die iranische Grenze stattfindet. So vermeiden private Banken das Risiko von US-Sanktionen. Der Iran kann über Instex zum Beispiel Öl oder andere Produkte ausführen. Der europäische Importeur soll seine Rechnung nicht beim iranischen Lieferanten bezahlen, sondern bei einem europäischen Exporteur, der Waren in den Iran verkauft. Iranische Exporteure wiederum bekommen ihr Geld von iranischen Importeuren. So weit die Theorie.

In der Praxis ist bisher über das im Februar gegründete Unternehmen Instex kein einziges Iran-Geschäft abgewickelt worden. Man arbeite »mit Hochdruck« daran, Instex zu »operationalisieren«, heißt es aus dem Aus­wärtigen Amt. Der über Instex abgewickelte Handel soll zunächst auf huma­nitäre Güter beschränkt werden. Dazu ist die Einführung eines besonderen Zahlungskanals aber gar nicht notwendig, denn medizinische und humanitäre Güter sind von den US-Sanktionen ausgenommen.

Es ist bisher nicht gelungen, eine Instex entsprechende Institution auf iranischer Seite aufzubauen, die internationalen Regularien genügt. Das vom Iran geplante »Special Trade and Finance Institute« ist eng mit der iranischen Zentralbank verbunden, die wegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung auf der US-Sanktionsliste steht. Auch die Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF), eine internationale Institution zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Rahmen der OECD, stuft den Iran als »nicht kooperierendes Hochrisikoland« ein. Die deutsche Bankenaufsicht Bafin schreibt deutschen Banken deshalb vor, die Herkunft von Geldern bei Iran-Geschäften genau zu klären. Solche aufwendigen und kostspieligen Prüfungen müsste auch Instex vornehmen, was ein weiteres Hindernis für das Iran-Geschäft darstellen dürfte.

In diesem Monat will die FATF darüber entscheiden, ob der Iran mit Strafmaßnahmen belegt werden soll. Dort streitet man darüber, wie mit den Anforderungen der FATF umzugehen ist. Ali-Akbar Velayati, einer der wichtigsten Berater des Obersten Führers Ali Khamenei, forderte eine »Politik des Widerstands« gegen die Vorgaben der FATF, da diese die »Kampagnen gegen den Zionismus« in Palästina und im Libanon behinderten. Außenminister Javad Zarif sprach sich für Maßnahmen gegen Geldwäsche aus. Der Streit kam vor den Schlichtungsrat, der in der vorigen Woche beschloss, Gesetze gegen Geldwäsche zu implementieren. Über die Frage, wie mit der Terror­unterstützung umzugehen ist, soll in dieser Woche diskutiert werden.

Es ist unklar, wie der Streit ausgehen wird. Während es beim Umgang mit Geldwäsche zwei Lager in der iranischen Führung gibt, sieht dies bei der Unterstützung terroristischer Gruppen anders aus. Erst im Februar 2019 traf sich der im Westen als moderat geltende Außenminister Zarif in Beirut mit Mitgliedern der Hizbollah, der Hamas und des Islamischen Jihad. Der Vorschlag des Regimes, Gruppen, die gegen eine »fremde Besatzung« sowie gegen »Kolonialismus und Rassismus« vorgehen würden, von der Terrorbekämpfung auszunehmen, wurde selbst von der EU nicht akzeptiert.

Instex scheitert also letztlich an der Ideologie des Regimes: dem aggressiven Export der »islamischen Revolution« und dem Plan, Israel zu zerstören. Solange sich die EU an ihre eigenen Regularien hält, wird der Ringhandel selbst auf europäischer Ebene nicht funktionieren. Relevant kann das ­Projekt allerdings werden, wenn andere Mächte ins Spiel kommen, deren Handelsbilanz mit dem Iran ausgeglichener ist. Anfang des Monats hat Russland ­Interesse angemeldet. Wenn Instex funktionsfähig wird, könnte davon auch die russische Wirtschaft profitieren, die ebenfalls unter US-Sanktionen steht. Dies macht deutlich, dass Instex prinzipiell die Partnerschaft mit ­aggressiven Diktaturen und Autokratien fördert.

Das iranische Regime hat bisher immer nachgegeben, wenn der Druck von außen groß genug wurde. Nur starke Sanktionen behindern seine aggressive Politik, Zugeständnisse machen das Regime hingegen stärker. Instex ist ein Versuch Deutschlands und der EU, ­einen Ausweg für das Regime zu finden, der aber wohl an dessen Weigerung scheitern wird, seinen ideologischen Zielen zu entsagen.