Steffen Hess über die Chancen und Risiken der Digitalisierung ländlicher Regionen

»Digitalisierung ist kein Selbstzweck«

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Stehen denn gar keine wirtschaftlichen Interessen hinter dem Projekt »Digitale Dörfer«?
Von unserer Seite aus nicht. Wir sind als gemeinnütziger Verein organisiert. Beim derzeitigen Modell entscheidet sich eine Region, dass sie einen bestimmten digitalen Dienst möchte und dann dazu einen Beitrag leistet. Das geschieht aber nicht aus einer Gewinnerzielungsabsicht. Wir versuchen, dabei zwischen den zentralen Institutionen und Akteuren, Politik und Verwaltung, Bewohnern und Vereinen und den ­Unternehmen vor Ort zu vermitteln, um gemeinsam eine Strategie zu ent­wickeln, wie man die Region als ganze voranbringen kann. Gerade die Unternehmen im ländlichen Raum haben häufig Probleme, qualifizierte Arbeitskräfte zu akquirieren. Sie haben auch ein Interesse daran, dass die Region ­attraktiver wird. Unsere digitalen Lösungen können dabei eine Stellschraube sein. Deswegen haben wir im Moment viele Regionen, die unsere Dienste nutzen und das durch Sponsoring eines lokalen Unternehmens finanzieren.

Birgt die digitale Vernetzung Ihrer Meinung nach auch Potentiale ­politischer Einflussnahme für die Bevölkerung?
Die Projekte, die wir machen, sind ­immer auch Projekte sozialer Innovation. Natürlich gibt es Werkzeuge wie beispielsweise die App Dorffunk, die in gewisser Weise eine politische Einflussnahme und auch Mitbestimmung der Menschen ermöglicht. Das funktioniert dort sehr gut, wo die lokale Verwaltung und die Einwohner an einem Strang ziehen.

Könnte die App Dorffunk in einer Region, in der 30 bis 40 Prozent der Menschen AfD wählen, einen rechtsextremen Resonanzraum ­erzeugen?
Grundsätzlich stellen wir Technologie bereit, die sehr klare Nutzungsbedingungen hat. Jedoch ist zunächst offen, wer die Dienste nutzt.

Kann denn dann ausgeschlossen werden, dass im Dorffunk rassistische Filterbubbles entstehen?
Es ist in der App nicht erlaubt, persönliche Daten von Dritten zu verwenden oder sich verletzend und diffamierend zu äußern. Im Dorffunk kann grundsätzlich jeder Nutzer auch eigene Beiträge schreiben. Die anderen Nutzer können Beiträge melden, die ihrer Meinung nach gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen. Wir machen jede Woche einen Vergleich des Umgangstons im Dorffunk mit klassischen sozialen Netzwerken. Dadurch, dass dieser aufgrund des dörflichen Rahmens weniger anonym ist, ist der Umgangston wesentlich netter als bei Twitter oder Facebook.