Kulturzentrum »Gabriela Mistral« in Santiago de Chile

Kein schöner Bau

Der Militärjunta unter General Pinochet diente es als Regierungssitz: Das chilenische Kulturzentrum »Gabriela Mistral« sorgt auch 47 Jahre nach seiner Fertigstellung wegen seiner Geschichte für Kontroversen.

Olla común im Kulturzentrum Gabriela Mistral – diese Ankündigung klang nach einer kleinen Sensation.Übersetzt bedeutet olla común so viel wie »Volksküche«. Das Kulturzentrum Gabriela Mistral im Herzen von Santiago de Chile, das viele einfach Gam nennen, hat nicht unbedingt den Ruf einer Suppenküche. Die Vernissagen und Premieren in dem monumentalen Veranstaltungsort sind exklusiv, zumeist bleibt der Kunstbetrieb dort unter sich. Und so entpuppte sich die angekündigte Volksküche dann auch als PR-Gag für geladene Gäste, eine exklusive ­Demonstration der Volksnähe mit Biertischen, Zeitzeugen und Politikern. Die Tageszeitung Mercurio berichtete am nächsten Tag wohlwollend über die Veranstaltung, das Gebäude habe endlich seine Geschichte wiederentdeckt. Dabei hatte das konservative Blatt im Jahr 2006 noch Prominente mobilisiert, um dafür zu werben, das Gebäude abreißen zu lassen. Denn für die Rechte ist und bleibt es ein unbequemer Ort, Stein gewordenes Zeugnis und Versprechen eines »anderen Chile«.

Im März 1971 machte Präsident Salvador Allende bei einer Kundgebung auf dem Platz der Verfassung eine etwas kryptische Ankündigung. »Ich möchte Ihnen noch mitteilen, dass Chile die Ehre hat, Gastgeber der nächsten Weltkonferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, der UNCTAD III, zu sein.« Der chilenische Architekt Miguel Lawner gehörte damals zu den Zuhörern in der Menge. »Niemand hatte den leisesten Schimmer, was diese Ansage bedeuten sollte«, erinnert sich der heute 81jährige.

In Chile herrschte damals große Euphorie. Nach dem Wahlsieg des linken Bündnisses Unidad Popular 1970 sollte ein eigener Weg des ­demokratischen Sozialismus erprobt werden. Die bürgerlichen Institutionen wurden gewaltlos, aber konsequent umgebaut. Die Regierung verstaatlichte den Bergbau und kollektivierte landwirtschaftliche Flächen. Schulkinder erhielten gratis einen halben Liter Milch am Tag. Der soziale Wohnungsbau wurde vorangetrieben, Armenviertel bekamen die nötige Infrastruktur – ­ins­gesamt eine Mammutaufgabe, an der auch Lawner planerisch beteiligt war.

Mit der Ausrichtung der dritten UNCTAD-Konferenz hatte sich der ­sozialistische Präsident Salvador ­Allende ein neues ehrgeiziges Ziel gesetzt. In nur einem Jahr sollte ein modernes Gebäude für die Konferenz entstehen. Mehr als 3 000 Delegierte aus aller Welt wurden erwartet. Der Architekt Miguel Lawner dachte damals: »Der Arme, dem diese Aufgabe zufällt, ist wirklich nicht zu beneiden.« Bereits am nächsten Tag durfte er sich selbst bedauern.