Andreas Malm, Humanökologe, im Gespräch über Klimawandel und rechte Politik

»Das fossile Kapital muss verschwinden«

Andreas Malm forscht an der Universität Lund in Schweden am Institut für Humanökologie und engagiert sich seit fast 20 Jahren bei antifaschistischen Protesten und in der Klimagerechtigkeitsbewegung. 2016 ­veröffentlichte er das Buch »Fossil Capital: The Rise of Steam Power and the Roots of Global Warming« (Verso). Mit Studierenden, Kolleginnen und Kollegen ­gründete Malm das Zetkin Collective, das seit 2018 zur Klima- und Energiepolitik rechtsextremer Parteien in ­Europa forscht. Die Ergebnisse sollen nächstes Jahr im Buch »White Skin, Black Fuel: On the Danger of Fossil Fascism« veröffentlicht werden.
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In Ihrer Arbeit untersuchen Sie Positionen rechter Parteien zum Klimawandel. Welche Unterschiede gibt es zwischen den Parteien?

Das Abstreiten des Klimawandels ist die vorherrschende Position unter den Rechten, insbesondere global gesehen. Das Handeln der rechten Regierungen hat enorme Auswirkungen auf den Planeten, man denke etwa an die Abholzung des Regenwalds in Brasilien oder die Klimapolitik der USA. Die aggres­sive Förderung fossiler Brennstoffe gehört zum Programm dieser Rechten. Aber es gibt eine Minderheitenposition, die die ökologische Krise als real und den Klimawandel als menschengemacht ansieht. Und diese präsentiert eine wenig überraschende Lösung: Grenzen zu schließen, Einwanderung zu stoppen, Nichtweiße abzuschieben und eine autarke Wirtschaft aufzubauen.

Warum unterscheiden sich die beiden Positionen so stark?

Diese Minderheitenposition zieht sich beispielsweise fast durch die gesamte französische Rechte. Was unterscheidet diese von der AfD, die den Klimawandel fast durchweg leugnet? Eine einfache Erklärung wäre, dass Frankreich nicht über große Kohlebergwerke verfügt. Aber das erklärt nicht, warum die Schwedendemokraten große Klimawandelleugner sind. In Schweden gibt es keine Kohlebergwerke und keine Produktion fossiler Brennstoffe. Eine andere Erklärung wäre, dass in der französischen Rechten die Erzählung vom »Großen Austausch« ihren Ursprung hat, die ­besagt, dass »globalistische Eliten« die »weiße Rasse« mit Hilfe von Migrationsströmen verdrängen wollen. Klimawandelleugnung passt nicht in diese Erzählung. Was besser passt, ist die Vorstellung, dass Ausländer kommen und »unser« Land und »unseren« Planeten zerstören.

Die französische Rechte vertrat aber nicht immer diese Position.

Vor nicht allzu langer Zeit leugnete die rechte französische Partei Front National unter Jean-Marie Le Pen den Klimawandel. Mit seiner Tochter Marine Le Pen änderte sich die Position der Partei (seit Juni 2018 Rassemblement National, Anm. d. Red.). Die niederländische Partei Forum voor Democratie dagegen akzeptierte früher die Erkenntnisse der Klimawissenschaft, mittlerweile tut sie das jedoch nicht mehr. Die Wahren Finnen bewegen sich zwischen den Positionen. Viele sind der Ansicht, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Rechte die Leugung aufgibt, denn der Klimawandel wird unbestreitbar werden. Aber da bin ich nicht sicher. Die Rechte könnte auch weiterhin ­zwischen verschiedenen Positionen wechseln.

Welche ideologische Rolle spielt der Klimawandel für die Rechte?

Die Vorstellung einer industriell hart arbeitenden, Wohlstand erzeugenden Männlichkeit ist oft an Autos, Kohle und Öl gebunden und ist auch Teil rechter Ideologien. Zudem wird die Rechte oft durch eine Art Schuldabwehr angetrieben. Klimagerechtigkeit ist verbunden mit der Vorstellung, dass die Menschen in Europa in der Vergangenheit ein großes Unrecht begangen haben und ihre Lebensweise ändern müssen. Das wird die extreme Rechte in Europa nie akzeptieren. In ihrer Erzählung sind die weißen Europäer die Opfer, da andere Menschen kommen, um ihre Länder zu übernehmen. Aber es gibt weitere psychologische und politische Mechanismen, so dass ich keine erschöpfende Antwort habe.

Auf globaler Ebene wurde auf den Klimawandel mit multilateralen Prozessen und Verträgen reagiert. Sie sagen, dass in diesen Zeiten, nach UN-Klimagipfeln wie in Kyoto 1997 und Paris 2015, der Nationalstaat eine größere Rolle spiele. Wie beurteilen Sie die Rolle des Nationalstaats unter den sich ändernden Umständen?

Bis zum Klimagipfel in Kopenhagen 2009 gingen wir davon aus, dass es bald ein internationales Abkommen mit verbindlichen Emissionsreduk­tionen für alle Länder geben würde. Die Frage war, wie wir diese Kürz­ungen verteilen wollen. Wer wird sie vornehmen? Das ist nach Kopen­hagen einfach völlig zerfallen. Beim Gipfel in Paris wurde dann endgültig festgelegt, dass es keine obligatorischen Emissionssenkungen geben wird. Jeder Nationalstaat darf selbst entscheiden, was er tun will. Diese Entwicklung hat auch bewirkt, dass es der ­Klimaschutzbewegung in jedem Land überlassen wurde, ihre Regierung zu ­einer ehrgeizigeren Klimapolitik zu drängen. Und genau da müssen wir kämpfen. Aber auf längere Sicht wird eine Art globaler Umgang mit dieser Krise notwendig sein. Wir können das nicht einfach dem Nationalstaat überlassen.

Welchen Herausforderungen müssen sich linke Bewegungen angesichts der voranschreitenden Klimakrise stellen?

Wir können nicht ausschließen, dass Menschen nach Europa ziehen, weil ihre Länder unter Wasser stehen oder ihr Überleben dort durch Hitze und Dürre bedroht wird. Dann wird die Rechte sagen, dass diese Menschen aufgehalten werden müssen. Antifaschisten und linke Bewegungen müssen sich auf diesen Moment vorbereiten und über Argumente und Rhetorik sowie über Strategien und Taktiken zur Bekämpfung der Rechten in einer solchen Krise nachdenken. Wir als Antifaschisten und Antirassisten sowie Aktivisten für Klimagerechtigkeit müssen darauf bestehen, dass offene Grenzen die einzig vernünftige Antwort auf die Klimakrise sind. Das könnte ein harter Kampf gegen die Rechte in unseren Ländern werden.

Können Sie skizzieren, wie es aussähe, wenn die extreme Rechte den Klimawandel ernst nähme?

Wenn immer mehr Menschen als Folge der Klimakrise von Ressourcenknappheit betroffen sein werden, wird es viel Wut gegen jene Menschen geben, die in reichen Ländern Zugang zu diesen Ressourcen haben. Aber diese werden ein Interesse daran haben, diesen Zorn auf ein anderes Ziel umzuleiten. Und die Rechte wird sehr gerne dieses andere Ziel angreifen, nämlich Migranten. Das rechte Narrativ wird sein, dass genug Wasser und Land für alle da wäre, wenn zum Beispiel in Deutschland nur Weiße leben würden. Aber das ist nur Spekulation. Auch in einer Klimakrise wird das Ergebnis vom politischen Kampf bestimmt. Nichts davon ist vorgegeben.

Welche Rolle spielen Kapitalinteressen im Zusammenhang mit der Klimakrise und der anhaltenden Rechtsentwicklung?

In vielen Fällen ist es ganz offensichtlich, dass die Industrie der fossilen Brennstoffe eng mit der Rechten verbunden ist. US-Präsident Donald Trump wird offensichtlich vom Öl- und Gaskapital unterstützt. Aber auch in Brasilien, in Norwegen oder in Polen bestehen solche Verbindungen. Es bestehen zwar keine direkten Verbindungen zwischen der Kohleindustrie und der AfD, doch die AfD vertritt das materielle Interesse der Kohleproduzenten in Deutschland. Damit die Klimakrise bewältigt werden kann, muss das fossile Kapital verschwinden. Es darf keine Ölgesellschaften mehr geben, keine Gasgesellschaften, keine Kohlegesellschaften. Der Rest des Kapitals steht vor ­einer strukturellen Krise. Computer beispielsweise werden vermutlich aus nachhaltigen Ressourcen stammen. Es ist nicht deren Existenz als solche, die in der Klimakrise in Frage gestellt wird. Es ist die Art und Weise, wie wir die Dinge handhaben. Diese Unterscheidung bedeutet, dass das fossile Kapital am meisten zu verlieren hat. Es ist also der aggressivste Verteidiger des business as usual. Das ist ein Grund, warum es anfällig für eine Zusammenarbeit mit der Rechten ist.

Welche Rolle spielen Kolonialismus und Rassismus für das fossile Kapital?

Von Anfang an war die fossile Wirtschaft mit imperialen Beziehungen vermischt. Es ist unmöglich, die Verbreitung des Verbrennungsmotors zu verstehen, ohne die europäische Ausbeutung ­armer Länder zu betrachten. Diejenigen, die heutzutage am stärksten unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden, sind vor allem arme Nichtweiße in den Ländern der Peripherie. Und diejenigen, die sich einigermaßen erfolgreich anpassen können, sind meist wohlhabende weiße Menschen im globalen Norden. Der Rassismus besteht ­weiter und verhindert, dass Menschen, die unter der Klimakrise leiden, in den nächsten Jahrzehnten in Sicherheit flüchten können. Es ist ein sehr komplexes Thema und über die rassistische Dimension der Klimakrise gibt es bisher nur sehr wenig Forschung. Auch linke Bewegungen haben erst in jüngster Zeit begonnen, sich damit zu beschäftigen. Klimagerechtigkeit ist zwar schon seit langem Teil unseres Diskurses, aber die eindeutig rassistische Dimension der Klimakrise wurde nicht wirklich dis­kutiert. Das müssen wir nachholen, weil die Rechte so mächtig ist und die Dinge wirklich schnell vorantreibt. Wir haben also eine Menge Arbeit vor uns.