Im Gespräch mit Stephan Trüby über rechte Räume

»Der Wunsch, eine bessere deutsche Geschichte zu erschaffen«

Mit der These, die Neugestaltung der Altstadt von Frankfurt am Main gehe auf die Initiative eines Rechtsextremen zurück, löste der ­Architekturtheoretiker Stephan Trüby 2018 eine Debatte über Ideologie in der Architektur aus. Jetzt ist sein Buch »Rechte Räume« erschienen, das die Rekonstruktionsarchitektur als Medium völkischer Politik deutet.
Interview Von

Sie beschäftigen sich mit geschichtsrevisionistischen Aussagen zur Kultur im Allgemeinen und zur Architektur im Besonderen. Gibt es einen rechten Architekturstil?

Lieber spreche ich da von rechten Räumen, die sich allerdings nicht an einem bestimmten Stil erkennen ­lassen. Eine genuin rechte oder faschistische Architektur im stilistischen Sinne gibt es in meinen Augen gar nicht. Unter rechten Räumen verstehe ich politisch rechts konnotierte Orte, die durch Handlungen, Nutzungen und Zuschreibungen ­entstehen – das schließt auch ein, dass man dort verprügelt oder ge­tötet werden kann. Ideologisch wichtig für rechte Räume ist ihre Bezugnahme auf eine mythische Vergangenheit mit ständisch-feudalen Gesellschaftsordnungen und vermeintlich natürlichen Geschlechterrollen. Für die deutsche Rechte heißt das vor allem eine positive Bezugnahmen auf die Reichsidee und ihre Repräsentanten.

Können Sie ein Beispiel für einen rechten Raum geben?

Das Anwesen des neonazistischen Liedermachers Frank Rennicke im oberfränkischen Unterhartmannsreuth beispielsweise. Die frühere Dorfschule ist umgeben von einem Glacis aus weiten Feldern und steilen Böschungen. Das Anwesen wurde zusätzlich mit Sichtschutzzäunen und braunen Schiffscontainern gesichert. Über hohen Bäumen wehen Fahnen, eine davon bekundet »Atomkraft? Nein danke«. Als sensibilisierter Beobachter ist man an diesem Ort sofort in Habachtstellung: Ist der Mann, der in einem alten olivgrünen Kübelwagen durch das Dorf rattert, wirklich nur ein harm­loser Schrauber? Oder gehört er doch zum Milieu jener Menschen, die in Autos mit Variationen von »18«- oder »88«-Kenn­zeichen zu einer Party der robusteren Art gen Rennickes Anwesen fahren? Sie merken, ich argumentiere sehr stark über die ­Dimension der Performanz und nur manchmal auch über das gebaute Artefakt.

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