Leipziger Doppelkopf
1312 ist der Zahlencode für »All cops are bastards«, und so wird alle Jahre wieder der 13. Dezember als »ACAB-Tag« ausgerufen. Dieser bietet manchen Linken einen willkommenen Anlass, ihrer Abneigung gegen die Polizei Ausdruck zu verleihen. So kam es in Leipzig am Montag vergangener Woche zu einer nächtlichen Spontandemonstration. Sie führte durch das einzige Leipziger Viertel, das man als migrantisch geprägt bezeichnen kann; dort kommt es regelmäßig zu rassistischen Polizeikontrollen. Bei der Demonstration wurden Bengalos gezündet und Autos beschädigt, ein paar Mülltonnen brannten. Im Zuge der Mini-Riots wurde auch die Eyüp-Sultan-Moschee, die zum Islamverband Ditib gehört, mit Steinen angegriffen, dabei wurden mehrere Fensterscheiben zerstört. Nun wird, nicht nur in Leipzig, heftig darüber diskutiert.
Wenn Rechte Moscheen angreifen, wollen sie symbolisch alle »Ausländer« angreifen – Migrantinnen, ob muslimisch oder nicht, verstehen diese Drohung. Ein Angriff wie der in Leipzig trägt zu diesem Bedrohungsszenario bei.
Die einen sehen den Angriff als Beweis für den »antimuslimischen Rassismus« der angeblich die Leipziger Szene beherrschenden Antideutschen. Andere Linke kritisieren zwar den Angriff, genauso aber die Verharmlosung der Ditib in den Reaktionen. Denn der türkisch-nationalistische, islamistische Verband gilt als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner AKP, weshalb ihn insbesondere kurdische Linke hierzulande als politischen Feind betrachten – und bisweilen auch angreifen. Das dürfte auch in Leipzig die Motivation gewesen sein.
Allerdings sollte man auch die sächsische Komponente bedenken. Bereits 2016 gab es in Dresden einen Bombenanschlag auf eine Ditib-Moschee. Der Täter handelte aus rassistischen Motiven und war bei Pegida als Redner aufgetreten. Wenn Rechte Moscheen angreifen, wollen sie symbolisch alle »Ausländer« angreifen – Migrantinnen, ob muslimisch oder nicht, verstehen diese Drohung. Ein Angriff wie der in Leipzig trägt zu diesem Bedrohungsszenario bei. Derzeit marschieren jede Woche an Dutzenden Orten in Sachsen Tausende Rechte auf und proben den völkischen Umsturz. Was denkt wohl die migrantische Bevölkerung, wenn nachts ein vermummter Mob durch ihr Viertel zieht, ihre Autos demoliert und eine Moschee attackiert?
Dass türkische Rechte oder Anhänger des Islamismus hierzulande einer rassistisch bedrohten Minderheit angehören, heißt nicht, dass man sie von Kritik ausnehmen sollte. Denn es wäre auch eine Form von Rassismus, sie nicht als handelnde Subjekte ernst zu nehmen. Politische Praxis muss aber die gesellschaftlichen Verhältnisse berücksichtigen, in der sie stattfindet. Dazu gehört auch, dass in Leipzig viele Gläubige, darunter auch viele Geflüchtete, aus Mangel an anderen Möglichkeiten diese Moschee nutzen, ohne die Ideologie der Ditib zu teilen. Auch sie werden sich nun bedroht fühlen. Andererseits stellen türkisch-nationalistische und islamistische Strukturen eine Bedrohung insbesondere für Migranten dar, die sich nicht ihrem Weltbild beugen wollen oder aus anderen Gründen unter ihre Feindbilder fallen. Die Eröffnung reaktionärer Moscheen geht oft mit einem Kampf um kulturelle Hegemonie im Viertel einher. Das zu ignorieren, lässt wiederum davon Betroffene im Stich. Es bleibt kompliziert.
Während die Linke noch über Rassismus, Islamismus und die richtige Form der Praxis diskutiert, detonierte in der Nacht zu Freitag ein extrem lauter Böller vor dem Connewitzer Stadteilladen Linxxnet, der zugleich das Büro der Landtagsabgeordneten Juliane Nagel (Linkspartei) ist, außerdem wurden zwei abgetrennte Schafsköpfe und eine Nachricht mit Bezug auf die Moschee vor dem Laden abgeworfen. Auch das linke Kulturzentrum Conne Island wurde mit Böllern angegriffen. Zuvor waren Racheakte für den Angriff auf die Moschee angedeutet worden. So hatte der Leipziger Rapper Omik K. auf Instagram einen vier Jahre alten Zeitungsbericht über Schüsse aufs Linxxnet gepostet, zusammen mit dem Spruch »Habt nix gelernt was«. Dabei hatte sich Nagel als eine der ersten von dem Angriff auf die Moschee distanziert, jedoch auch Kritik an Ditib geäußert. Während sie nun angekündigt hat, das Gespräch zu suchen, werten andere die Angriffe auf linke Läden als Beweis, dass es bei der Moschee durchaus die Richtigen getroffen habe. Und so geht die Diskussion in die nächste Runde.