Small Talk mit Armin Bohnert vom Berufsverband »Polizeigrün« über den Umgang der Polizei mit den Coronaprotesten

»Verbote sollten die ultima ratio bleiben«

Derzeit sammeln sich wieder wöchentlich Tausende Menschen in verschiedenen Städten, um gegen die Coronapolitik zu demonstrieren. Die »Jungle World« sprach mit Armin Bohnert, dem Vorstand des ­Berufsverbands »Polizeigrün«, über den Umgang der Polizei mit den Coronaprotesten.
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In vielen Städten gelingt es der Polizei nicht, Auflagen oder ­Verbote bei den Coronaprotesten durchzusetzen. Was ist einsatztaktisch das Problem bei diesen Versammlungen?

Bei verbotenen Aufzügen hat man das Problem, dass man das Verbot auch durchsetzen muss – das wird bei einer größeren Menge von Menschen schwierig. In München (am 22. Dezember, Anm. d. Red.) haben sich aus der Demonstration heraus viele kleine Aufmärsche entwickelt – das zersplittert die polizeilichen Kräfte. Ein herkömmlicher angemeldeter Protestzug lässt sich noch lenken. Was München angeht, hatte ich zumindest aus der Ferne den Eindruck, dass es zu wenig Einsatzkräfte für eine Versammlung dieser Größe und mit diesen Aktionsformen gewesen sind.

Bei vielen dieser Demons­trationen verhält sich die Polizei auffällig zurück­haltend. Wieso?

Das Einschreiten der Polizei bei linken Demonstrationen halte ich auch häufig für zu hart. Hartes Einschreiten ist aber bei »Querdenken«-Demonstrationen nicht richtiger. Pfefferspray und Schlagstöcke will doch niemand auf Versammlungen sehen. Falls es zu Gewalt von Versammlungsteilnehmern kommt, kann es aber sein, dass man um diese Mittel nicht herumkommt.

Einige Polizisten hegen Sympathien für die »Querdenken«-­Bewegung. Wirkt sich das auch auf das Einsatzgeschehen aus?

Man gewinnt den Eindruck, dass es gerade in den östlichen Bundesländern solche Sympathien gibt. Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle Kollegen ihre persönlichen Einstellungen im Einsatz ausblenden. Es wäre ja fast schon ungewöhnlich, wenn sich das nicht bemerkbar machte. Aber leider wissen wir zu wenig über die politischen Einstellungen von Polizisten und Polizistinnen. Deshalb fordert unser Berufsverband seit Jahren eine wissenschaftliche Untersuchung dahingehend.

Es gibt eine Art Ritual auf »Querdenken«-Demonstrationen: Die Masse skandiert in Richtung der Polizei: »Helme ab«, häufig befolgen die Polizeibeamten das dann tatsächlich. Wieso?

Das soll der Deeskalation dienen. Ob in einem bestimmten Moment zu dieser Taktik gegriffen wird, entscheidet der Einsatzleiter. Falls Kollegen so etwas ­eigenverantwortlich machen, wäre das allerdings sehr bedenklich.

Ob eine »Querdenken«-Demonstration verboten wird, scheint in der Praxis nahezu bedeutungslos. Was müsste passieren, ­damit irgendjemand solche Verbote ernst nimmt?

Ich halte nichts von Versammlungsverboten. Aber wenn es nicht anders geht, muss man diese Verbote konsequent durchsetzen. Was die Signalwirkung angeht, ist der Zug allerdings wohl abgefahren. Verbote sollten trotzdem die ultima ratio bleiben. Auf diesen Demonstrationen sind auch Menschen, die uninformiert oder einfach unzufrieden mit der Coronapolitik sind. Deshalb würde es mich freuen, wenn man etwas nüchterner an die Situation rangeht. Das bedeutet aber auch, Einsätze von Beginn an konsequent zu ­leiten, als letztes Mittel auch mit Zwang.