Wie die Profiligen mit Covid-19-Infizierten verfahren wollen

Das Virus spielt mit

Der Profisport hat kein einheitliches Prozedere dafür, wie mit Athletinnen und Athleten nach einer Covid-19-Infektion zu verfahren ist.

Ende Januar beschlossen Bund und Länder in einer gemeinsamen Konferenz, dass es in den deutschen Profiligen weitgehend bei Geisterspielen oder Partien mit reduzierten Zuschauerzahlen bleiben soll. Dass die im Profisport derzeit geltenden Coronamaßnahmen nicht gelockert wurden, sorgte für großen Unmut, insbesondere bei den Fußballfunktionären. »Wir werden uns die Beschlüsse des Landes NRW genau anschauen und prüfen, ob wir sie im Eilverfahren kontrollieren lassen«, sagte beispielsweise der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, Hans-Joachim Watzke, nach der Ministerpräsidentenkonferenz in der vorigen Woche.

Watzke, der bereits im Dezember zum neuen Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Deutschen Fußball Liga (DFL) gewählt wurde und dieses Amt am 11. Februar antreten soll, versucht mit seinen Aussagen, Druck auf die politisch Verantwortlichen auszuüben, damit diese die Zuschauerkapazitäten stark erhöhen. Auch Funktionäre anderer Sportarten verändern die Tonlage. »Bei uns in der Halle sind die Zuschauer geboostert und mit Maske sicherer, als wenn ich zum Einkaufen oder in die Apotheke gehe«, sagte der Manager der Volleyballmannschaft Berlin Recycling ­Volleys, Kaweh Niroomand, der DPA, ohne seine Behauptung zu belegen. Den Unterschied ums Ganze, nämlich dass ein Gang zum Supermarkt oder in die Apotheke lebensnotwendig ist, der Besuch eines professionellen Sportevents dagegen nicht, nehmen solche Lobbyisten schon längst nicht mehr zur Kenntnis. Und schon gar nicht berücksichtigen sie, dass die Supermarkt- oder Apothekenkundschaft nicht stundenlang laut singend und einander herzend in einem Laden verweilt.

»Wir müssen damit leben, dass wir zum Neustart auch infizierte Spieler haben werden. Das wird der neue Normalzustand sein.« Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga

Einem Bericht der »Tagesschau« zufolge äußern »etliche Vertreter im Profisport« inzwischen »die Vermutung, dass die Politik den Sport bei ihren Coronamaßnahmen benutzt«. Angeblich soll gegenüber dem professionellen Sport eine gewisse Härte gezeigt werden, die überhaupt nicht nötig wäre. »Die politischen Entscheidungen haben sich an vielen Stellen von der Faktenlage abgekoppelt, und das wird einem – nicht offiziell, aber im direkten Gespräch – auch deutlich gesagt: dass es nicht mehr um Logik, sondern um Politik und Symbolik geht, weil bei Sportveranstaltungen sogenannte Bilder entstehen«, raunte beispielsweise Philipp Walter, Geschäftsführer der ­Kölner Haie, in der Süddeutschen ­Zeitung.

Etwas bedeckter halten sich derzeit die Verantwortlichen der Handball-Bundesliga (HBL). Bei der diesjährigen Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei haben sich zahlreiche Spieler mit Covid-19 infiziert – allein im deutschen Team gab es 16 Fälle. Nach der Rückkehr der Nationalspieler in die Mannschaften ihrer jeweiligen Clubs besteht in diesen eine erhöhte Gefahr, weswegen für Spiele Anfang Februar strengere Regeln gelten. Partien dürfen nun schon abgesagt werden, wenn sechs Feldspieler oder zwei Torhüter einer Mannschaft positiv getestet wurden.

»Wir müssen damit leben, dass wir zum Neustart auch infizierte Spieler haben werden. Das wird der neue Normalzustand sein«, sagt Frank Bohmann, der Geschäftsführer der HBL. Auf die Nachfrage der Jungle World, ob die Verantwortlichen der wichtigsten deutschen Profiligen einen Überblick haben, wie viele Spielerinnen und Spieler sich in ihren Ligen mit Covid-19 infiziert haben, reagierten weder die DFL noch die HBL. Die Hockey-Bundesliga oder die Handball-Bundesliga der Frauen ­beispielsweise führen keine Statistik über solche Fälle. Andere Profiligen sind da transparenter.

Nach Angaben der Basketball-Bundesliga (BBL) mussten in dieser Saison bisher zwölf Spiele verlegt werden, was nahezu identisch mit dem Verlauf der Vorsaison sei. Fünf Teams waren bisher komplett in Quarantäne. Im Gespräch mit der Jungle World verweist der Sportliche Leiter der BBL, Jens Staudenmayer, darauf, dass die Quote der vollständig geimpften Personen, Spieler inklusive Funktions­teams, bei über 99 Prozent liege. Die Boosterquote betrage über 75 Prozent, sagt er. Die Infektionsquote sei deutlich geringer als in der Gesamtbevölkerung, die Impfquote weitaus höher.

In den Volleyball-Bundesligen der Frauen und Männer wurden von den 1 034 Spielerinnen bis Mitte Januar 58 positiv auf das Coronavirus getestet. Sechs bis sieben Fälle pro Team vermeldete die Deutsche Eishockeyliga (DEL). Um langfristige Schäden durch eine Infektion mit Covid-19 zu verhindern, hat die DEL zusammen mit Ärzten und anderen Ligen einen speziellen Algorithmus zur Rückkehr in den Spielbetrieb entwickelt. Die Bundesligen der Frauen und Männer im Volleyball beziehen sich hingegen auf einen vom Wissenschaftsrat der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) und der medizinischen Kommission des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) verfasstes Positionspapier mit dem Titel »Return to Sport«.

»Grundsätzlich können wir die ­Risiken nicht abschätzen«, sagt Kevin Herzog, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Handball-Bundesliga der Frauen, im Gespräch mit der Jungle World; eine Infektion wirke sich »von Fall zu Fall unterschiedlich« aus. Selbstverständlich sei die Rückkehr in den Spielbetrieb nur nach entsprechender ärztlicher Untersuchung möglich. Eine Erhebung zu diesem Thema liegt aber bislang nicht vor. Einen normierten Ablauf hinsichtlich des Vorgehens bei der Reintegration in den Profisport nach einer Infektion mit dem Coronavirus scheint es nicht zu geben. Die deutsche Basketballliga hat ihr Protokoll für die Rückkehr zum Training und zum Spielbetrieb zusammen mit Ärzten und der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), des größten Trägers der gesetzlichen Unfallver­sicherung, entwickelt.

Die Einschätzung solcher Fälle ist nicht einfach, da medizinische Details selten öffentlich bekannt werden. Trotzdem wurden bereits schwere Krankheitsverläufe bei Spielern und Spielerinnen bekannt, zum Beispiel beim Torhüter von Hertha BSC, Rune Jarstein. Der ehemalige norwegische Nationaltorhüter, der auch Norwegens Fußballer des Jahres 2018 war, infizierte sich im April 2020 mit dem Virus und musste zeitweise in einer Klinik behandelt werden. »An den ersten Tagen im Krankenhaus konnte ich nicht einmal Fußball auf dem iPad schauen«, berichtete er. Die durch die Covid-19-Infektion ausgelöste Herzmuskelentzündung zwang ihn, fast ein halbes Jahr auszusetzen. Dem französischen Mittelfeldspieler Jonathan Schmid vom SC Freiburg erging es ähnlich. Wegen eines schweren Krankheitsverlaufs musste auch er mehrere Monate Zwangspause ­einlegen.

Bisher am meisten Aufsehen erregte der Fall des Eishockeyspielers Janik Möser. Der Profi des DEL-Clubs Grizzlys Wolfsburg hatte nach einem positiven Covid-19-Test im Herbst 2020 nur leichte Symptome. Nach vier Tagen fühlte sich der damals 25jährige wieder fit. Zehn Tage Quarantäne und einige negative Tests später erklärte er sich bereit, wieder ins Training einzusteigen. Kurz bevor es so weit war, entdeckte das Ärzteteam seiner Mannschaft jedoch beim Belastungs-EKG eine Auffälligkeit. Möser wurde für weitere Untersuchungen in die Berliner Charité und zu einem Kardiologen geschickt. Letzterer fand heraus, dass sich der Spieler eine Herzmuskelentzündung zugezogen hatte.

Die Vereinigungen der organisierten Fans wünschen sich ebenso wie die Vertreter der Profiligen ein baldiges Ende der derzeitigen Einschränkungen. Gleichzeitig kritisieren sie deren Auswüchse. »Man muss schon sehen, dass dem Profifußball während der Pandemie zeitweise Möglichkeiten eingeräumt wurden, die anderen Veranstaltern versagt waren«, sagt der Pressesprecher von »Pro Fans«, Sig Zelt, der Jungle World. Wenn dann Vereine »ungeimpfte Spieler auf Reisen schicken, während für Zuschauerinnen 2G-plus-Regeln gelten«, werde es problematisch.

Zudem herrscht unter den Fans bei weitem keine Einigkeit. So weist Jost Peter von der Initiative »Unsere Kurve« im Gespräch mit der Jungle World darauf hin, dass die Bewertung der »verschiedenen Verordnungen oft sehr unterschiedlich« aus­falle. Das reiche vom »wohlbegründeten ›Alle oder keiner‹ der Ultra­bewegung bis zur Klage über Geisterspiele«.