Die Karriere des kürzlich verstorbenen NPD-Politikers Peter Marx

Tod eines Multifunktionärs

Der kürzlich verstorbene Peter Marx hat die NPD lange entscheidend geprägt. Doch zuletzt wollte seine Partei nichts mehr von ihm wissen. Die Geschichte einer Nazi-Karriere, die im politischen Nichts endete.

Das öffentliche Interesse war gering, als der langjährige NPD-Politiker Peter Marx Anfang August im Alter von 65Jahren nach langer und schwerer Krankheit verstarb. Sogar seine eigene Partei meldete sich zunächst überhaupt nicht zu Wort und datierte dann auf ihrer Website den Todestag falsch. Zu der Beerdigung des ehemaligen NPD-Generalsekretärs reiste lokalen Antifaschisten zufolge keinerlei Parteiprominenz ins Saarland.

Auf den ersten Blick verwundert die geringe Anteilnahme der rechtsextremen Kameraden. Mit Marx verliere die Partei »einen der wenigen, der in der Lage war, strategisch zu denken«, sagt die Fraktionssprecherin für antifaschistische Politik der sächsischen Linkspartei, Kerstin Köditz, der Jungle World. Der Saarländer war bereits als Jugendlicher den Jungen Nationaldemokraten (JN) beigetreten, deren Bundes­organisationsleiter er schließlich wurde. Er kandidierte erfolgreich für das Amt des Bundesvorsitzenden des Nationaldemokratischen Hochschulbunds (NHB) und wurde 1989 Fraktionsgeschäftsführer der Partei in der Stadt­verordnetenversammlung von Frankfurt am Main. Kurz darauf, noch vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepu­blik, zog er nach Leipzig und beteiligte sich an der Gründung des sächsischen Landesverbands der NPD.

In seinem saarländischen Landes­verband wurde Peter Marx 2005 vorgeworfen, er arbeite für den Verfassungsschutz.

Der Studienabbrecher sei »einer, der nur von der Partei leben konnte«, gewesen, meint Köditz. Das Amt des NPD-Fraktionsgeschäftsführers übte er, wie zuvor in Frankfurt am Main, auch von 1994 bis 1997 in Darmstadt-Dieburg und ab 2004 in Sachsen aus, wo der NPD gerade – erstmals seit 1968 – der Einzug in einen Landtag gelungen war. In dieser Position sei er, so Köditz, »neben dem später tödlich verunglückten Uwe Leichsenring die treibende Kraft im sächsischen Landtag« gewesen. 2005 hob Die Welt in einem Artikel das »tak­tische Geschick und die organisatorische Straffheit« von Marx hervor. Er verkörpere »wie kein anderer, was neu ist an der NPD«. Damals erlebte die NDP eine Art Höhenflug; als »soziale Heimatpartei« buhlte sie erfolgreich um die Gunst ostdeutscher Wähler. Marx koordinierte im Hintergrund die tagtägliche Arbeit, hielt die Verbindungen zwischen den Landtagsabgeordneten sowie den Mitarbeitern und war für die strategische Ausrichtung der Fraktion verantwortlich.

Allerdings machte sich Marx unter seinen rechtsextremen Parteikameraden nicht nur Freunde. Die ersten Risse wurden 2005 sichtbar. In seinem saarländischen Landesverband wurde ihm vorgeworfen, für den Verfassungsschutz (VS) zu arbeiten beziehungsweise die Anwerbung von Mitgliedern durch den Inlandsgeheimdienst zu befürworten. Otfried Best, Stadtrat für die NPD in Völklingen, sagte damals dem Saarländischen Rundfunk, dass Marx dem Verfassungsschutz Kameraden zugeführt habe. Doch der damalige Bundesvorstand hielt zu dem Beschuldigten. »Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen, aber es gibt keinen Grund, an Peter Marx zu zweifeln«, ließ der damalige Parteisprecher Klaus Beier wissen.

2006 gelang der NPD auch der Einzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Und Marx wechselte als Geschäftsführer und Pressesprecher der NPD-Fraktion dorthin. Gemeinsam mit dem in der 1994 verbotenen neonazis­tischen Wiking-Jugend sozialisierten Udo Pastörs baute er die neue Landtagsfraktion auf. In den folgenden Jahren verstrickte sich die rechtsextreme Partei in diverse Machtkämpfe, an deren Ende die Abwahl des langjährigen Vorsitzenden Udo Voigt im Jahr 2011 stand. Auch daran war Marx im Hintergrund beteiligt. Die daraufhin von Holger Apfel geführte Parteispitze entsprach mit dem Konzept der »radikalen Seriosität« dann auch eher den nationalrevolutionären Vorstellungen des Saarländers.

Interne Gegner der neuen Parteiführung beförderten Apfel allerdings bereits nach zwei Jahren endgültig aufs parteipolitische Abstellgleis. Kurz darauf folgte auch Peter Marx – wegen einer Posse, die als »Peniskuchen-Affäre« bekannt wurde. Bei seiner Geburtstagsfeier im Jahr 2014 hatte eine Pornodarstellerin Marx einen Kuchen in Form eines männlichen Glieds überreicht. Kurz ­darauf trat der Saarländer von seinem Amt als Generalsekretär der NPD ­zurück.

Aber die letzte große Niederlage ­innerhalb der Partei brachte Marx ausgerechnet sein politischer Ziehsohn Frank Franz bei. Auf dem Bundesparteitag 2014 in Weinheim kandidierte Marx für den Vorsitz der Partei. Mit nur 32 von 139 Stimmen unterlag er Franz, der das Amt seither innehat. Marx blieb nur noch seine Position als Mandatsträger im Saarbrücker Stadtrat. 2019 schied er auch aus diesem Kommunalparlament aus.

Obwohl der saarländische Landesverband nur wenige Mitglieder zählt, diente er in der Vergangenheit als Re­krutierungspool für wichtige Kader der Bundesstruktur. Neben dem Parteivorsitzenden Franz wäre da vor allem der Jurist Peter Richter zu nennen. Dieser war Prozessbevollmächtigter im Verbotsverfahren gegen die NPD und ist derzeit Landesvorsitzender im Saarland.

Richter gilt, wie auch Franz, als Marx’ politischer Ziehsohn. Aber das ist offenbar schon lange nicht mehr von Belang. Auf der Website der NPD zog Franz in einem dort veröffentlichten Kondolenzschreiben noch mal über Marx her. Nach einigen warmen Worte für den »Kamerad und Freund« und der Bekundung seiner Anteilnahme für die Hinterbliebenen bescheinigt Franz dem Verstorbenen eine »schwierige Persönlichkeit«. Es sei nie leicht ge­wesen, den Gedanken von Marx zu folgen, »insbesondere, wenn er einen sinnfremden Nebensatz an den vorausgehenden reihte«. Sein darauf folgendes Bekenntnis zum einst unter anderem von Marx inspirierten Konzept der »seriösen Radikalität« verpackt der 43jährige ebenfalls mit einem Seitenhieb auf den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden: »Er gehörte nicht zu denen, die dir sagen, wohin man fährt, sondern wann man links oder rechts abbiegen soll.« Dieses Verhalten habe Franz »oft zur Weißglut getrieben«. Heute jedoch verstehe der ehemalige Oberfeldwebel, »warum es manchmal sinnvoll und richtig ist, nicht immer mit der Tür ins Haus zu fallen«. Nachdem er sich jahrelang von der »übergestülpten Autorität« Marx’ zu lösen versucht habe, sehe Franz das nun »gelassener« und sei »dankbar und froh«, »nicht in die ›Fänge‹ eines minder begabten Politikers geraten« zu sein, der »zugleich ein Freund« gewesen sei.

Bundesweit kämpft die NPD derzeit um ihr politisches Überleben. Die Partei hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder verloren; nur rund 3 000 sind noch übrig. Bei dem Bundesparteitag am 15. Mai hatte der Vorsitzende Franz versucht, eine Umbenennung der Partei durchzusetzen, scheiterte damit aber. Heutzutage spiele »die NPD im Saarland keine große Rolle mehr«, erklärt die Aktion 3. Welt Saar auf Anfrage der Jungle World. Sie sei nur noch mit sich selbst beschäftigt und »präsentiert weder Personen noch ­Inhalte«.