Die Dokumentation »Rebellinnen« porträtiert Künstlerinnen aus der DDR

Keine Bewegung

Der Dokumentarfilm »Rebellinnen« porträtiert drei Künstlerinnen der DDR, die es mit der Staatssicherheit zu tun bekamen – und trotzdem weiter Kunst machten.

Gleich drei Künstlerinnen, die in der DDR tätig waren, porträtiert Pamela Meyer-Arndt in ihrem Dokumentarfilm »Rebellinnen«. Die Künstlerin und Schriftstellerin Gabriele Stötzer, die Fotografin Tina Bara und die ­Malerin, Filmemacherin und Performance-Künstlerin Cornelia Schleime eint eines: ihre Lust an der Subversion.

Der immense Druck der Staatssicherheit, dem alle drei ausgesetzt waren, wirkte wie ein Katalysator für ihre künstlerischen Arbeiten, die auf ihre je ganz eigene Weise ein Ausdruck von Widerstand waren – ohne dabei aber explizit politische Kunst zu sein. Ein Akt des Kunstmachens, den Tina Bara im Laufe des Films treffend als »Melancholie« bezeichnet, »in der ein aufmüpfiger Gestus lag«.

Mit verwaschenen Super-8-Aufnahmen steigt der Film ein. Man sieht eine kleine Aufziehtänzerin, kläglich gefangen in einem Wasserglas, dazu verdammt, auf ewig ihre Be­wegungsmuster zu vollführen. Ein Raum im dämmernden Licht, vor dem Fenster eine Person mit hängenden Schultern, eiserne Gefängnis­türen, vergitterte Fenster.

Der Film verfährt stringent weiter so, mit abwechselnden Erzählsträngen. Ein dynamisches Narrativ, welches zwischen Archivaufnahmen, eindrücklichen Abbildungen, Ausschnitten aus Filmen und Aufnahmen aus den gegenwärtigen Leben der Frauen hin und her wechselt.

In der Gegenwart: Gabriele Stötzer steht in ihrer Wohnung und faltet weiße Laken zusammen. Was zunächst als banale Alltagshandlung erscheint, wird schnell zum Teil eines von der Künstlerin angeleiteten Foto­shootings in ihrem Hinterhof. Ein Seil, das an einem Baum festgemacht ist, wird an der anderen Seite straff an ihre Haare einer jungen Frau gebunden, die wiederum versucht, trotzdem nach vorne zu gehen. Energisch und selbstsicher dirigiert Stötzer ihr Model: »Komm mal her, fass mal das an, merkste, dass da irgendwas ist? Zieh mal, merkste, dass da irgendwie ein Widerstand ist?«

Ein zentrales Motiv in vielen der Arbeiten Stötzers ist das Gehindertsein an der freien Bewegung, das Angebundensein, sei es an die Vergangenheit oder vielmehr an die Erinnerungen an die Vergangenheit. Oft sieht man in ihren Fotografien Gesichter und ganze Körper, die in eng anliegende Stoffe eingewickelt sind – eine Metapher für das geknebelte Individuum innerhalb eines repres­siven Systems, mit dem jede der drei porträtierten Frauen direkt konfrontiert war. Und Stötzers Erinnerungen daran sind äußerst schmerzhaft.

Als im November 1976 der Ostberliner Liedermacher Wolf Biermann ausgebürgert werden sollte, initiierten namhafte Persönlichkeiten aus dem Kulturleben (darunter Heiner Müller und Christa Wolf) eine Unterschriftensammlungen dagegen. ­Stötzer war eine der Ersten, die unterschrieben, wohl wissend, dass sie ­dafür verhaftet werden konnte. In der Tat nahm die Stasi sie fest, und ein Jahr später wurde sie wegen »Staatsverleumdung« im Zuchthaus Hoheneck inhaftiert. Im Gefängnis begann sie mit dem Schreiben.

Die Szenen, die ihre Inhaftierung erzählen, gehören zu den härtesten im Film. Zu Beginn noch in Einzelhaft, hörte Stötzer bald auf zu reden, zu essen und zu trinken, obgleich sie dies nicht als Hungerstreik verstand (»Dieses Wort ist mir gar nicht eingefallen«). In einer Nacht erlitt sie deshalb derartige Krämpfe, dass sie sich vor Schmerzen schreiend auf dem Boden wand. Daraufhin bäumten sich die restlichen Insassinnen auf der gesamten Etage im Trakt zu einem verzweifelten Akt der Soli­darität auf, indem sie schreiend und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln lärmend versuchten, Aufmerksamkeit zu erregen und Hilfe zu holen. Stötzer war von diesem »Chor der Gefangenen«, wie sie ihn im Nachhinein nennt, zutiefst berührt, er prägte sie dauerhaft.

Auch wenn sich die Frauen zu­mindest im Film selbst nie begegnen oder aufeinander verweisen, sind die Parallelen zwischen ihren damaligen Lebensumständen unüber­sehbar. Bei allen drei kehren künstlerische Motive des Eingesperrtseins und der Rebellion dagegen wieder. Ebenso bekamen sie es alle direkt mit der Gewalt der Staatssicherheit zu tun. Eine Fotografie von Tina Bara zeigt sie in ihrer Wohnung im Spiegel mit Henna-Farbe im Haar, die über Nacht einwirken musste. Kurz darauf, früh morgens um fünf Uhr, klingelten Vertreter der Staats­sicherheit. Bara durfte sich gerade so noch die Farbe auswaschen, bevor sie abgeführt und anschließend über 13 Stunden lang verhört ­wurde.

Baras meist schwarzweiße Fotografien, die aus zahlreichen Selbstporträts sowie Bildern von ihrem unmittelbaren Umfeld bestehen, offenbaren auf behutsame und subtile Weise die Zwänge, denen sie und ihre Freunde ausgesetzt waren. Ihre ersten Aufnahmen entstanden in Mecklenburg-Vorpommern während eines Treffens von »Frauen für den Frieden«, einer oppositionelle Gruppe, die nicht zuletzt deshalb gegründet worden war, weil die bereits bestehenden Oppositionsgruppen von Männern dominiert waren. Eine Serie zeigt die Frauen gemeinsam an einem heißen Sommertag am See nackt beisammen sitzend, in einfühlsamen, sinnlichen wie präzisen Bildern. Ein andermal fotografierte Bara heimlich die katastrophalen Zustände im Chemiewerk Buna, woraufhin ihr die Kamera abgenommen wurde.

Cornelia Schleime spielte etwa vier Jahre in der Punkband Zwitscher­maschine (die später Auftrittsverbot erhielt). Ihre künstlerische Karriere begann damit, dass sie ihren Bandkollegen und Bassisten in Alufolie einwickelte, auf eine Wiese mit Schafen stellte, ihn fotografierte und anschließend eine Collage aus den Bildern anfertigte. Diese Herangehensweise zeigt ihre schon frühe Experimentierfreudigkeit – allein zu fotografieren, das wäre ihr zu langweilig gewesen, wie sie betont. Bis heute ist eine Mischtechnik aus Collage und Malerei ihr Markenzeichen.

Viele von Schleimes frühen Arbeiten, die in der Dokumentation eingeblendet werden, sind heute verschollen – es existieren von ihnen nur ­Fotografien. Die Stasi genehmigte Schleimes Ausreise in den Westen nur unter der Bedingung, ihre Arbeiten in der DDR zurückzulassen. Eine Schwarzweißaufnahme zeigt die Künstlerin rauchend vor einem ihrer Gemälde, auf der allerlei an Hieroglyphen erinnernde Zeichen zu sehen sind. Eine spätere Akteneinsicht ­offenbarte die absurde Paranoia der Staatssicherheit, die glaubte, auf dem Bild eine gefährliche Geheimsprache entdeckt zu haben.

Während Schleime die Geschichte erzählt, wedelt sie genervt mit der Hand vor dem Gesicht, wie man es eben tut, wenn etwas komplett bescheuert ist. Herrlich trocken ist auch ihre Art im Umgang mit ihren Arbeiten, beispielsweise wenn sie auf die arg durchdachten Interpreta­tionsansätze eines Galeristen beim Ausrollen eines ihrer Bilder (»Elemente, die so wirken wie eine Archäologie des Unterbewussten«) lediglich mit grobem Dialekt entgegnet: »Joa, kann ich schwer was zu sagen; was bezeichnend für dieses Bild ist, ist eigentlich, dass es links unten ­angefangen und rechts oben aufgehört hat.«

Den drei Frauen wird im Film der größtmögliche Raum geboten. Die Regisseurin Meyer-Arndt ist zurückhaltend, hier stört keine Interviewfrage und keine kommentierende Stimme aus dem Off, Untertitel werden nur ein minimal eingesetzt. Das wiederum verstärkt das, worum es dem Film eigentlich geht: die­ ­Werke der Künstlerinnen, die immer wieder eingeblendet werden.


Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR. (D 2022). Buch und Regie: Pamela Meyer-Arndt. Mitwirkende: Tina Bara, Cornelia Schleime, Gabriele Stötzer. Filmstart: 3. November