China bleibt größter CO2-Emittent weltweit – und sieht sich als Entwicklungsland

Noch geht die Kohle nicht aus

China ist der größte CO2-Emittent der Welt und plant weiterhin mit Kohle, will aber keine Kohlekraftwerke im Ausland mehr finanzieren. Die meisten dieser Kraftwerke baut China im eigenen Land.

Es war eine Ankündigung, die weltweit für Aufsehen sorgte: Im September 2021 sagte der chinesische Präsident Xi Jinping vor der UN-Vollversammlung, China werde »keine neuen Kohlekraftwerke im Ausland« bauen und damit die chinesische Finanzierung von Kohlekraftwerken weltweit beenden. Chine­sische Banken und Versicherer wie die staatliche Bank of China waren lange Zeit weltweit die größten Geldgeber für die Projektfinanzierung neuer Kohlekraftwerke wie das Kraftwerk Emba Hunutlu in türkischen Yumurtalık. Im Zuge der Belt and Road Initiative, der sogenannten Neuen Seidenstraße, entwickeln und bauen Chinas Unternehmen seit Jahren in zahlreichen Ländern neue Kohlekraftwerke, auch in Europa wie in Kostolac in Serbien oder in Tuzla in Bosnien-Herzegowina.

Was Xis Versprechen tatsächlich bedeutet, hängt allerdings davon ab, ob die Definition der Regierung von »neu« es erlaubt, dennoch weiterhin Dutzende von Anlagen bauen zu lassen. Nach Schätzungen des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) fallen geplante Projekte mit einer Gesamtleistung von etwa 19 Gigawatt in »Grau­zonen« und könnten noch vorangetrieben werden, da sie sich bereits im Bau befinden oder zur Versorgung von Industrieanlagen errichtet werden. Darunter fallen auch zwei große Anlagen in Indonesien mit einer Kapazität von über 1,1 Gigawatt, die zur Stromerzeugung für die Stahl-, Kobalt- und Nickelverarbeitung dienen.

Der CO2-Ausstoß Chinas trägt beträchtlich zu den Schäden durch den Klimawandel bei, trotzdem beharrt es darauf, weiterhin als Entwicklungsland behandelt zu werden.

Ein Jahr nach Xis Versprechen wurden 14 solcher Kohlekraftwerke im Ausland fertiggestellt, weitere 27 werden dem CREA zufolge in Kürze hinzukommen und zusammen etwa 140 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ausstoßen, mehr als die gesamten Emissionen der Philippinen. Xis vages Versprechen zeigt aber durchaus auch Wirkung. Die Bank of China hat angekündigt, keine internationalen Kredite für neue Kohleminen oder -kraftwerke mehr zu vergeben. Seit Xis Ankündigung wurden laut CREA auch 26 von China zur Finanzierung vorgesehene Kohleprojekte, etwa in Vietnam, der Türkei oder der Elfenbeinküste, gestrichen.

In China selbst sieht das anders aus. Rund die Hälfte aller Kohle weltweit wird in China gefördert und auch dort verbrannt, zuletzt mit deutlich steigender Tendenz. Mehr als die Hälfte des globalen Kohleverbrauchs, mehr als die Hälfte der weltweiten Kohlekraftwerkskapazität und mehr als die Hälfte der neu entstehenden Kohlekraftwerke entfallen auf China.

China bläst so viel CO2 in die ­Atmosphäre wie die USA, die EU und ­Japan zusammen und war im ver­gangenen Jahr für 31 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Zum Vergleich: Die USA trugen mit rund 13 Prozent ebenfalls wesentlich zum CO2-Ausstoß bei, Deutschlands Anteil lag zuletzt bei knapp zwei Prozent.

China ist allerdings auch Spitzenreiter bei der Förderung der erneuerbaren Energien und baut seine Kapazitäten in gigantischen Projekten schneller aus als alle anderen. Chinas Pläne sehen vor, dass die CO2-Emissionen noch vor 2030 ihren Höhepunkt erreichen und danach fallen. Bis spätestens 2060 will China die CO2-Emmissionen auf null reduziert haben, zehn Jahre später als die USA und die EU.

Die hohen Emissionen sind vor allem auf die Herstellung von Konsumgütern für den Export, die hohe Einwohnerzahl und eben die Energiegewinnung aus Kohle zurückzuführen. Seit der wirtschaftlichen Öffnung des laut Artikel 1 der geltenden Verfassung »sozialistischen Staats unter der demokratischen Diktatur des Volkes« für internationale Unternehmen und Investitionen war dessen beispielloser Aufschwung an die Kohleverbrennung geknüpft.

Chinas enormer CO2-Ausstoß trägt beträchtlich zu den Schäden bei, die der Klimawandel anrichtet, trotzdem beharrte das Land bei der diesjährigen Weltklimakonferenz COP 27 darauf, weiterhin als Entwicklungsland behandelt zu werden. Die klassischen Industriestaaten des 20. Jahrhunderts haben historisch die meisten CO2-Emissionen verursacht. Dementsprechend sollen sie, wie es die internationalen Klimaabkommen festschreiben, am stärksten ihre Emissionen reduzieren und auch in den bei der COP 27 in Ägypten beschlossenen Entschädigungsfonds für die Folgen des Klimawandels einzahlen.

Dass China der Klimarahmenkonvention der UN von 1992 folgend bis heute als Entwicklungsland eingestuft wird, obwohl es nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde darstellt, wird deshalb von den klassischen Industrieländern immer wieder kritisiert. Frans Timmermans, Vizeprä­sident der EU-Kommission, sagte bei der COP 27, dass in Sachen Klima die EU derzeit der größte Geber sei, »aber wir müssten begreifen, dass wir im Jahr 2022 leben und nicht mehr 1992«.

Tatsächlich sind weite Teile der chinesischen Bevölkerung trotz des in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen Wohlstands sehr viel ärmer als die meisten europäischen Bürger. Die Pro-Kopf-Emissionen liegen dennoch nur knapp unter denen Deutschlands, jedoch noch um die Hälfte niedriger als in den USA. Wenn man allerdings alle Treibhausgasemissionen seit Beginn der Industrialisierung zusammenrechnet, um die historische Verantwortung für den CO2-Anstieg in der Atmosphäre um fast 50 Prozent seit 1850 zu ermitteln, dann landet China deutlich hinter den USA und der EU auf dem dritten Platz.

In seiner Rede fügte Xi hinzu, dass China andere Entwicklungsländer bei der Umstellung auf grüne und kohlenstoffarme Energien stärker unterstützen werde – doch das trifft bislang nicht zu. Die letzten Jahre mit der Pandemie, Unwettern, großen Kriegen, der Energiekrise und einer Weltwirtschaft am Rande der Rezession haben auch China zugesetzt. In mehreren Provinzen war 2021 Elektrizität knapp. Viele Fabriken mussten ihre Produktion einschränken oder ihren Betrieb vorübergehend einstellen. Die Zentralregierung in Peking hatte Energiesparmaßnahmen erlassen und stellenweise Haushalten und der Industrie den Strom gesperrt. Chinas Wirtschaft ist durch die strikte Null-Covid-Strategie und die bislang größte Krise im Immobiliensektor eingebrochen. Eine rückläufige globale Nachfrage und hohe Inflation in anderen Ländern beeinflussen die Ausfuhren des Exportweltmeisters negativ. Der Internationale Währungsfonds sagte zuletzt nur 3,3 Prozent Wachstum für China voraus.

Damit es nicht wie im vergangenen Jahr zu Engpässen in der Energieversorgung kommt, lässt China die Kohlekraftwerke derzeit auf Hochtouren laufen. Xi ordnete auch an, dass so viel Kohle wie möglich gefördert wird. Ohne den wirtschaftlichen Abschwung in China wären die Emissionen aus der Verbrennung von Kohle wahrscheinlich noch viel höher ausgefallen – die neue Schätzung des Global Carbon Project geht für 2022 von einem globalen Anstieg um rund 300 Millionen Tonnen CO2 auf knapp 37 Milliarden Tonnen aus, etwas mehr als vor Beginn der Covid-19-Pandemie.