Millionen von Ukrainern droht ein Winter ohne Strom oder Heizung

Zerstörte Lebensgrundlage

Mit systematischen Angriffen auf die Energieinfrastruktur will Russland die Ukraine bezwingen. Millionen Menschen müssen im Winter womöglich ohne Wasser oder Heizung leben. Zahlreiche Einwohner Kiews planen, die Stadt zu verlassen.

Andrej stand gerade in der Küche, als er draußen eine Explosion hörte. Schon am Morgen hatte es Luftalarm gegeben, doch wie so oft waren der Sirene keine Angriffe gefolgt. Viele Bewohner Kiews haben sich in den vergangenen Wochen daran gewöhnt, die meisten der fast täglichen Luftalarme zu ignorieren. Doch mindestens einmal die Woche kommen die Angriffe doch, meist morgens, wenn viele Menschen auf dem Weg zur Arbeit sind: Schwärme von Raketen und Drohnen greifen dann aus dem Norden, Osten und Süden Ziele in der gesamten Ukraine an. Zuletzt hatte Russland am 15. November fast 100 Raketen aus dem Luftraum von Belarus und Russland und von Schiffen aus dem Schwarzen Meer abgefeuert, dazu aus der Islamischen Republik Iran importierte Drohnen eingesetzt.

Doch am Mittag des 23. November kamen die Einschläge für Andrej ohne Vorwarnung. Weil in seinem Viertel im Nordwesten Kiews planmäßig der Strom abgeschaltet war, ertönte keine Sirene. Der erste Einschlag war weit entfernt, die nächsten waren laut und deutlich zu hören. Dann hörte er Pfeifen in der Luft. Unmöglich zu sagen, ob russische Raketen oder die ukrainische Luftabwehr. Er zählte insgesamt sechs Explosionen. So nahe Einschläge habe er lange nicht mehr erlebt, sagte er ­später der Jungle World. Er fühlte sich an den 24. Februar erinnert, als ihn um fünf Uhr morgens Explosionen einschlagender Raketen aus dem Schlaf gerissen hatten.

Die Zerstörung der Infrastruktur werde dazu führen, dass die der­zeitige »humanitäre Antwort schnell wie ein Tropfen im Ozean aussehen wird«, warnte der UN-Flüchtlings­beauftrage Filippo Grandi.

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