Die Naziszene in Berlin-Lichtenberg vor und nach dem Fall der Mauer

Die Nazi-Nachbarn der Hausbesetzerszene

Der Ostberliner Bezirk Lichtenberg war in der Zeit der Wieder­vereinigung ein Zentrum rechtsextremer Gewalt. Antifaschistische Aktionen – und die Gentrifizierung – verdrängten die Neonazis in den folgenden Jahren langsam aus dem Kiez.

Am kommenden Samstag vor 30 Jahren erließ das Bundesinnenministerium ein Verbot der inzwischen kaum noch bekannten Neonazi-Kleinpartei »Deutsche Alternative« (DA). Zu ihren Gründern zählte der umtriebige und 1991 an Aids verstorbene Neonazi-Führer Michael Kühnen. Ein wichtiges Wirkungsgebiet der Organisation war damals der Ostberliner Bezirk Lichtenberg. Dort entstand bereits vor dem Ende der DDR, verstärkt aber in der unmittelbaren Nachwendezeit – heutzutage als »Baseballschlägerjahre« bezeichnet – ein regelrechter Neonazi-Hotspot, von dem immer wieder extreme und zuweilen tödliche Gewalt ausging.

Der wohl bekannteste Fall ereignete sich knapp drei Wochen vor dem Verbot der DA im benachbarten Friedrichshain, als der Antifaschist Silvio Meier in einer Auseinandersetzung mit jugendlichen Neonazis niedergestochen wurde und den Verletzungen erlag. Die Täter verkehrten im Jugendclub »Judith Auer« in der gleichnamigen Straße in Lichtenberg. Nach einem Bericht der Zeitschrift Telegraph vom Oktober 1992 gingen dort auch der Berliner DA-Vorsitzende Arnulf Winfried Priem und andere bekannte Neonazi-Größen ein und aus. Am Tag nach Meiers Tod zog eine antifaschistische Demonstration am Club »Judith Auer« vorbei, aus der heraus Teilnehmer:innen die Scheiben mit Baseballschlägern zertrümmerten. Zwei Tage später folgte ein Brandanschlag auf den Club, er wurde daraufhin vorübergehend geschlossen.

Bis weit in die nuller Jahre blieb die Gegend um den Bahnhof Lichtenberg als No-go-Area für alle verschrien, die Feindbildern von Neonazis entsprechen.

Seitdem fand – mit einigen Ausnahmen in den vergangenen Jahren – fast jährlich eine Gedenkdemonstration jeweils am Samstag nach dem Jahrestag von Meiers Tod statt. 2013 wurde eine Straße nach Meier benannt, die zum U-Bahnhof Samariterstraße führt, an dem sein Leben ein jähes, gewaltsames Ende fand. Er war 27 Jahre alt und hinterließ einen 1991 geborenen Sohn.

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