In Baden-Württemberg hat eine homophobe christliche Sekte aus den USA eine Kirche aufgemacht

Hasspredigt per Video

Die fundamentalistische Baptistenkirche »Faithful Word« aus den USA hat jetzt einen Ableger in Pforzheim. Das deutsche Oberhaupt dieser Gemeinde ist wegen Volksverhetzung verurteilt und fordert die Todesstrafe für Homosexuelle.

»Diese sündige Nation, dieses gottlose Volk, hat jetzt einen offiziellen Queer-Beauftragten«, sagte Anselm Urban im Februar 2022 bei einer Predigt, die als Video immer noch auf der Website der »Faithful Word Baptist Church« zu sehen ist. Urban, das Oberhaupt der fundamentalistischen Gemeinde in Deutsch­land, ereifert sich in dem Video weiter über »einen offiziellen Beauftragten für den letzten Abschaum der Gesellschaft, für den letzten Schmutz der Gesellschaft«. Das Einzige, »was die Regierung tun muss«, sei nicht, queere Menschen »zu beschützen, sondern zu töten«. Dann wandte sich Urban direkt an den Grünen-Politiker, der als Queer-Beauftragter im Auftrag des Familienministeriums die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verbessern soll: »Fahr zur Hölle, Sven Lehmann, Schwuchtel, stirb.« Und: »Sven Lehmanns Blut sei auf ihm.«

Anfang März teilte die Staatsanwaltschaft Görlitz mit, dass Urban wegen dieser und ähnlicher Äußerungen rechtskräftig verurteilt worden sei. Er sei »wegen Volksverhetzung, Beleidigung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Geldstrafe von 85 Tagessätzen verurteilt« worden. Die Zustellung des Strafbefehls sei über seinen Verteidiger erfolgt, der Angeklagte halte »sich offenbar im amerikanischen Ausland« auf.

Es war nicht das erste Mal, dass Urban LGBTQ-Personen den Tod wünschte. Bereits im Dezember 2021 hatte das Portal Queer.de berichtet, dass er »Die LGBT-Lüge« beworben habe: eine von US-amerikanischen Baptist:innen produzierte Pseudodokumentation, die für Homosexuelle die Todesstrafe fordert. Urban hatte dabei geholfen, den von Laiensprechern deutsch synchronisierten Film in der Bundesrepublik zu verbreiten.

2015 produzierte »Faithful Word«-Gründer Steven Anderson den Film »Ist der Holocaust wirklich passiert?«

Am 16. März vergangenen Jahres kam es zu einer Hausdurchsuchung bei ­Urban, der damals noch im sächsischen Görlitz wohnte. Verschiedene Daten­träger wurden beschlagnahmt. Doch bevor es zu einer Gerichtsverhandlung kommen konnte, verließ Urban das Land. Er fand Unterschlupf in Tempe, Arizona, wo er nach eigenen Angaben bei der Baptistenkirche Faithful Word angestellt ist. Die Kirche hatte der Pastor Steven Anderson 2005 gegründet; er gelangte zu zweifelhafter Prominenz, als er 2009 in einer Predigt sagte, er bete für den Tod von Barack Obama, und zuvor dem Journalisten Michelangelo Signorile anvertraut hatte, er würde niemanden verurteilen, der den damaligen Präsidentschaftskandidaten töte, auch wenn er niemanden dazu auffordere. 2015 produzierte Anderson den Film »Ist der Holocaust wirklich passiert?« Darin leugnet er den Holocaust und verbreitet antisemitische Stereotype.

»Ekelerregende Homosexuelle«
Anderson darf in viele Länder der Welt nicht mehr einreisen, darunter den Schengen-Raum. 2016 reiste er nach Botswana, wo damals Homosexualität strafbar war. Als er dort aber in ­einer Radiosendung den Terroranschlag auf den Nachtclub »Pulse« in Orlando lobte, weil dabei nur »ekelerregende Homosexuelle« getötet worden seien, »von denen die Bibel sagt, dass sie den Tod verdienen«, war das selbst dort zu viel. Anderson wurde verhaftet, ausgewiesen, und der damalige Präsident Ian Khama sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er persönlich habe angeordnet, den Hassprediger zur ­unerwünschten Person im Land zu ­erklären.

In Arizona machte Anderson davon unbeeindruckt weiter. Seinem deutschen Bruder im Geiste greift er nun unter die Arme. »Anselm hat eine sehr gute Predigt gehalten«, befindet er in einem im März 2022 veröffentlichten Video – gemeint sind damit Urbans homophobe Todeswünsche gegen Lehmann. In seinem Video erklärt Anderson seinen Zögling zum offizi­ellen Repräsentanten der Baptistenkirche in Deutschland. »Er hat sehr hart gepredigt und manche Leute in Deutschland werden verrückt darüber«, sagt Anderson in ziemlich gutem Deutsch. Doch die »Leute brauchen diese Botschaft«, auch wenn »die Weltbeherrscher der Finsternis« nicht wollten, dass sie gehört werde.
Urban selbst ist der Ansicht, er werde für seinen Glauben verfolgt. Ihm würden bis zu fünf Jahre Haft drohen, »nur weil ich die Bibel gepredigt habe«. Verurteilt wurde er freilich nur zu 85 Tagessätzen, was sogar unter der Grenze liegt, ab der er als vorbestraft gelten würde.

Derweil predigt Urban weiter und seine fundamentalistische Gruppe baut ihre Aktivitäten in Deutschland aus. Einen ersten Ableger von Faith­ful Word gibt es seit kurzem im baden-württembergischen Pforzheim, im März wurde dort ein Eröffnungsgottesdienst gefeiert. »Mit insgesamt 23 Be­suchern können wir nur sagen: Gott hat unsere Gebete erhört!« ist auf der zugehörigen Website zu lesen. Jede Woche sonntags gibt es der Website zu­folge einen Gottesdienst, nach eigenen Angaben mit durchschnittlich neun Beteiligten.

Als religiöse Räumlichkeit fungieren Büroräume in der Innenstadt, berichtete die Tageszeitung Badische Neue Nachrichten, auf der Glastür seien Worte wie »altmodisch«, »unabhängig«, »fundamental« und »­harte Predigten« aufgedruckt. Letztere hält Urban weiterhin regelmäßig, Videos davon werden im Internet veröffentlicht.

»Unserer Einschätzung nach handelt es sich um eine christlich-fundamentalistische Sektierergruppe, die unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit insbesondere queer- und judenfeindliche Verschwörungsnarrative und Vernichtungsphantasien verbreitet.« Oliver Hildenbrand/Felix Herkens (Grüne)

Der 25jährige aus Görlitz hat von rechts außen zu Gott gefunden: Früher habe er AfD, Pegida und die Identitäre Bewegung super gefunden, sagt er, »aber Patriotismus kann wie eine Zweitreligion sein«. Das müsse man ablegen, wenn man wirklich hundertprozentig dem Herrn dienen wolle. Deswegen hält Urban mittlerweile nicht mehr viel von Nationalstolz. Am allerwenigsten hält er von einem ganz ­bestimmten Staat: dem »Staat Israel, den es nicht geben sollte, der vom Teufel ist«. Denn: »Gott hat die Juden vertrieben, Gott wollte nicht, dass es einen Staat Israel gibt.«

Obwohl die Pforzheimer Filialkirche noch jung ist und die Zahl der dort aktiven Menschen überschaubar scheint, gibt sich die Politik alarmiert. »Die Forderung einer Todesstrafe für bestimmte Personengruppen ist nicht nur unerträglich und menschenverachtend, sondern auch in keinster Weise hinnehmbar«, stellten der Pforzheimer Oberbürgermeister Peter Boch und sein Stellvertreter Dirk Büscher (beide CDU) in einer gemein­samen Pressemeldung fest. Sie verurteilen Urbans Äußerungen »aufs Schärfste«.

Ein Verbot soll geprüft werden
Noch deutlicher wurden zwei Landtagsabgeordnete der Grünen. »Unserer Einschätzung nach handelt es sich um eine christlich-fundamentalistische Sektierergruppe, die unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit insbesondere queer- und judenfeindliche Verschwörungsnarrative und Vernichtungsphantasien verbreitet«, schreiben Oliver Hildenbrand und Felix Herkens in einem gemeinsamen Brief an Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU). Auf Basis der vorliegenden Informationen betrachteten sie die Baptistenkirche als »kriminelle Vereinigung«, die die Sicherheitsbehörden genau im Blick behalten müssten. Auch ein Verbot solle geprüft werden.

Zumindest gegen den Gründer der Gruppierung wird weiter vorgegangen. Jüngst gab die Staatsanwaltschaft Karlsruhe bekannt, dass gegen Anselm Urban wegen des »Anfangsverdachts der Volksverhetzung« erneut ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.