In Niederösterreich haben Konservative mit der rechtsextremen FPÖ einen Pakt geschlossen

Moslem-Mama und die Kellernazis

Im flächenmäßig größten Bundesland Österreichs koaliert die ÖVP mit den »Freiheitlichen« – entgegen den Versprechen im Wahlkampf.
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Das Bündnis der Konservativen mit den Rechtsextremen sorgt für Empörung. Die Koalition der ÖVP mit der rechtsextremen FPÖ in Niederösterreich sei »grotesk«, sagte beispielsweise Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, zumal die Abgeordneten der FPÖ in diesem Bundesland »fast alle Kellernazis« seien.
Bei der Landtagswahl in Niederösterreich am 29. Januar erreichte die ÖVP knapp 40 Prozent, sie verlor fast zehn Prozentpunkte und damit die absolute Mehrheit. Die FPÖ gewann fast ebenso viel dazu und wurde mit über 24 Prozent zweitstärkste Partei.

Zunächst verhandelte die ÖVP mit der SPÖ, die nach einem katastrophal verunglückten Wahlkampf drei Prozentpunkte verloren ­hatte und bei knapp 21 Prozent landete, beendete diese Verhandlungen aber verdächtig rasch. Die Forderungen der SPÖ nach einem Hilfsprogramm für Langzeitarbeitslose und einem Ausbau der Kinderbetreuung seien unzumutbar, verlautete die ÖVP-Landeshauptfrau (Ministerpräsidentin des Bundeslandes) Johanna Mikl-Leitner. Deswegen müsse man leider mit der FPÖ koalieren. Die von beiden Parteien getragene Landesregierung wurde am 23. März vereidigt.

Im Wahlkampf hatte Mikl-Leitner stets behauptet, eine Koalition mit der FPÖ käme für sie nicht in Frage. Das glaubten ihr auch viele, hatte die FPÖ Mikl-Leitner doch auf Plakaten als Hijab tragende »Moslem-Mama« verhöhnt, die eine »Zwangsislamisierung« betreibe. Zudem galt die niederösterreichische FPÖ bei den restlichen Parteien als gar zu extrem.

Die bei vielen Kritiker:innen der Koalition zum Ausdruck kommende Verwunderung ist dennoch ein wenig überraschend. Denn die ÖVP bleibt mit diesem Bündnis ihrer Tradition treu. So hatte der damalige ÖVP-Generalsekretär Michael Graff nach der Wahl Kurt Waldheims zum Staatspräsidenten 1987 über dessen NS-Vergangenheit der französischen Tageszeitung L’Express gesagt: »Solange nicht bewiesen ist, dass er eigenhändig sechs Juden erwürgt hat, gibt es kein Problem.«

In den siebziger Jahren bezeichneten ÖVP-Provinzpolitiker den damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky habituell als »Saujud« und 1970 hatte der damalige ÖVP-Kanzler ­Josef Klaus mit dem Slogan für sich geworben, ein »echter Österreicher« zu sein – im Gegensatz zum Juden Kreisky, der die Par­lamentswahl dann aber gewann. Zurück in die jüngere Vergangenheit: Der amtierende ÖVP-Innenminister Gerhard Karner betrieb im niederösterreichischen Dorf Texingtal vor seiner Karriere in der Politik ein Museum für den austrofaschistischen Diktator Engelbert Dollfuß.

Viele politische Beobachter:innen sehen in der niederösterreichischen schwarz-blauen Koalition die Vorbereitung für eine neue bürgerlich-rechtsextreme Zusammenarbeit auch auf Bundes­ebene.

Udo Landbauer, niederösterreichischer Vorsitzender der FPÖ, Landesrat (Minister) für Infrastruktur, Verkehr und Sport sowie Stellvertreter Mikl-Leitners, hat gewiss nicht eigenhändig sechs Juden erwürgt. Er war nur stellvertretender Vorsitzender der deutschnationalen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, wo man fidele Lieder sang wie: »Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million«. Als das im Jahr 2018 bekannt wurde, musste sich Landbauer kurzfristig aus der Politik zurückziehen. Aber da die Staatsanwaltschaft an Nazigesängen nichts Illegales finden wollte, stand dem raschen Comeback des Sohns einer iranischen Zuwanderin nichts im Wege.

Die FPÖ Niederösterreich ist auch die Partei von Gottfried Waldhäusl, der nach dieser Wahl zum Zweiten Landtagspräsidenten wurde. Waldhäusl wollte 2018, damals als Landesrat für Tierschutz und Asyl zuständig, was ja auch schon eine vielsagende Kombina­tion ist, eine Art Judenliste anlegen lassen. Nach seinen Plänen hätten sich Juden, die sich koscher ernähren, namentlich bei den Behörden registrieren lassen müssen. Waldhäusl wollte dies als Beitrag zum Tierschutz verkaufen. Er plante, die Herstellung koscheren Fleisches in Niederösterreich gänzlich zu untersagen. Wer »importiertes« koscheres Fleisch kaufen wollte, sollte dann seine Religionszugehörigkeit nachweisen.

Mitte November 2018 hatte Waldhäusl jugendliche Asylbewerber in eine mit Stacheldraht umzäunte Anstalt sperren lassen; zwei Wochen später ließ Landeshauptfrau Mikl-Leitner die Anstalt Draßenhofen schließen und die Asylbewerber anderweitig unterbringen. Für diesen skandalösen Vorgang klagte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Waldhäusl wegen Amtsmissbrauchs an. Ein Schöffengericht in St. Pölten wollte es Waldhäusl aber nicht juristisch ankreiden, mit unfreiwilligen jugendlichen Teilnehmern ein bisschen Lagerhaft gespielt zu haben, und sprach ihn im September 2022 frei. Die Staatsanwaltschaft zog ihre Rechtsmittel zurück, und so freute sich Waldhäusl über seinen just zum Zeitpunkt des Abschlusses der ÖVP-FPÖ-Koalitionsverhandlungen rechtskräftig gewordenen Freispruch.

Der Koalitionsvertrag hat es in sich: Am absurdesten mutet die Einrichtung eines 30 Millionen Euro schweren »Corona-Fonds« an, der verhängte Strafen wegen Verstößen gegen die Pandemiemaßnahmen zurückzahlen soll; auch die Verpflichtung der Schulen, die Kinder per Hausordnung auf den Schulhöfen zum Gebrauch des Deutschen zu zwingen, hat mehr als nur faden Beigeschmack.

Viele politische Beobachter:innen sehen in der niederösterreichischen schwarz-blauen Koalition die Vorbereitung für eine neue bürgerlich-rechtsextreme Zusammenarbeit auch auf Bundes­ebene. Die Bevölkerung könnte jedoch ein bisschen klüger geworden sein seit den Tagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz, denn einer im März veröffentlichten Umfrage der Tageszeitung Der Standard zufolge lehnen 60 Prozent eine neuerliche ÖVP-FPÖ-Regierung im Bund strikt ab.

Jetzt müssten die Menschen, die das so sehen, nur noch entsprechend wählen, was aber aufgrund der selbstverschuldeten Dauerkrise der Sozialdemokraten alles andere als sicher ist. Die SPÖ versucht gerade, ihre Parteispitze per Mitgliederabstimmung zu be­setzen. Nicht weniger als 73 Kandidat:innen stehen zur Wahl.