Verquere Fronten
Im Sommer 1923 strebte die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) keine Querfront an. Querfront im klassischen Sinn hätte zum Beispiel bedeutet, sich mit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zu verbünden, im Reichstag eine gemeinsame Fraktion zu bilden oder zu behaupten, zwischen linker und rechter Politik bestünden keine unvereinbaren Gegensätze. Das hat die KPD nicht getan. Trotzdem loteten führende Kommunist:innen im Krisenjahr 1923 in aller Öffentlichkeit aus, inwiefern sie und die Nazis gemeinsame Ziele verfolgten. »Ein Stück Wegs?« hieß der Beitrag, den der Nationalsozialist Ernst Graf zu Reventlow in der Tageszeitung der KPD Die Rote Fahne am 2. August 1923 veröffentlichen durfte. In der Ausgabe vom 16. August schrieb der Vertreter der Kommunistischen Internationale, Karl Radek, daraufhin, die Bourgeoisie fürchte nichts mehr als »die Vereinigung der kommunistischen Arbeiter mit den nationalistischen kleinbürgerlichen Massen«, denn das würde »ein Ende der Herrschaft der beschnittenen und unbeschnittenen Kapitalisten« bedeuten.
Am 2. August 1923 trat der KPD-Funktionär Hermann Remmele bei einer NSDAP-Versammlung in Stuttgart auf. Er wollte sein Publikum mit dieser Argumentation gewinnen: »Sie, die Faschisten, geben nun an, das jüdische Finanzkapital zu bekämpfen. Schön. Tun Sie das! Einverstanden! Aber Sie dürfen eines nicht vergessen, das Industriekapital!« Das Protokoll seiner Rede wurde einige Tage später in der Roten Fahne abgedruckt. Die KPD organisierte zudem Veranstaltungen, zu denen ausdrücklich die »völkischen Gegner« eingeladen waren. Bei einer solchen Gelegenheit reagierte Ruth Fischer, die ein Jahr später Vorsitzende der KPD wurde, ganz ähnlich wie Remmele auf Zwischenrufe und sagte, wer »gegen das Judenkapital« aufrufe, sei »schon Klassenkämpfer«.
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