Das Projekt Maneo hat seinen Jahresbericht über Gewalt gegen LGBT-Personen veröffentlicht

Stochern im Dunkelfeld

In seinem jüngsten Jahresbericht zur queerfeindlichen Gewalt in Berlin stellte das Projekt Maneo fest, dass nur die Hälfte der registrierten Fälle der Polizei gemeldet wurden. Das tatsächliche Dunkelfeld dürfte sogar noch um einiges größer sein.
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Am 2. Januar 2022 fährt ein schwules Paar in einem Zug der Berliner U-Bahn-Linie 9 Richtung Rathaus Steglitz. Ein Fahrgast beginnt, es zu beschimpfen; die beiden hätten »hier in meinem Steglitz« nichts zu suchen. Er schlägt einem der Männer unvermittelt ins ­Gesicht und tritt dem anderen in den Rücken.

Der Fall ist einer von 760 LGBT-feindlichen Übergriffen oder Hinweisen auf solche, die vom »schwulen Anti-Gewalt-Projekt« Maneo Berlin registriert wurden. Die Taten reichen von Beleidigung über Bedrohung und Nötigung bis zu Körperverletzung. Registriert wurden zu 42 Prozent Beleidigungen, 29 Prozent Körperverletzungen oder versuchte Körperverletzung und knapp ein Viertel Nötigungen und Bedrohungen. Lediglich 48 Prozent der Vorfälle seien der Polizei gemeldet worden, berichtet Maneo. Allerdings erfasst auch Maneo nur die Fälle, die dem Projekt gemeldet wurden. Die Organisation schätzt, dass tatsächlich 80 bis 90 Prozent der Fälle nicht angezeigt werden.

Die Zahlen verdeutlichen: LGBT-feindliche Gewalt gehört zum Berliner Alltag und zieht selten juristische Konsequenzen nach sich. Das Monitoring kann selbstverständlich keine exakte Auskunft über die wirkliche Fallzahl bieten, scheint allerdings bereits ein genaueres Bild zu liefern als die polizeiliche Kriminalstatistik. Die Polizei Berlin meldet in ihrem Bericht über »politisch motivierte Kriminalität« für 2022 rund 200 Fälle weniger, nämlich 542 in den Bereichen »Sexuelle Orientierung und/oder Geschlechtsbezo­gene Diversität«.

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