Alles unter Kontrolle in der chinesischen Gesellschaft

Geschlossene Räume

Die Campus der Universitäten in der Volksrepublik China werden wie Hochsicherheitstrakte kontrolliert und verwaltet. Doch trotz ­schwindender Freiräume findet weiterhin historische Forschung zur modernen chinesischen Geschichte statt. Wegen staatlicher Kampagnen gegen Wissenschaftsspionage und Denunziationen durch Studierende erfordert dies einigen Mut, besonders bei chinesischen Lehrenden.
Reportage Von

Seit 1998 besuchte ich bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie 2020 fast jedes Jahr China. Von 2000 bis 2002 studierte ich an der Volksuniversität in Peking Chinesisch und »Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas«. Mit der größten Spannung habe ich 2023 meinen sechswöchigen Forschungsaufenthalt erwartet. Zwischen dem Lockdown der Stadt Wuhan Ende Januar 2020 und der Aufhebung aller Einreisebeschränkungen und der Testpflicht Ende August 2023 hatte sich die Volksrepublik nach außen abgeriegelt. Wenn eine Einreise unter den Bedingungen der strengen Null-Covid-Politik überhaupt möglich war, musste man nach der Ankunft eine zwei- bis vierwöchige Quarantäne in einem Hotelzimmer verbringen, und zwar auf eigene Kosten. Die Behörden ließen keine Ausnahmen zu.

Ich kenne mehrere Chinesen und Chinesinnen, die im Ausland leben und wegen dieser Regelung weder sich von todkranken Eltern verabschieden noch an deren Beerdigung teilnehmen konnten. Manche Familien und Paare wurden für lange Zeit getrennt. Erschwerend kam hinzu, dass Flugtickets zeitweise bis zu zehnmal so viel wie vor der Pandemie kosteten. Studierende und andere Menschen mit niedrigen Einkommen saßen über Monate an einem Ort fest.

Überraschend war, dass ich während meiner Reise 2023 durch China kaum Anzeichen wahrnehmen konnte, dass es zuvor eine Pandemie gegeben hatte. Ich besuchte immerhin Universitäten in Shanghai, Taiyuan (Provinz Shanxi) und Peking. Die »goldene Woche« der landesweiten Ferien um den Staatsfeiertag am 1. Oktober verbrachte ich in der Provinz Anhui und ich reiste in die ehemalige deutsche Kolonie Qingdao (Provinz Shandong). Ich fuhr mit den Hochgeschwindigkeitszügen circa 4.200 Kilometer – mit insgesamt 15 Minuten Verspätung.

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